"Gut' Schabbes!" – Jüdische Tradition in Anatevka

Auf der Probebühne gingen das Ensemble von Anatevka zusammen mit Judith Neuwald-Tasbach (Mitte) von der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen die Szene mit dem Schabbat-Gebet durch.   Foto: Gerd Kaemper
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  • Auf der Probebühne gingen das Ensemble von Anatevka zusammen mit Judith Neuwald-Tasbach (Mitte) von der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen die Szene mit dem Schabbat-Gebet durch. Foto: Gerd Kaemper
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Hektik auf der Probebühne 2 im Musiktheater im Revier: Ein zweiter Tisch muss her und noch weitere Stühle. Doch die Hektik gehört zur Szene im Musical Anatevka: Gleich beginnt der Schabbat und die Kerzen müssen nach jüdischer Tradition vorher angezündet werden, sonst müsste die Familie im Dunkeln essen.

Wenn die ganze Familie und die Gäste alle am Tisch sitzen, setzt Gudrun Schade als Mutter Golde zum Gebet an, gesprochen auf Hebräisch. Judith Neuwald-Tasbach von der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen achtet auf jedes Wort und jede Betonung. Erklärt nach dem Durchgang Joachim Gabriel Maaß, der schon mehrfach den Tevje verkörpert hat, dass er beim Segen das Brot in die Hand nehmen solle und etwas Salz daraufgestreut wird.
Man nimmt es schließlich genau mit der jüdischen Tradition in Tevjes Haus in der (fiktiven) kleinen Stadt Anatevka – und dementsprechend auch hier in Gelsenkirchen, wo am morgigen Sonntag das Musical im Musiktheater im Revier seine Wiederaufnahme-Premiere feiert.

Man beginnt den Schabbat fröhlich

Der Gesang ist Sandra Wissmann, die die Proben leitet, noch ein wenig zu getragen. Neuwald-Tasbach springt ihr zur Seite und betont: "Man freut sich auf den freien Tag, man lässt alles Traurige und Böse hinter sich und beginnt den Tag fröhlich."
Beginnt? Am Abend? "Die Tage beginnen bei uns immer am Vorabend", erklärt Judith Neuwald-Tasbach beinahe entschuldigend dem verblüfften Publikum aus Schauspielern, Theatermachern und anwesenden Journalisten. Allmählich wird klar, warum für das Musical auch dieses Mal wieder eine jüdische Beraterin bestellt wurde, das ist uns doch alles ganz schön fremd.

Verbindung mit der Vergangenheit

"Traditionell spricht die Frau des Hauses die Worte zur Begrüßung des Schabbat", sagt Neuwald-Tasbach. Dieses Ritual verbindet sie über Generationen hinweg mit der Vergangenheit und über räumliche Grenzen hinweg mit Frauen in der Umgebung sowie in der ganzen Welt, wenn nach und nach rund um den Globus in jüdischen Haushalten am Freitagabend beim Aufgehen des dritten Sterns dieselben Worte gesprochen werden. "Das wird heute noch ganz genauso gemacht", sagt Judith Neuwald-Tasbach.

"Auch ein armer Schneider hat das Recht auf ein bisschen Glück"

Die Geschichte um den armen Milchmann Tevje, seine Frau Golde und die Kinder im Schtetl ist in erster Linie eine Familiengeschichte und eine, in der es um Tradition und Wandel geht. Um die Verzweiflung eines Vaters, dessen Töchter ihre eigenen Ideen haben, wen sie heiraten wollen, und dann auch noch aus Liebe, wer hätte von so etwas gehört? Seine älteste Tochter Zeitel soll den reichen Metzger heiraten, doch sie ist verliebt in den armen Schneider Mottel.
"Auch ein armer Schneider hat das Recht auf ein bisschen Glück", findet Zeitel, die bereits heimlich mit selbigem verlobt ist.
Doch es spielt auch in einer sehr schwierigen Zeit im russischen Kaiserreich Anfang des 20. Jahrhunderts. Es droht die Vertreibung und ein Pogrom durch die Russen, der Verlobte seiner Zweitältesten wird verhaftet und nach Sibirien verbannt. Ein Erlass führt dann zum Zwangsverkauf sämtlicher Häuser im Schtetl. Alle Juden müssen Anatevka verlassen. Es folgt die Massenauswanderung in die USA.
Nein, es ist kein leichter Stoff, der hier verarbeitet wird. Die eigenen Traditionen auch in der Fremde bewahren, Leben zwischen Anpassung und Althergebrachtem – das hat wieder große Aktualität.

Den Humor nicht verlieren

Doch keine Sorge, es darf auch gelacht werden in diesem Musical. Schließlich zeichnet sich die Figur des Tevje gerade dadurch aus, dass er seinen Lebensmut und Humor nie verliert. Dafür ist Schauspieler Joachim Gabriel Maaß genau der Richtige.
Insgesamt ist Judith Neuwald-Tasbach sehr zufrieden: "Wenn ich das so sehe, dann fühle ich mich gleich zu Hause", sagt die Jüdin, deren Vorfahren aus Ungarn stammten, deren Familie in Gelsenkirchen aber bestens bekannt ist, "und ich freue mich praktisch schon auf den Eintopf, der gleich reingetragen wird."
Na, dann: "Gut' Schabbes!"
Die Premiere der Wiederaufnahme des Musicals "Anatevka" nach drei Jahren findet von 18 Uhr an im Musiktheater im Revier, Kennedyplatz, statt.
Weitere Aufführungen findet man auch online beim MiR

Lesen Sie dazu auch das Interview mit Gudrun Schade

Auf der Probebühne gingen das Ensemble von Anatevka zusammen mit Judith Neuwald-Tasbach (Mitte) von der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen die Szene mit dem Schabbat-Gebet durch.   Foto: Gerd Kaemper
"Das wird heute noch ganz genauso gemacht", sagt Judith Neuwald-Tasbach von der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, die die Schauspieler im MiR beriet. | Foto: Gerd Kaemper
Autor:

Annette Schröder aus Bochum

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