Greifvogelführung: Im Auge des Jägers

Uhu Uwe: Die bernsteingelben Augen verraten den Nachtjäger. Fotos: Pieper
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Ein flüchtiger Schatten am Himmel, eine wachsame Gestalt auf einem Baum: Meist bekommt man sie nur von weitem zu sehen, die stolzen Greifvögel unserer Region. Umso größer war die Neugier, als auf Einladung des Nabu Haltern gleich vier der schönen Raubtiere zu Besuch waren - und das sprichwörtlich zum Anfassen nah.

Diese Augen! Wie goldgelbe Bernsteine ziehen die großen Lichter des Uhus den Blick der umstehenden Menschen magisch an. Es passiert schließlich nicht alle Tage, dass man der größten europäischen Eule so nah kommen kann. Für Uta Wittekind und Rainer Erdinger hingegen ist es Alltag. Die beiden Experten aus Wülfrath haben eine lange Ausbildung auf sich genommen und viel Zeit und Geld investiert, um Greifvögel halten zu dürfen. Nun setzen sie ihr Wissen und die Tiere ein, um anderen Menschen die faszinierenden Beutegreifer näher zu bringen.

Und das im wahrsten Sinne des Wortes: "Wer möchte Uwe mal auf den Arm nehmen?" fragt Uta Wittekind in die bunte Runde aus rund 40 Erwachsenen und Kindern, die an diesem Samstag auf den Annaberg gekommen sind. Die Kinder wirken am Anfang noch ein wenig scheu, aber als die ersten Finger in die Höhe schnellen, finden sich gleich eine ganze Reihe Freiwilliger. Uwe, der angesprochene Uhu, ist diesen neugierigen Trubel gewöhnt. "Er ist da völlig entspannt", lobt Rainer Erdinger den vierjährigen Terzel, wie der Fachmann zu einem Männchen sagt. Und tatsächlich ist das mächtige Tier zwar ein Alptraum für jede Maus, aber ein völlig gutmütiger Geselle gegenüber dem Kind, das nun in den dicken Lederhandschuh unter seinen Krallen schlüpft. "Huhu", ruft Uwe fröhlich in die Runde - da ist die Frage nach der Namensgebung auch direkt beantwortet.

Neben dem gutmütigen Uwe wirkt Wüstenbussard Merlin wie ein Rennpferd neben einem Kaltblut. Schlank und agil, mit ständig umherwanderndem Blick, strahlt der aus den nordamerikanischen Wüsten stammende Vogel eine stille Kraft aus. Für Falkner ist der auch "Harris Hawk" genannte Bussard ein beliebtes Einsteigertier: "Wüstenbussarde leben und jagen im Gegensatz zu anderen Greifvögeln in Gruppen. Sie sind sehr soziale und intelligente Tiere und binden sich daher auch schnell an den Menschen", erklärt Wittekind. Daher ist es für Merlin auch kein Problem, von anderen Händen getragen zu werden. "Nur die Hand nicht zu niedrig halten, sonst versucht er euch gerne mal auf den Kopf zu klettern", rät die Expertin ihren jungen Besuchern. Die Kinder geben Acht, und man merkt ihre Faszination für die schönen Tiere deutlich.

Leuchtender Mäuseurin

Die Präsentation der beiden Federtiere verbinden Uta Wittekind und Rainer Erdinger mit einem pädagogischen Waldspaziergang. Bei der kleinen Runde rund um den Annaberg wanderte die Gruppe nämlich mitten durch den Lebensraum der heimischen Greifvögel. "Schau mal, da oben", ruft ein Kind aus, und alle Blicke wandern zum Himmel, wo gerade zwei Mäusebussarde ihre Runden drehen. Merlin hat die beiden Flieger natürlich längst vor seinen menschlichen Begleitern entdeckt, kein Wunder bei einem sieben Mal schärferen Sichtvermögen. "Das können wir gut mit einer Münze demonstrieren", verrät Wittekind und schickt zwei Kinder mit einem Euro einen Weg entlang. Alle zehn Meter halten die Mädchen das Geldstück nach oben, bis sie auch für den letzte Wanderer zu weit entfernt ist. "Das sind rund vierzig Meter - aber Merlin kann das Geldstück noch aus fast 300 Metern Entfernung sehen", erklärt die Falknerin. Staunen bei den Kindern. Und dass für Greifvogelaugen Mäuseurin auch aus großer Höhe leuchtet, grenzt auch für die Erwachsenen fast an Zauberei.

So wird bei dem Spaziergang an diesem frischen Februarsamstag klar, was für hochspezialisierte Raubtiere die Natur mit den Greifvögeln hervorgebracht hat. Uhus wie Uwe, die nachts völlig lautlos jagen und ihre Beute auch unter Schnee und Laub finden können, oder Bussarde wie Merlin, die Schlangen erlegen und auf Kakteen landen können, ohne sich weh zu tun. Die großen und kleinen Gäste sind begeistert und saugen das Wissen auf wie ein Schwamm. Kein Wunder, dass sich die Führungen großer Beliebtheit erfreuen. "Wir hatten noch heute morgen so viele Anrufe, dass wir die Gruppe irgendwann schließen mussten", lacht Christian Lynen vom Nabu Haltern. Bereits zum vierten Mal sind Merlin und Uwe auf Einladung der Naturfreunde zu Besuch.

Eine besondere Überraschung gibt es am Ende der Tour: Aus einem Transportkäfig zaubern Uta Wittekind und Rainer Erdinger zwei kleine Eulen hervor, die trotz ihrer Amselgröße schon voll ausgewachsen sind. "Das sind unsere Afrikanischen Weißgesichtseulen", stellt Erdinger die beiden Tierchen vor, "auch als Transformereulen bekannt." Warum die beiden Vögel den gestaltwandelnden Figuren aus der Popkultur ähneln, stellen sie auch gleich unter Beweis. Das Männchen, nach einem Unfall mit einer Gitarre Elvis getauft, macht sich so lang und schlank, dass es einem Ast ähnelte. Miss Cilly hingegen, das weibliche Gegenstück, verwandelt sich beim Anblick von Uhu Uwe in einen großen runden Federball und öffnet drohend den Schnabel. "So versuchen die Eulen, Fressfeinde abzuschrecken", erläutert Rainer Erdinger. Die Kinder hingegen können Elvis und Miss Cilly nicht abschrecken. Begeistert lassen sie die kleinen Vögel abwechselnd auf ihren Händen sitzen.

Mit Elvis und Miss Cilly endet ein lehrreicher und spannender Nachmittag auf dem Annaberg. Wer es verpasst hat, muss nicht traurig sein: Es wird sicherlich nicht der letzte Besuch von Uwe, Merlin und Co. in Haltern gewesen sein.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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