Die Germanen von Ickern

Rekonstruktion des vom 1. bis 4. Jahrhundert besiedelten Gebietes im heutigen Ickern. | Foto: Stadt Castrop-Rauxel
  • Rekonstruktion des vom 1. bis 4. Jahrhundert besiedelten Gebietes im heutigen Ickern.
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Entlang der Emscher, im Norden Castrop-Rauxels, liegt Ickern. Der heute bevölkerungsreichste Ortsteil der Stadt wurde das erste Mal im Jahr 1220 urkundlich erwähnt. Seine Besiedlung beginnt allerdings viel früher.

Wer sich für die Geschichte des Altertums interessiert, beschäftigt sich oft mit bedeutenden Staatsmännern und Kriegsherren, zum Beispiel mit Pharao Ramses II., mit Alexander dem Großen oder mit Julius Cäsar.

Der – zumindest dem Namen nach – bekannteste Germane ist wohl Arminius, der die Römer im Jahre 9 n. Chr. in der Varusschlacht vernichtend geschlagen hat. Doch viel weiß man von den Germanen eigentlich nicht.

Von 2007 an wurde das Gelände des heutigen Hochwasserrückhaltebeckens Mengede-Ickern drei Jahre lang archäologisch erforscht. „Wir hatten das große Glück, eine ganz große Fläche ausgraben zu können“, erzählt Dr. Angelika Speckmann. Die Archäologin war in Ickern Ausgrabungsleiterin. „Das war eine der größten Grabungen in Westfalen in den letzten Jahren“, betont sie.

Die ältesten Funde stammen aus der Eisenzeit (bis zur Zeitenwende), die meisten aus dem 1. bis 4. Jahrhundert n. Chr., also aus der römischen Kaiserzeit. Doch wer waren die Germanen, die in Ickern siedelten? Welcher Stamm ließ sich hier nieder?

Ob nun Chamaven, Brukterer, Marser oder Sugambrer hier lebten, ist ungewiss. „Das zu beantworten, ist schwierig“, sagt Speckmann. Die Germanen haben keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen. Die wenigen Quellen stammen aus dem Römischen Reich.

Der bekannteste Autor, der über die Germanen schrieb, war Tacitus. Doch ihm und den anderen Römern ging es eher darum, dem eigenen Volk den Spiegel vorzuhalten, und weniger um wissenschaftlich fundierte Berichte über die Barbaren jenseits des Rheins. So entstand dann – ähnlich wie zu späteren Zeiten über die nordamerikanischen Indianer – das Bild des edlen Wilden, das ebenso verklärend ist wie das der blauäugigen Blonden Bestie.

„Das waren vermutlich ganz normale Bauersleute, die Handel getrieben haben“, erzählt Speckmann von den Germanen, die in Ickern gesiedelt haben. Die Archäologen haben in dem von ihnen untersuchten Gebiet Spuren vieler Häuser gefunden. Doch war dies kein großes, zusammenhängendes Dorf.

Es waren wohl immer jeweils zwei größere Wohnhäuser plus Nebengebäude, die hier standen. Sobald der Siedlungsort unfruchtbar geworden war, zogen die Bewohner weiter. Die germanischen Häuser verteilen sich auf immerhin vier Jahrhunderte.

Pollenfunde belegen, dass die Germanen Hirse, Gerste, Emmer (eine Urform des Hartweizens), Dinkel und Weizen angebaut haben. Von den Archäologen entdeckte Knochen zeigen, dass die Germanen Schweine, Rinder, Schafe und Ziegen gehalten haben. „Etwas Wild stand auch auf dem Speisezettel“, ergänzt Speckmann.

Andere Funde lassen auf einen regen Handel mit den Römern schließen. In den 1990er Jahren wurde rund um die ehemalige Zeche Erin ein ehemaliger Handelsplatz gefunden. Dazu passt, dass die Germanen, die im heutigen Ickern ansässig waren, römischen Metallschrott besaßen: kaputte Siebe, Einzelteile römischer Wagen und ähnliches.

Das Metall wurde wohl eingeschmolzen, um daraus neue Gegenstände herzustellen. Diese Form des Recyclings war pragmatisch und weniger von heutigem Umweltbewusstsein geprägt; das, was die Germanen nicht mehr brauchten, haben sie einfach in den Fluss geschmissen. Davon profitiert die Forschung. „Die meisten Funde“ erläutert Speckmann, „haben wir im damaligen Flussbett der Emscher gefunden.“

Autor:

Sascha Ruczinski aus Schwelm

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