Jugendgerichtshilfe
Sie arbeitete aus Berufung für die Jugend / (08)

Mit der Wende hatten die „neuen Bundesländer“ ein neues Jugendhilfegesetz, welches sie einerseits sehr herausforderte aber andererseits aufgrund langjähriger Berufserfahrung auch wieder leicht umzusetzen war.
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Wie die Post vom Gericht zum Jugendlichen kam:
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Das Vertrauen zwischen Jugendgerichtshelfer und straffälligen Jugendlichen basiert auf einer unterschiedlich langen Zeit, in der gegenseitig Erfahrungen gesammelt werden, wie der jeweils Andere mit gegebenen Informationen umgeht.

Wenn ein straffälliger Jugendlicher eine feste Anschreibadresse hat – vielleicht noch bei den Eltern sein Zuhause hat – ist es einfach, ihm eine Post zukommen zu lassen, mit der man ihn zu einer Verhandlung einlädt.
Was aber, wenn da kein Zuhause mehr ist, wenn man nicht weiß, wo er nächtigt? Wie kann dann das Gericht ihm eine Nachricht zukommen lassen?

Sie wurde mehrfach angesprochen, ob sie nicht wüsste, wo der Straffällige wohnt und man ihn erreichen kann. Oft musste sie das Erste verneinen, konnte aber zusichern, dass die Gerichtspost ihn erreichen würde, wenn man diese ihr mitgeben würde.
Erstaunen und gewisse Ungläubigkeit waren allzu oft die Reaktion. Dennoch wurde das Angebot genutzt, erhielt sie die Post.

Mit dem Gerichtsbrief unterwegs, versuchte sie wesentliche Jugendliche im Milieu zu erreichen, mit ihnen zu sprechen, die Notwendigkeit erläutern, weshalb der Brief den Adressaten unbedingt erreichen müsse und dieser schließlich zur Verhandlung erscheinen solle. Und stets sprach sie zu offenen Ohren, unterstützte man sie und versprach, dass der Adressat das Schreiben erhalten würde. Ja, auch das war ein wesentlicher Bestandteil des gegenseitigen Vertrauens und der Erfahrung, dass sie diese Bitte um Weitergabe nicht machen würde, wenn es nicht wahrlich notwendig/sinnvoll wäre.

Wenn die Jugendrichterin das eine oder andere Mal fragte, wie denn die Post den straffälligen Jugendlichen erreichen konnte, lächelte sie nur zurück – und die Richterin fragte nicht nach, war ja froh, dass alles geklappt hatte.

Nun kann ich mich daran erinnern, dass ein angeklagter Jugendlicher in einer Verhandlung äußerte, einen festen Wohnsitz bei seiner Verlobten zu haben, was diese auch auf Frage der Richterin bestätigte. In einer anderen Verhandlung gab ein anderer Jugendlicher die gleiche Aussage, wobei seine „Verlobte“ die gleiche der vorher erlebten Verhandlung war und dies wieder bestätigte.
Die Richterin gab sich damit zufrieden, wenngleich dies zu Recht angezweifelt werden musste. Doch klappte ja die Postzusendung, wie oben geschildert, und war ja der alleinige Grund der richterlichen Frage.

Auf meine Frage, wie denn das gleiche Mädel kurz nacheinander die „Verlobte“ des Einen und dann Anderen sein könne, sagte sie mir schmunzelnd, dass es günstig sei, wenn ein Jugendlicher eine feste Bleibe angeben könne. Darauf ließen sich eben Mädels aus dem Milieu ein und waren dem Wort nach je nach Bedarf mal des Einen oder Anderen „Verlobte“. Klappte doch und verpflichtete zu nix.

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Alle Beiträge zu dieser Jugendgerichtshelferin sind zu erreichen über
           Jugendgerichtshelferin aus Berufung

Autor:

Uwe Zerbst (Gotha/Thüringen) aus Alpen

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