"BERGAUF BERGAB": Bergbau in den Ostalpen

Ausgrabungen in einem circa 4 000 Jahre alten Erzaufbereitungsbetrieb im Mitterberger Gebiet. | Foto: Bergbaumuseum
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  • Ausgrabungen in einem circa 4 000 Jahre alten Erzaufbereitungsbetrieb im Mitterberger Gebiet.
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Wer heute an Traditionen in den Alpen und ihre Kultur denkt, der hat schnell das Bild der Sennerin oder des Alp-Öhi vor Augen. Viehzüchter und Bauern seien die Menschen der Alpen stets gewesen, so die häufige Vorstellung. Eine Sonderausstellung im Deutschen Bergbaumuseum Bochum (DBM) zeigt eine gänzlich andere Geschichte.

Millionen Urlauber zieht es jedes Jahr in die Alpen. Sie fahren Skipisten hinunter oder erklimmen Gipfel. Was vielen Touristen, aber auch Einheimischen häufig nicht bewusst ist: Sie bewegen sich auf 10 000 Jahren Bergbaugeschichte, die mit den Jägern der letzten Eiszeit ihren Anfang nahm. Später folgten die Kelten, die Römer und die Fugger. Sie alle kamen mit dem Verlangen nach Rohstoffen wie Feuerstein, Kupfer, Salz oder Gold.
Die Geschichte der Alpen als uralte Bergbauregion wird selten erzählt. Das Deutsche Bergbaumuseum Bochum widmet ihr die Sonderausstellung „BERGAUF BERGAB – 10 000 Jahre Bergbau in den Ostalpen“.
Entstanden ist die Ausstellung in Kooperation mit dem vorarlberg museum in Bregenz. Teil der Ausstellung sind aufwendige Aufnahmen von unter und über Tage. Sie entstanden während der jahrelangen und noch andauernden Forschungen und Ausgrabungen der Ausstellungsmacher.
Eine Besonderheit des Deutschen Bergbau-Museums und großer Vorteil bei der Entwicklung von Präsentationen dieser Größe ist die Vielzahl an Fachleuten, die hier zusammenarbeiten. Von den Forschungen über die Idee bis zum Design und Bau entstand auch diese Ausstellung unter dem Dach des Museums.
Ganz ohne Unterstützung von Externen konnte die Schau jedoch nicht realisiert werden. Hinter den etwa 650 gezeigten Exponaten stehen neben dem DBM auch 25 Leihgeber.

Rohstoffe, Transfer, Kultur

Die Anfänge des Bergbaus in den Alpen waren beschwerlich. Die ersten Menschen kamen vor mehr als 10 000 Jahren. Als die Gletscher schmolzen, zogen sie als Jäger und Sammler in die eisfreien Alpentäler. Hier entdeckten sie wertvolles Gestein, insbesondere den „Stahl der Steinzeit“: Feuer- und Hornsteine.
Zu den ältesten Objekten, die die Ausstellung zeigt, gehören auch Bergkristalle, die schon damals in der Steinzeit die Aufmerksamkeit der Menschen weckten. Dabei sammelten sie sie nicht allein, um Schmuck aus ihnen herzustellen – sie fertigten etwa auch Beile aus dem glänzenden Mineral.
Vor etwa 7 000 bis 8 000 Jahren sollte der Bergbau für die folgenden Jahrtausende eine treibende Kraft für die Besiedlung der Alpen werden. Drei Aspekte stellt die Ausstellung besonders heraus: Rohstoffe, Transfer und Kultur.

Bronzezeitliche Großbergwerke

Es gibt zahlreiche Rohstoffe in den Alpen. Eine besondere Bedeutung hatte in der Bronzezeit das Kupfer, der Hauptbestandteil der Bronze. Im Mitterberger Gebiet im Salzburger Land erlebte der Bergbau auf Kupfer vor etwa 4 000 Jahren einen regelrechten Boom. Es entstanden Großbergwerke und in ihrer Nähe große Betriebe zur Aufbereitung der Erze. Einen Teil des Metalls nutzten die Menschen in den Alpen selbst, den anderen verhandelten sie. Durch den Transfer wurden die Alpen zum Kommunikationsraum für ganz Europa. Überall auf dem Kontinent entdecken Archäologinnen und Archäologen Bronze aus jener Zeit, in der alpines Kupfer steckt.

Mit den Archäologen durch Zeit und Raum

Im Mitterberger Gebiet waren die Archäologen des DBM besonders aktiv und ließen ihre Arbeit von einem Foto- und Filmteam begleiten. Davon profitiert die Ausstellung, in der sich die Aufnahmen an verschiedenen Stellen wiederfinden. Installationen, spitzzulaufend wie Berggipfel, zeigen großformatig die Landschaft der Alpen und Aufnahmen von Grabungen in bis zu 200 Metern Tiefe in den Bergen. In der Mitte des Ausstellungsraums befindet sich ein großer Aufbau, in den die Besucher hineingehen, nach unter Tage. Sie hören Bergleute, die über alltägliche Probleme sprechen. Wie haben die Bergleute unter Tage gelebt? Wie haben sie sich versorgt mit Nahrung, Luft und Wasser? Wie hat es dort gerochen? Wie haben sich die Menschen tief im Berg gefühlt?
Doch waren nicht nur Männer den schwierigen Verhältnissen in den Bergwerken ausgesetzt. Bei Dürrnberg wurde in einem Salzbergwerk ein auffällig kleiner Schuh gefunden, der nur einem Kind gehört haben kann. Brachten Kinder unter Tage Werkzeuge zu den Arbeitsplätzen oder hielten sie Leuchtspäne und sorgten so für Licht?
Aber auch Tiere fanden sich in Bergwerken. Aus einem Silberbergwerk aus Oberzeiring stammt das Skelett eines Hundes aus dem Mittelalter. 1361 starben bei einem Wassereinbruch mehr als tausend Bergleute, womöglich war auch der Grubenhund ein Opfer dieser Katastrophe. Aber wieso waren Hunde unter Tage? Zogen sie in einem Geschirr wie Schlittenhunde Erze oder Abraum aus den Bergwerken?
Kristalle, Erze, Kupferbarren oder Werkzeuge aus dem historischen Bergbau finden sich zwischen riesigen Panoramen aus den Bergen und den Bildern von den archäologischen Grabungen unter Tage. So führt die Ausstellung die Besucher durch Raum und Zeit. Sie „begleiten“ die Archäologen zu ihren Grabungen in die Alpen und gewinnen über die Exponate unmittelbar einen Einblick in das Leben und die Kultur der Menschen der Bronzezeit oder des Mittelalters.

Auf und Ab einer Bergbauregion

Im Mittelalter hatte der Kupferbergbau in den Alpen seine Bedeutung längst verloren. Andere Rohstoffe und andere Regionen der Alpen erlebten ihre Blüte. Bereits um die Zeitenwende interessierten sich die Römer für alpines Gold und Eisen. Im Mittelalter bauten die Fürsten Silber ab und prägten damit ihre Münzen. Die Fugger waren im 15. und 16. Jahrhundert an Tiroler Bergwerken beteiligt und mehrten so Macht und Reichtum.
In dieser Zeit erlebte der alpine Bergbau noch einmal eine Hochkonjunktur. Durch Silbervorkommen erhielt Schwaz, heute eine kleine Tiroler Gemeinde von etwas mehr als 10 000 Einwohnern, enorme Bedeutung für ganz Europa. 1515 war Schwaz nach Wien die zweitgrößte Stadt im habsburgischen Erbland. Großfinanziers stiegen in den alpinen Bergbau ein, wie etwa die Augsburger Händlerdynastie Fugger in Tirol. Alpine Metalle wurden in dieser Zeit bis nach Afrika und Indien verkauft.
Im späten Mittelalter bedeutete das für die Alpen Wohlstand, der sich auch in der Kultur niederschlug. Die Spuren dieses Reichtums finden sich noch heute an vielen Orten. Das Goldene Dachl in Innsbruck stammt aus jener Zeit, aber auch das Vortragekreuz aus der Bergbaukirche Bartholomäberg. Es zeigt, zu welchem Reichtum es auch kleine Gemeinden zu jener Zeit in den Alpen brachten. Motive aus dem Bergbau im Spätmittelalter finden sich auf Münzen, Häusern und Kirchen, wie Schlägel und Eisen auf der Tür des Rathauses in Schwaz. Diese Identifikation mit dem Bergbau ist jedoch nichts Neues in den Alpen. So bestatteten z. B. die steinzeitlichen Bergleute ihre Toten in stillgelegten Schächten.

10 000 Jahre bewegte Bergbaugeschichte

Im 19. Jahrhundert setzte wiederum ein Niedergang des alpinen Bergbaus ein, der bis in die Gegenwart anhält. Heute fördern moderne Unternehmen nur spezielle Produkte wie Scheelit, ein Wolframerz, das sich etwa in Glühbirnen wiederfindet.
Im Alltag der Menschen spielt der Bergbau in den Alpen kaum mehr eine Rolle. Dennoch prägten Rohstoffe die Alpen über 10 000 Jahre und machen sie zu einer Bergbauregion mit eigener Identität und Tradition.
Durch Inszenierungen, mehrere hundert Exponate, großformatige Bilder und Videos auf einer sechs Meter breiten Leinwand tauchen die Besucher in die bewegte Bergbaugeschichte der Alpen ein.
Weitere Informationen zu Öffnungszeiten und Führungen gibt es hier

Drei Fragen an …
Prof. Dr. Thomas Stöllner, Forschungsleiter des Deutschen Bergbaumuseums

Nach fünf Jahren ist es geschafft: Die neue Sonderausstellung „BERGAUF BERGAB“ zeigt ab sofort einen Teil der Alpen, der vielen Menschen lange nicht bewusst war. Die Geschichte als uralte Bergbauregion wird in zahlreichen Facetten beleuchtet.

1.Welche Aspekte werden in der Ausstellung besonders beleuchtet?
Was die Alpen waren und sind, wird meistens von außen betrachtet. Mit dem Blick in die Bergbauwelt und die Betrachtung der Alpen als Rohstofflieferant zeigen wir das Verhältnis zwischen Menschen und Naturraum.

2. Worauf dürfen sich die Besucher der Ausstellung besonders freuen?
Wir haben Anschauungsobjekte wie beispielsweise einen Kammhelm, der nur von Menschen in den Alpen getragen wurde. Hinter diesem und vielen weiteren Exponaten stecken große Geschichten, die in der Ausstellung verständlich und spannend gezeigt werden. Hinzu kommen Foto- und Filmaufnahmen, die die Geschichte des Bergbaus in den Alpen zeigen.

3. Für die Ausstellung haben Sie eng mit dem vorarlberg museum Bregenz zusammengearbeitet. Gibt es weitere Kooperationen?
Nachdem die Ausstellung bei uns bis zum 24. April zu sehen ist, wird sie ab Sommer 2016 im vorarlberg museum präsentiert.

Drei Fragen an …
Prof. Dr. Stefan Brüggerhoff, Direktor des Deutschen Bergbaumuseums

Mit der Sonderausstellung „BERGAUF BERGAB“ ist ein neuer Schritt Richtung moderne Präsentation von For-
schungarbeiten getan. Genau dahin möchte das Deutsche Bergbaumuseum auch mit seiner Dauerausstellung gelangen. So sind für die Zukunft einige Umbaumaßnahmen geplant.

1.Mit der Inszenierung der neuen Dauerausstellung ist es gelungen wissenschaftliche Erkenntnisse mittels moderner Technik, individueller Raumgestaltung und gekonnt eingesetztem Fachwissen zeitgemäß zu transportieren. Welche Neuerungen dürfen Besucher künftig noch erwarten?
2016 wird für uns das Planjahr schlechthin. In Bezug auf unsere Dauerausstellung bedeutet das, dass große Sanierungs- und Erneuerungsarbeiten anstehen. Für die Realisierung müssen wir für einen gewissen Zeiraum schließen.

2.Wie lang soll die Umbauphase in etwa dauern?
Die Schließung ist für den Herbst / Winter 2016 ge-plant. Die Wiedereröffnung soll voraussichtlich zwischen September und Oktober 2018 stattfinden. Mit der Überarbeitung wollen wir einen neuen Blick auf die Geschichte des Berbaus ermöglichen.

3.Können Besucher das Deutsche Bergbaumuseum während der Sanierung trotzdem besuchen?
Auf jeden Fall. Das Anschauungsbergwerk, der Förderturm und der der moderne Anbau des Museums, auch als der „Schwarzer Diamant“ bekannt, bleiben geöffnet.

Autor:

Lauke Baston aus Wattenscheid

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