„Musikalische Hausbesetzung“ bot in Hochfeld einen Hochgenuss klassischer Musik

Ungewöhnliche Bühne auch für den Dirigenten
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  • Ungewöhnliche Bühne auch für den Dirigenten
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„Ich wohne seit 67 Jahren hier, so etwas Schönes habe ich noch nie erlebt!“ sagt die 89 jährige „Anni“ Pfeiffer, deren Wohnzimmer an der St. Johann Straße in Hochfeld zur Presseloge für das Konzert avancierte.

Das war schon beeindruckend, als die Musiker der Duisburger Philharmoniker nach und nach mit ihren Instrumenten auf der St. Johann Straße in Hochfeld auftauchten und von Dirigent Norbert Killisch auf die Wohnungen aufgeteilt wurden, aus deren Fenstern sie eine halbe Stunde später ein Konzert geben sollten, dass es in dieser Form noch nie gegeben hat und das es sicherlich nicht noch einmal geben wird.

Auch sie sind begeistert von diesem einzigartigen Experiment. Dr. Alfred Wendel, Intendant der Duisburger Philharmoniker, ist ebenfalls begeistert, da man auf diesem Wege auch Menschen in den Genuss klassischer Musik kommen lässt, die sonst nicht in die Oper gehen.
Man hat zwar geprobt, aber der Auftritt vor Ort ist wie ein Sprung ins kalte Wasser. „Wir sehen uns nicht und da ist es nicht so einfach, richtig einzusetzen!“, so ein Musiker. Da übt eine junge Violinistin neben der Spüle, auf der noch das Geschirr vom Mittagstisch steht. Im Korridor von Wilfried Stausberg zieht sich ein Musiker den Frack für das Konzert an und im Treppenhaus werden Notenständer in die Wohnungen getragen.

Da stehen gut 500 Zuhörer auf der Straße und den Gehwegen und Bewohner der umliegenden Häuser liegen in den Fenstern und lauschen den Tönen, die von den Musikern aus den Fenstern von Haus Nummer 3 auf die Straße klingen. Ein ungewöhnliches musikalisches Spektakel im Rahmen von RUHR 2010. Es sind 15 Geigen und Bratschen, die man über die Fenster des Hauses verteilt hat und Cello und Bass haben sich vor der Haustüre postiert. Und Dirigent Norbert Killisch steht am Dirigentenpult mitten auf der Straße. Neben ihm sitzen viele Kinder und Zuschauer auf der Straße. Und die jungen Zuhörer tanzen um ihn herum in ihrem jugendlichen Eifer einen Reigen.

Das restliche Publikum so gemischt, wie man es in Hochfeld selten sieht. Der türkische Trinkhallenbesitzer schließt die Verkaufstheke und stellt sich neben die wohl erkennbaren Klassik Fans, die sich stilgerecht mit einigen Flaschen Champagner „bewaffnet“ haben. Daneben zwei Jugendliche, die man eher der Rap oder Hip Hop Szene zuordnen würde mit zwei Flachen Wasser aus dem ALDI Markt. Eine Frau, die mit ihrem Hund „Gassi“ geht bleibt stehen und lauscht der Musik, die verblüffender Weise nicht im Gewirr der Alltagsgeräusche untergeht sondern in einer wunderbaren Qualität fast schon der in einem Konzertsaal gleichkommt. Im Hintergrund fährt laut hupend eine Hochzeitsgesellschaft über die Wanheimer Straße.

Und vielfältig auch die Stücke, die geboten wurden. Zum Auftakt das wohl populärste Werk von Johann Pachelbel, der „Kanon in D-Dur“! Und gleich danach klingt „Eine Musik zum Lächeln“ von Dmitri Shostakovich als ein weiteres Highlight durch die Hochfelder St. Johann Straße. Da hört man wohl erstmalig vom Nürnberger Kompnisten Hermann Müllich, von dem 3 Miniaturen zu Gehör gebracht werden. Und das Hochfelder Publikum kommt noch in den Genuss von Werken von Georg Phillip Telemann und Carl Philipp Stamitz.

Und dann kommt der Höhepunkt des Konzertes. Die Streicher verlassen die Wohnungen und gesellen sich auf der Straße zu Cellisten und Bässen. Und es ist schon atemberaubend und es kehrt Ruhe ein, als drei Sätze aus der „Simple Symphony“ von Benjamin Britten gespielt werden. Und der wohl bekannteste Teil, das „Playful Pizzicato“, zaubert bei vielen Zuhörern ein wohlwollendes Lächeln auf die Gesichter. Schöner kann der Abschluss des Konzertes nicht sein.

Den Musikern ist der bei diesem „Straßenkonzert“ naturgegeben mit „Standing Ovations“ versehene Beifall sicher. Und Intendant Dr. Alfred Wendel lobt noch einmal den „Mut der Musiker zur Teilnahme an diesem verrückten Konzert!“

Mit Nachbarn, Musikern und Zuschauern gab es zum Abschluss in der Kneipe „Zum St. Johann“ noch einen „Absacker“, bei dem man das musikalische Experiment noch einmal Revue passieren ließ.

Autor:

Harald Molder aus Duisburg

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