Der Herd muss geputzt sein! Martin Lindow ist „allein und ohne Trost“ bei „Haus. Frauen. Sex“

Martin Lindow alias "Andreas" in "Haus.Frauen.Sex".
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  • hochgeladen von Daniel Henschke

Der Saal ist gut gefüllt, der Werdener Schauspieler Martin Lindow lädt zum Solostück, das wird spannend.

Die kahle Bühne von „kunstwerden“ ist schon eine Herausforderung. Diesmal muss Grimme-Preisträger Lindow ohne Bühnenbild ran. Der Raum ist klein, das Publikum rückt ihm „auf die Pelle“. Das ist nicht ideal, das ist er so nicht gewöhnt.
Aber es wird witzig und auch ein bisserl tragisch. „Haus. Frauen. Sex“ nach dem gleichnamigen Bestseller von Margit Schreiner geht nämlich unter die Haut, ist aber auch ein lustiges Stück. Lindow hat die Lacher auf seiner Seite, gerade der weiblichen Zuschauer. Die Männer halten sich da eher zurück, denn so mancher Lacher bleibt ihnen fies im Hals stecken.

Mit Sprühpistole und Küchenpapier

Mit Sprühpistole und Küchenpapier bewaffnet, stellt Martin Lindow alias „Andreas“ nur die reinen Fakten fest: „Ich habe doch eigentlich nur gesagt, dass der Herd nicht geputzt ist!“ Dieser seiner Meinung nach ausschließlich eine nüchterne Beobachtung widerspiegelnde Satz war offensichtlich Auslöser einer Trennung. Seine „Jo“ ist weg, nahm den Jungen mit.
Schnell wird klar, dass hier ein verlassener, verbitterter, als Ehepartner kläglich gescheiterter Mann die Schuld bei den Frauen „an sich“ sucht: „Ihr erfüllt Eure Pflicht nicht!“ Seiner „Jo“ wirft er vor: „Der Fehler liegt bei Dir. Du hast den Herd nicht geputzt, dafür habe ich Dich verachtet!“
Nun hält er ihn in den Händen, den „fatalen“ Abschiedsbrief. 20 Jahre waren sie zusammen, nun schreibt sie: „Lieber Andreas, ich kann nicht mehr mit Dir zusammen leben!“ Sie stand an der Supermarktkasse, er hat sich für sie, für die Familie, für den Traum vom eigenen Haus „aufgeopfert“. 49 ist er, arbeitslos: „Ich kriege doch keinen Job mehr!“

"Johanna Marie"

Andreas lebt in völliger Verständnislosigkeit darüber, dass seine „Jo“ sich nun abnabelt, „Johanna Marie“ genannt werden möchte, in eine kleine, aber eigene Wohnung gezogen ist, gut mit ihrem Nähatelier verdient. Und den Jungen mitgenommen hat.
Sie habe die Hälfte des neuen Traumhauses bezahlt? Lächerlich! Immerhin hat er ihr den roten Steinfußboden in den Flur gelegt, den sie immer schon haben wollte. Und den Schrank getischlert. Eigenhändig.
In Rückblenden hat sich schon der kleine Andreas, der Vater starb früh, in unerträglicher Arroganz als Beschützer seiner Schwestern und der „immer weinenden“ Mutter aufgespielt, hat „die Verantwortung übernommen“. Er sieht sich unverstanden: „Alles habe ich euch Frauen geopfert, auch meine Freiheit“

"Always on my mind"

Im zweiten Teil knödelt Willie Nelson „Always on my mind“. Jetzt wird Andreas auch noch sentimental! Er packt den Wodka aus. Entlassen wurde er doch nur, weil diese beiden Ingenieurinnen gegen ihn integriert haben. Denen hat er‘s aber gegeben: „Die einen können besser Kinder kriegen als die anderen!“ Zack! Das hat gesessen! Blöderweise hat der Chef zugehört - seitdem hockt Andreas zuhause.
Und salbadert ein selbstgerechtes Fazit seines Lebens mit, oder sollen wir besser sagen, gegen die Frauen? „Überhaupt! Die Bumserei ist der Anfang vom Ende!“
Während Andreas immer mehr Abwertendes - auch ihre mangelnden Fähigkeiten im Bett - über seine Frau entfährt, erfährt der Zuschauer Abgründiges über sein Seelenheil: „In so einem großen Haus kann das unheimlich still sein! Nachts bin ich wie Alle – allein und ohne Trost!“

Praktisch veranlagt

Eigentlich hat er die Falsche geheiratet, aber die „Jo“, die hatte was. Dabei hatte ihn die Mutter noch gewarnt: „Die hat so ein Glänzen in den Augen – das ist gefährlich!“ Doch genau dieses Glänzen habe er gewollt. Mit der Yvonne, das hätte besser geklappt: „Die Yvonne, die war praktisch veranlagt! Die war sich nicht zu schade, den Ölstand zu kontrollieren!“ Die Yvonne hat beim Andreas noch was ganz anderes kontrolliert …

Französische Fischsuppe

Martin Lindow überzeugt als Jammerlappen, der sein letztes bisschen Würde noch versäuft und verhaspelt sich höchst gekonnt bei der „französischen Fischsuppe“. Sein Andreas hat nichts verstanden. Ein emotionaler Krüppel. Völlig am Ende seufzt er nur noch: „Ich habe dir eigentlich nur gesagt, dass dieser Herd nicht geputzt ist!“ Dann entspannen sich die Lindowschen Gesichtszüge: „Ende.“
Hinterher geht der Hut rum – die Leute geben gerne. Ob‘s für einen neuen Herd reicht?

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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