Ein kultureller Schatz

Chird Hardering. | Foto: Zeichnung: F. Ginter
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Mundartwörterbuch von Chird Hardering in Nachlass entdeckt

Schon Goethe wusst "Jede Provinz liebt ihren Dialekt, denn er ist doch eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Atem schöpft." In diesem Bewusstsein engangieren sich auch heute noch einige Mülheimer für die Mölmsche Mundart und versuchen das sprachliche Erbe vor dem Aussterben zu bewahren.

Von Andrea Rosenthal

Besonders zu nennen sind hier die Bürgersellschaft Mausefalle und der Stammtisch "Aul Ssaan". Auf Initiative des Stammtischbruders Wilhelm von Gehlen wurde ein Mundartabend ins Leben gerufen als Teil der öffentlichen Mundartpflege. Am Donnerstag, 14. September, um 18 Uhr treffen sich allen am Mölsch Interessierten im Haus der Stadtgeschichte, Von-Graefe-Straße 37. Die Teilnahme ist kostenlos.

Bedeutender Mundartdichter

Diesmal geht es um den Mundartdichter Chird Hardering, dessen Todestag sich am 5. Mai zum 50. Mal jährte. Das war für Franz Firla und den Stammtisch "Aul Ssaan" Anlass, sich intensiver mit dem Dichter und seinem Werk auseinander zu setzen. Dabei stieß Firla auf Hannelore Hardering, eine Großnichte des selbst kinderlosen Dichters. Sie erinnerte sich an einen Karton aus dem Nachlass ihres Onkels, der in einer Ecke des Kellers verstaubte und machte sich mit Hilfe von Franz Firla an die Sichtung des Inhalts.

Chird Hardering (1892-1967) passt eigentlich nicht in die Kategorie „Heimatdichter“, mit der man Autoren mit ausgeprägter Heimatliebe gewöhnlich eher abqualifiziert. Seine Worte waren mit Bedacht gewählt, denn sein Ziel war es, Inhalt und Form zu einer originellen Einheit zu verschmelzen. Weil er gewöhnt war, in Mölmsch Platt zu denken und andererseits über ein sicheres Gespür für Lyrik verfügte, gelang es ihm sogar, das Alltagsplatt in eine lyriktaugliche Form zu steigern. Das macht ihn zum Klassiker unter den Mölmsch-Platt-Autoren.

Schatz im Keller entdeckt

Im Keller hatten Hannelore Hardering und Franz Firla einen kulturellen Schatz gefunden, denn nicht nur etliche bisher unbekannte Gedichte und Geschichten von Chird Hardering fanden sich als Manuskript in dem Karton, es gab auch etliche Tonbänder, auf die Chird Hardering persönlich seine Gedichte gesprochen hatte. Ein Teil dieses unermesslichen kulturellen Erbes werden die Stammtischmitglieder beim Mundartabend der Öffentlichkeit präsentieren. "Etwa sieben Aul Ssaaner werden Gedichte und auch Lieder vortragen", verrät Franz Firla im Vorfeld. Auch die größte Sensation aus Chird Harderings Nachlass wird den Mölmsch-Freunden zugänglich gemacht - ein 350 Seiten starkes Mundartwörterbuch, das in Kopie an die Besucher verteilt wird.

"Das ist für mich der größte Schatz", schwärmt Franz Firla, "weil es zwar schon vorher kleine Listen mölmscher Wörter gab, aber nie in diesem Umfang." Auf 350 eng mit Maschine getippten Seiten finden sich Wörterlisten mit Schreibweisen, Abstammungen, Verbformen und Anwendungsbeispielen. "Oft wussten wir nicht, welche Verbformen korrekt waren, wenn wir beispielsweise für unsere Figuren Jan und Hinnerk aktuelle Themen auf Mölmsch aufarbeiten", berichtet Firla. Das Wörterbuch von Chird Hardering beantwortet viele offene Fragen. Es als gebundenes Buch wissenschaftlich aufzuarbeiten wird die Sprachfreunde vom Aul Ssaan noch eine Weile beschäftigen. In Kopie soll es aber schnell der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. 

Mi‘ Moodersprook

Et iäste Woat, wat ick jee huar,
Et iäste Leed, dat me-i gessunge,
Et iäste, wat duar minem Uahr
Deep i’ min Hatten üss chedrunge,
Ssich doo füar ümmer faas chessatt,
Dat wuar va' Mooder op Mölmsch Platt.
Wenn Mooder me-i, op üahren Arm,
Et omes i' mim Bettschem braach,
En Kööske chuaf, dann we-ik un warm
Me-i in die bounte Küsses laacti,
Heet sse-i ssich be-i me-i nier gessatt
Un ssung en Lidsche — op Mölrnsch Platt.
Wie köün et ssien, dat ick die Wöät,
Die me-i ssu’ ssööt im Uahr geklunge,
In derr mi’ Mooder, wuar ick mööd,
Me-i oomes in’e Schloop chessunge,
In derr sse-i ouk mit me-i gebett,
Dat ick die jeemools ees vercheet.
Drümm will ick et ouk faas bekoune,
Ick ssägg et ümmer wirr op nöü:
Mit mi’ Mölrnsch Platt ssin ick verboune,
Mi’ Moodersprook, bliew ick stets tröü.
Ick haul in Iähr min Vaaderstadt,
Un leew un sterf füar min Mölmsch Platt.
(Gedicht von Chird Hardering)

Autor:

Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr

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