Raus aus den Zeltdörfern

Interessierte Bürgerinnen und Bürger konnten mit ihren Fragen in die von den LINKEN angesetze Bürgersprechstunde kommen: (v.li.) Ute Jonetat (Besucherin der Bürgersprechstunde), Alexander Gerbig (Mitglied der LINKEN), Harald Gimborn (sachkundiger Bürger im Planungsausschuss) und Udo Seibert (DIE LINKE).
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  • Interessierte Bürgerinnen und Bürger konnten mit ihren Fragen in die von den LINKEN angesetze Bürgersprechstunde kommen: (v.li.) Ute Jonetat (Besucherin der Bürgersprechstunde), Alexander Gerbig (Mitglied der LINKEN), Harald Gimborn (sachkundiger Bürger im Planungsausschuss) und Udo Seibert (DIE LINKE).
  • hochgeladen von Kathrin Hinterschwepfinger

Es ist momentan das am meisten diskutierte Thema in den Medien: Die aktuelle Flüchtlingssituation. Deutschlandweit kommen immer mehr Menschen in Städte, Gemeinden und Dörfer und noch ist es nicht absehbar, wann der Strom nachlässt beziehungsweise wann er versiegt. Vor allem wenn es dann um die Unterbringung geht, werden die jeweiligen Orte vor große Herausforderungen gestellt und der neue Nachbar ist nicht jedem ein willkommener Gast. Auch die Stadt Essen muss mit der momentanen Situation umgehen und die Bürgerinnen und Bürger auf dem Laufenden zu halten sowie sie zu den kommenden Schritten informieren. Heiß thematisiert werden zur Zeit die Zeltdörfer.
Der Oberbürgermeister der Stadt Essen, Thomas Kufen (CDU), ließ verlauten, dass die nächste Aufgabe der Stadt sein muss die mehr als 2.000 Mensch, die gerade in Zelten untergebracht sind, in feste Einrichtungen zu verlegen.
„Anders als bei der ersten Verwaltungsvorlage zu den Flächenvorschlägen für die Errichtung von festen Unterkünften für Flüchtlinge erfolgte bei dieser wichtigen Frage endlich eine Beteiligung aller Bezirksvertretungen“, so Heike Kretschmer, Fraktionsvorsitzende der LINKEN in der BV III. „Da dies aber nicht nur eine Entscheidung der Politik 'hinter verschlossenen Türen' sein kann, regten wir in der vergangenen Bezirksvertretungssitzung die Durchführung einer Bürgerinformationsveranstaltung an.“
Weil dieser Vorschlag aber nicht aufgegriffen wurde und der Linksfraktion die kurzfristig einberufene Sondersitzung am 11. Februar um 17 Uhr im Evangelischen Gemeindezentrum in der Ohmstraße 9 nicht ausreichte, haben sie zusätzlich zu einer Bürgersprechstunde eingeladen.
„Hierbei ging es uns um einen sachlichen Meinungsaustausch“, meinte Udo Seibert, Mitglied der LINKEN. „Angedacht war mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern über unsere Position zur Frage der Unterbringung sowie der Integration von geflüchteten Menschen im Essener Westen ins Gespräch zu kommen. Dir Haarzopfer Bürgerinitiative etwa hat sich massiv beschwert, dass ihnen kein Gehör geschenkt wurde. Das wollen wir im Westen vermeiden.“
Laut den offiziellen Zahlen der Stadtverwaltung ist eine Verteilung wie folgt vorgesehen: Im Norden sollen 3928 Personen untergebracht werden, im Osten sollen es 985 Personen sein, im Süden 4298 und in der Stadtmitte 1558. Der Westen wird 2897 Menschen aufnehmen. Diese Zahlen mögen vielleicht hoch erscheinen, vergleicht man aber die derzeitige Einwohnerzahl (ca. 100.000 im Westen) mit der Zahl der Flüchtlinge, die untergebracht werden sollen, relativiert sich das Ganze wieder. Zudem ist veranschlagt, dass die Aufnahme von geflüchteten Personen im Februar ausgesetzt wird, was aufgrund von 30-40 neuen Personen täglich, nötig wurde. Allgemein erfolgt in Deutschland die Verteilung von Flüchtlingen nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“: Anhand der Einwohnerzahl und der Wirtschaftskraft der jeweiligen Region wird eine Zuweisung vorgenommen.
„Es muss ganz klar gesagt werden, dass die Bundesregierung falsche Angaben zur Anzahl der Personen gemacht hat“, so Seibert. „Die Probleme sind nicht nur hausgemacht. Städte ächzen teilweise unter Schuldenlasten und daher sollte es eigentlich staatliche Aufgabe sein die Leute zu versorgen. Zudem haben die Städte viele Solls noch nicht erfüllen können, schon bevor die Flüchtlinge zu uns kamen.“
Die nächste Frage, die sich stellt ist nun wie die Leute untergebracht werden. Die schlechteste Lösung für beide Seiten ist die Unterbringung in den Zelten: Für die Stadt ist das die teuerste Methode und für die Menschen die schlechteste, aufgrund von Kälte, fehlender Privatsphäre oder mangelnder Hygiene. Daher musste es sich die Stadt zur Aufgabe machen geeignete Flächen auszusuchen, um die Menschen so schnell wie möglich in festen und stabilen Einrichtungen unterzubringen. „Es reicht nicht den Leuten einfach ein Dach über dem Kopf zu bieten“, erklärt Seibert weiter. „Die Einrichtungen müssen bestimmte Kriterien erfüllen, wie Einkaufsmöglichkeiten und Infrastruktur. Bürogebäude kommen da wegen den hohen Umbaukosten oder Gewerbegebiete wegen der abgelegenen Lage oft nicht in Frage. Zudem sind auch viele Kinder und Jugendliche geflüchtet, die nun in Schulen eingegliedert werden müssen.“ Jetzt rächt es sich, dass in der vergangenen Zeit Schulgebäude geschlossen wurden und nun Plätze knapp werden könnten. Die Stadt hat vor allem Flächen im Auge, die eine Kapazität bei festen Einrichtungen für mehr als 200 Personen aufweisen. Dabei werden dann aber kleinere Flächen, die sich vielleicht noch besser eignen würden, weil hier die Integration aus Gründen der Akzeptanz der Anwohner höher wäre, aus dem Rennen genommen. Dafür müssen aber alle Parteien an einem Strang ziehen und gewillt sein, die Fläche oder die Immobilie zur Verfügung zu stellen. Ein heißer Kandidat war etwa eine Fläche im Westviertel. An der Frohnhauser Straße/Berthold-Beitz-Boulevard würde eine Fläche von insgesamt 37.000 m² zur Verfügung stehen, die oben genannte Kriterien abdecken würde. Der Eigentümer ist allerdings Thyssen Krupp und diese wollen die Fläche nicht freigeben.
„Wie sich die Situation dann langfristig auf die Mietsituation auswirkt, bleibt abzuwarten. Die Stadt hat es im Vorfeld versäumt genügend Sozialwohnungen zu bauen und die Menschen können nur dahin ziehen, wo sie es sich leisten können.“, so Seibert. Und weiter: „Wenn sich dann Leute darüber aufregen, dass so viele Flüchtlinge kommen, muss man sagen, dass vor allem Deutschland seit Urzeiten ein Einwanderungsland ist. Wir sind alle keine Ureinwohner von Deutschland und es ist Unsinn sich darüber aufzuregen, dass plötzlich so viele Ausländer hierher kommen.“
Ratsam wäre es so zu machen wie bei einem neuen Nachbarn im Haus: Zuerst kennen lernen und dann urteilen.

Interessierte Bürgerinnen und Bürger konnten mit ihren Fragen in die von den LINKEN angesetze Bürgersprechstunde kommen: (v.li.) Ute Jonetat (Besucherin der Bürgersprechstunde), Alexander Gerbig (Mitglied der LINKEN), Harald Gimborn (sachkundiger Bürger im Planungsausschuss) und Udo Seibert (DIE LINKE).
Waren sehr an einem Dialog mit den Bürgern interessiert: Harald Gimborn und Udo Seibert (v.li.)
Autor:

Kathrin Hinterschwepfinger aus Essen-West

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