Samtcord, Rollis, Eierklemmer: Kleiderzwang machte nicht nur den Advent spannend

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Hattet Ihr auch einen Samtcord-Anzug? Nein? Okay, dafür gibt’s folgende mögliche Erklärungen:

1) Eure Eltern waren vernünftig und wollten Euern Modegeschmack nicht unnötig beeinflussen. 2) Euern Eltern war Kleidung gleichgültig. 3) Ihr wart sehr durchsetzungsstark oder besonders stur.
Alle drei Varianten trafen in den Jahren zwischen 1968 und 1980 im Hause Bohlen nicht zu! Na, jedenfalls: Ich musste einen Samtcord-Anzug tragen. Zweimal sogar!

Das erste Mal zur Kommunion, wobei das dunkelblaue Teil damals nicht so schlimm zu ertragen war wie der weiße Rollkragenpullover darunter.
Das zweite Mal fünf oder sechs Jahre später bei meinem ersten (und einzigen) Tanzkurs. Ich weiß noch vage, wie wir zuhause diskutierten, ob die schwarzen Stiefeletten zum blauen Anzug passen oder nicht. Wer welche Argumente ins Feld führte, hab‘ ich vergessen.

Aber das Thema sind ja Adventserinnerungen. Seltsamerweise muss ich immer an Kleidung denken, wenn ich die Weihnachtstage meiner Kindheit abrufe. Oder auch andere Feste. Schuld daran sind wohl diese Fotos von früher, von denen mein Vater gefühlte Siebentausend gesammelt, auf CDs gebrannt und mir irgendwann mal geschenkt hat.

Bis ich zirka Fünfzehn war, trage ich auf diesen Bildern ständig bescheuerte Klamotten – jedenfalls zu Weihnachten. Da wimmelt’s geradezu von weißen Wollstrumpfhosen, bunten Hemden mit 40 Zentimeter langen Kragen, Hosen mit hohem Eierklemmer-Faktor (die Männer über Fünfzig wissen, was ich meine), Rollkragenpullovern und Pullundern, bei deren Farbgestaltung Hans-Dietrich Genscher sich schweigend abgewendet hätte.

Zur Kindergarten- und Grundschulzeit müssen meine Eltern ständig schlecht gelaunt oder öfter mal auf Droge gewesen sein. Es gibt Fotos, auf denen trage ich eine Winterjacke und dazu eine Strumpfhose! Ist das krass oder ist das krass? Ich bin bloß froh, dass die meisten dieser Bilder in Schwarzweiß auf Zelluloid gebannt wurden. Wer weiß, ob ich nicht Mamas Nudelsalat von 1972 aus irgendeiner Darmwindung hervorkramen müsste, während ich die ganze Chose in Bunt betrachte. Wie auch immer …

Ob Ihr’s glaubt oder nicht: Es gibt tatsächlich noch ein Kleidungsstück, das alle anderen aus diesen besonderen Jahren in den Schatten stellt: den Schlafanzug!
Die Fotos beweisen es: Mein Bruder mochte Grün, ich offensichtlich Orange.
Breit grinsend sitzen wir nebeneinander und scheinen diesen Traum in Frottee überhaupt nicht zu bemerken. Aber war es nicht zumindest irgendwie normal, an Weihnachten im Schlafanzug im Wohnzimmer zu hocken und sich emotionell an seinen Geschenken zu laben?

Und so endet diese kurze Geschichte von der Zeit, als man auf Weihnachtsfotos noch die Farbe vermisste, auf die man rückblickend bei Kommunionsanzügen lieber verzichtet hätte. Und die Moral von der Geschicht‘?

Der Samtcord stört die Mama nicht.

Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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