Kampf um Respekt und Anerkennung: Die Beratungsstelle Madonna feierte 25-jähriges Bestehen

Astrid Gabb, Leiterin der Beratungsstelle Madonna, vor einem Regal mit Kunstwerken, die einige Klientinnen geschaffen haben.
  • Astrid Gabb, Leiterin der Beratungsstelle Madonna, vor einem Regal mit Kunstwerken, die einige Klientinnen geschaffen haben.
  • hochgeladen von Vera Demuth

Mit dem Ziel, Prostituierten zu mehr Menschenwürde, Respekt und Anerkennung zu verhelfen, wurde 1991 der Verein Madonna gegründet und im Jahr darauf die Beratungsstelle eröffnet. 25 Jahre später sind die Anliegen der Einrichtung, die seit 2010 ihren Sitz an der Alleestraße 50 hat, die gleichen geblieben.

Dazu gehört auch, dass statt dem Begriff Prostituierte der Begriff der Sexarbeiterin verwendet wird, um zu verdeutlichen, dass es sich bei der Prostitution um das Ausüben eines Berufs handelt. „Wenn Geld fließt, ist es Arbeit“, erläutert Leiterin Astrid Gabb, die seit 2001 in der Beratungsstelle arbeitet.
„In den 70er und 80er Jahren gab es eine relativ starke Hurenbewegung, aus der Selbsthilfeeinrichtungen und Beratungsstellen entstanden“, weiß Gabb. Auch in Bochum taten sich einige Frauen, die selbst angeschafft haben, sowie Menschen, die eine Nähe zur Prostitution hatten, zusammen, um den Verein und die Beratungsstelle an der Gußstahlstraße zu gründen, um sich selbst innerhalb des Bordellviertels und auch gegenüber den Behörden zu stärken.
Etwa 200 Frauen arbeiteten 1992 auf dem sogenannten Eierberg in den 20 Häusern entlang der Straße Im Winkel. Heute sind es rund 250 Frauen. „Da sind FKK- und Saunaclubs, SM-Studios und Privatwohnungen nicht mitgerechnet“, erläutert Gabb. „Und einen richtigen Straßenstrich hat es in Bochum nie gegeben.“

Trennung und Kindererziehung

Das Angebot der Beratungsstelle Madonna, die vom Land NRW und zu einem kleinen Teil von der Stadt finanziert wird, reicht in alle Bereiche des Lebens hinein. Die sieben Teilzeit-Mitarbeiterinnen, die Sozialpädagoginnen oder -wissenschaftlerinnen sind, unterstützen die Klientinnen beispielsweise bei Fragen rund um Trennung, Scheidung, Kindererziehung und Schulwechsel der Kinder. „Was soll ich der Schule sagen? Meinen Beruf möchte ich nicht nennen“, schildert Astrid Gabb ein mögliches Problem, denn wie sie betont, haben viele der Sexarbeiterinnen Kinder und Männer. „Das ist wie bei der Restbevölkerung auch.“
Auch alle Altersstufen von 18 bis 80 Jahren seien vertreten. „Das Gros liegt bei etwa 20 bis 30 Jahren, aber es gibt auch relativ viele Frauen, die auf die 50 zugehen. Die Kinder sind aus dem Haus, sie lässt sich gerade scheiden und kann nicht mehr in ihren Job zurück“, beschreibt Gabb die Situation, in der sich manche Frauen für die Prostitution entscheiden.
Die Frauen an der Straße Im Winkel böten alle eine freiwillige Dienstleistung an, wenn auch vielleicht aus ökonomischer Not, so Astrid Gabb. „Wenn es aber unter Zwang geschieht, ist es eine Straftat, und dann würden wir etwas dagegen tun.“

Behördengänge und Schuldenberatung

Die Beraterinnen von Madonna begleiten die Klientinnen auch bei Behördengängen, bieten eine Schuldenberatung an, und wenn eine Sexarbeiterin aussteigen möchte, zeigen sie ihr berufliche Perspektiven auf. „In den letzten Jahren sind auch viele migrationsspezifische Probleme hinzugekommen“, so Gabb. Durch die EU-Osterweiterung 2007 seien mehr ausländische Frauen gekommen, und Madonna hilft ihnen beim Kontakt mit dem Ausländeramt.
Die Gesundheit ist ebenfalls ein Thema – HIV allerdings gar nicht. „Wenn es einen Beruf gibt, wo man sich auskennt, wie man sich schützt, dann den der Sexarbeiterin“, klärt Gabb über ein gängiges Missverständnis auf. Dagegen würde durchaus eine schlechte Matratze, die zu Rückenprobleme führe, zu einem Fall für ein Beratungsgespräch.
Auch berate man Migrantinnen, die Doppel- und Dreifachschichten machen, weil sie nicht nur ihre Familie in Bochum, sondern auch die im Heimatland finanziell unterstützen. „Oft weiß die Familie in der Heimat nichts von der Tätigkeit, was psychische Probleme auslösen kann“, erklärt Gabb.
Daneben hätten Sexarbeiterinnen die Problematik, überhaupt in eine Krankenkasse zu kommen, und seien daher nicht versichert. Früher sei eine Versicherung gar nicht möglich gewesen. „Da haben manche dann Putzfrau angegeben, aber wenn sie dann zum Beispiel im Bordell die Treppe hinuntergestürzt sind, hieß es von der Kasse, dass sie ja falsche Angaben gemacht hätten.“ Heute würden Sexarbeiterinnen zwar von den Krankenkassen akzeptiert, aber die Beiträge seien extrem hoch, so Gabb.

Mitarbeiterinnen stellen sich vor

Um über all ihre Angebote zu informieren und vor allem die ausländischen Sexarbeiterinnen darüber aufzuklären, dass die Beratungsstelle keine Behörde sei, „gehen wir zweimal die Woche durch die Häuser und stellen uns vor. Wenn die ausländischen Frauen hören, dass wie keine Namen und keinen Personalausweis verlangen, senkt das die Hürde, zu uns zu kommen“, erklärt die Sozialwissenschaftlerin.
Die Bandbreite von Madonna reicht von der telefonischen Beratung über den E-Mail-Kontakt und die Kurzberatung, die zwei bis drei Termine umfasst, bis zur längerfristigen Beratung. „Wir haben 70 bis 80 Frauen in der permanenten Beratung“, erklärt Astrid Gabb. Insgesamt wenden sich mehrere Hundert Klientinnen pro Jahr an die Einrichtung, wobei darunter auch Frauen aus anderen Bundesländern sind.

Prostituiertenschutzgesetz

Als Herausforderung für die Zukunft betrachtet die Leiterin das Prostituiertenschutzgesetz, das zum 1. Juli in Kraft tritt. „Das ist ein schlechtes Gesetz. Das sagen nicht nur wir, sondern auch die Behörden.“ Das habe sogar die NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens bestätigt, als sie zur 25-Jahr-Feier zu Besuch war.
Das Gesetz sieht nämlich vor, dass sich Sexarbeiterinnen künftig beim Ordnungsamt registrieren lassen müssen. Dies soll die Frauen schützen, aber Gabb befürchtet das Gegenteil. „Die Frauen haben Angst, weil sie nicht wissen, was mit ihren Daten passiert und ob sie irgendwann auch wieder gelöscht werden.“ Daher würden die Sexarbeiterinnen sich unsichtbar machen und im Geheimen weiter arbeiten, lautet Gabbs Zukunftsprognose. „Dann kommen wir nicht mehr an sie heran. Das Gesetz fällt uns in den Rücken und erschwert unsere Beratungsarbeit.“

Autor:

Vera Demuth aus Bochum

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