Das Ehrenamt zeigt was in ihm steckt

der Gelsenkirchener Flüchtlingshilfe. Beim Markt der Möglichkeiten informierten sie sich über weitere Möglichkeiten des Engagements.Foto: Gerd Kaemper
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„Die Veranstaltung heute hat mich sehr beeindruckt. Es ist gut, die geballte Kompetenz des Ehrenamtes in der Flüchtlingshilfe in Gelsenkirchen zusammenzuholen und zu präsentieren. Das sind die wahren Helden unseres Landes, die im Stillen tagtäglich dazu beitragen, dass wir in dieser schwierigen Situation klarkommen“, erklärte der NRW-Integrationsstaatssekretär Thorsten Klute bei seinem Besuch in Gelsenkirchen.

Markt der Möglichkeiten

Der „Markt der Möglichkeiten“, den die Ehrenamtsagentur Gelsenkirchen gemeinsam mit der Awo veranstaltet hatte, um Bürger, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren möchten zusammen zu bringen mit Institutionen, Organisationen, Vereinen und Inititiativen, die in der Flüchtlingshilfe aktiv sind, war ein voller Erfolg. Denn keiner der Organisatoren hatte mit diesem Zulauf von interessierten Bürgern gerechnet.

Ein zu recht stolzer Oberbürgermeister

Die passenden Worte dazu fand Oberbürgermeister Frank Baranowski, der die Veranstaltung eröffnete: „Ich freue mich sehr, dass Sie in dieser Form am heutigen Freitag ins Wochenende starten – gemeinsam und aktiv, in einem Mut machenden Miteinander von Ehrenamtlichen wie Hauptamtlichen; unter Menschen, die alle ein gemeinsames Interesse eint und zusammenbringt: der Wille und die Bereitschaft, den nach Gelsenkirchen geflohenen Frauen und Männern, Kindern und Jugendlichen zu helfen! Und ich will ehrlich sein: Ich hätte es im vergangenen Sommer nicht zwingend erwartet, dass wir Ende Februar mit so vielen Menschen zusammenkommen – immer noch.“

Von ganz jungen bis hin zu richtig alten Interessierten

Admir Bulic von der Integrationsagentur der Awo strahlte als er sagte: „Es waren sogar Kinder hier, die sich engagieren wollen. Die KiTa und Familienzentrum Auf der Hardt und der Offene Ganztag der Grundschule Wiehagen schauten hier vorbei und signalisierten Interesse. Und wenn Sie sich umsehen, dann sehen Sie, dass es beim Alter der Interessierten nach oben keine Grenze gibt. Es finden sich hier und heute Menschen ein von ganz klein bis richtig alt, die alle das gleiche Ziel haben: Helfen zu wollen.“

Das Beispiel der Studentin

Syuzanna Harutyunyan ist 28 Jahre alt, ist in Deutschland geboren und hat armenische Wurzeln. Die Studentin der Westfälischen Hochschule möchte ehrenamtlich aktiv werden. „Ich habe schon in Nürnberg in der armenischen Gemeinde ehrenamtlich gearbeitet. Als ich dann zum studieren hierher kam, wollte ich mich wieder engagieren und fand bei der Awo etwas geeignetes“, erzählt die Journalismus- und PR-Studentin.
Sie ist jetzt jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat aktiv im „cafe miteinander“, das jeweils ab 14.30 Uhr im Bildungszentrum an der Ebertstraße und hier im Raum 207 stattfindet. Mal übernimmt Syuzanna Harutyunyan die Kinderbetreuung, dann kümmert sie sich um die Öffentlichkeitsarbeit und betreut die facebook-Seite.

Un-Ruhestand im Dienst der Menschen mit fremden Wurzeln

Arbeit mit Menschen mit fremden Wurzeln ist für die Gelsenkirchenerin Brigitte Becker nichts neues: „Ich war früher schon bei der RAA (Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien) engagiert und jetzt arbeite ich ehrenamtlich bei dem bulgarischen Verein „Neu in Gelsenkirchen“ mit. Und weil man sich in der Stadt kennt, hat mich Manfred Fokkink vom Kommunalen Integrationscenter Gelsenkirchener gefragt, ob ich mich nicht in der Flüchtlingshilfe engagieren möchte?“
Das war für die gerade in den Ruhestand gewechselte ehemalige Lehrerin der Gesamtschule Berger Feld gar keine Frage: „Für die Neubürger ist es schwierig zu verstehen, dass man hier zum Beispiel Fernsehgebühren zahlt und dafür Formulare ausfüllen muss. Und genau dabei brauchen sie unsere Hilfe und ich helfe gern.“
Die Lehrerin ist sich sicher, „dass man den Menschen Brücken bauen kann, wenn man ihnen die deutsche Mentalität, wie zum Beispiel die Pünktlichkeit, nahe bringt.“ Andererseits wehrt sie sich gegen die Darstellung sogenannter No-go-Areas aufgrund eines hohen Ausländeranteils. „Es gibt viel mehr Menschen, die zu uns kommen, denen es wichtig ist, dass ihre Kinder eine gute Schul- und Berufsausbildung erhalten, als es solche gibt, die hier für Ärger sorgen“, weiß Brigitte Becker. Sie beklagt, dass es immer noch zu wenige Berühungspunkte zwischen den Alt- und Neubürgern gibt. „Das ist wie eine Parallelgesellschaft: Dort wird der Rasen mit der Nagelschere geschnitten und auf der anderen Seite kann er ruhig ein wenig verwildern.“
Genau darum findet sie Veranstaltungen wie den Markt der Möglichkeiten so wichtig, weil man hier auf Gleichgesinnte trifft und sich austauschen kann und auf unbürokratisch Dinge auf den Weg bringen kann.

Flüchtlings-Pate mit Händen und Füßen im Einsatz

Gerhard Krentzek ist als Flüchtlings-Pate aktiv. Seit Ende November kümmert er sich dabei um eine 12-köpfige Familie aus Syrien. Die Kinder sind zwischen einem und 15 Jahre alt, wobei es sich um drei angenommene Kinder handelt, während drei eigene Kinder in Syrien zurückblieben. Der Gelsenkirchener hatte sich an die Ehrenamtsagentur gewand, weil er helfen wollte und wurde an die Diakonie weitergeleitet. Hier wurde er zum Paten für die Familie, die damals noch in derWildenbruchhalle untergebracht war, auserkoren.
„Dank der Diakonie konnte die Familie zum Jahreswechsel in eine Wohnung ziehen oder um genau zu sein in zwei. Meine Aufgabe besteht darin, die Familie bei Amtsgängen zu begleiten, wie etwa zum BürgerCenter, um sich hier anzumelden. Oder auch bei Arztbesuchen. weil eines der Kinder ein halb verbranntes Gesicht hat“, schildert Gerhard Krentzek sein Engagement.
Inzwischen verfügt die Familie über ein Konto bei der Sparkasse, die Wohnung konnte mit Hilfe der Diakonie, finanziellen Mitteln der Stadt und der tatkräftigen Unterstützung des Paten eingerichtet werden. Ein Kind besucht eine Grundschule, sechs weitere eine Gesamtschule, für ein jüngeres Kind konnte die Schulanmeldung zum nächsten Schuljahr geklärt werden und die auch die Sprachvorschule in einem Familienzentrum.
Traurig stimmt den Paten nur die Tatsache, dass er kaum persönliche Bindungen mit der Familie aufbauen kann, weil diese nur arabisch spricht. Einen Übersetzer bekommt er aber nur in schwierigen Fällen an die Seite gestellt, weil diese natürlich knapp sind. Und so muss er oft mit Händen und Füßen kommunizieren, um der Familie helfen zu können. Bei der Auswahl der Ärzte hat er darum zum Beispiel auf arabisch sprechende zurück gegriffen.

Helfen wo es nötig ist - dann wenn die Zeit dazu da ist

Da hat es Beate Pfeiffer einfacher. Die in Teilzeit-Berufstätige Mutter eines 14-jährigen Sohnes engagiert sich in der Kleiderkammer des Deutschen Roten Kreuzes an der Mehringstraße. Die Ehrenamtsagentur vermittelte sie in diese Stelle, weil Beate Pfeiffer helfen wollte, aber ohne Sprachbarrieren zu den Flüchtlingen.
„Ich stelle es mir schwierig vor, englisch mit den Menschen zu sprechen, die selbst in der Sprache nicht so bewandert sind. In der Kleiderkammer sortiere ich Sachen und helfe auch damit. Außerdem kann ich mir die Zeit hier so einrichten, wie es mir gerade passt, denn ich wollte keine festen Zeiten zusagen, die ich später vielleicht nicht einhalten kann“, schildert die Bueranerin.
Ihren Sohn nimmt sie auch von Zeit zu Zeit mit, weil es ihr wichtig ist, „dass die Kinder damit aufwachsen und sich selbst ein Bild von der Situation der Flüchtlinge machen können.“

Übersetzer händeringend gesucht!

Eine Bitte äußerten die Geschäftsführerin der Ehrenamtsagentur Beate Rafalski und Admir Bulic von der Integrationsagentur der Awo: „Wir benötigen dringend Übersetzer in arabisch, farsi und anderen Sprachen der Herkunftsländer der Flüchtlinge.

Die richtige Anlaufstelle für alle freiwilligen Helfer

Und wer sich gern in der Flüchtlingshilfe engagieren möchte, kann jederzeit die Ehrenamtsagentur am Neumarkt 1 besuchen oder unter Telefon 169-3333 erreiochen.“

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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