Hilfe bei Neurodermitis & Co.: 25 Jahre Schwelmer Modell

Ein interdisziplinäres Team kümmert sich um die Belange Kranker und Gesunder. Foto: Schneidersmann
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Alles begann damit, dass ihre Tochter Neurodermitis bekam. Da griff Mechtild Hellermann erfolgreich zur Selbsthilfe: Die Pädagogin machte erst sich und dann viele andere schlau. Ihr „Schwelmer Modell“, eine Kombination aus verschiedenen Therapieformen, hat bundesweit Schule gemacht und schon mehr als 5000 erkrankten Menschen geholfen.

Heute bietet ein interdisziplinäres Team in ihrem Gesundheitszentrum im Schwelmer Ibach-Haus Beratungen, Kurse und Weiterbildungen längst nicht mehr nur für Allergiker an. Am heutigen Montag vor 25 Jahren fand das erste Selbsthilfe-Treffen statt - das „Schwelmer Modell“ war geboren.

„Es war wahnsinnig heiß“, erinnert sich Mechtild Hellermann an jenen Septemberabend, „und der Raum viel zu klein. Sogar von draußen klebten die Menschen dicht gedrängt an den Fenstern“, beschreibt sie die Resonanz auf eine Zeitungsmeldung, mit der sie zum ersten Treffen einer Selbsthilfegruppe für Neurodermitis aufgerufen hatte, und 60 kamen.

Auslöser war die schwere Neurodermitis-Erkrankung ihrer Tochter. Sieben Wochen verbrachten Mutter und Kind gemeinsam im Krankenhaus. „Dort hat man uns Eltern einen Weg beigebracht damit umzugehen – eine Kombination aus Ernährung, Entspannung und psychologischen Faktoren.“

Damals, Mitte der Achtziger, war die Allergieforschung längst nicht so weit wie heute, betroffene Eltern verzweifelt und hilflos. „Als wir wieder zu Hause waren, hat sich schnell herumgesprochen, dass ich mit meinem Kind einen Weg gefunden hatte. Es verging kaum ein Tag, an dem nicht jemand anrief und Rat suchte.“

Weil solche Gespräche nicht zwischen Tür und Angel zu führen sind und um Eltern effektiver helfen zu können, suchte die Pädagogin nach einem anderen Weg. Ihr alter Kinderarzt war bereit zu helfen, und so kam es, dass an jenem 17. September 1987 der Mediziner Dr. Lehr und die betroffene Mutter in den Versammlungsraum einer Schwelmer Gaststätte einluden. „Ich war beeindruckt“, sagt Mechtild Hellermann rückblickend über den großen Zulauf, „aber ich hatte auch Angst: Wie sollte ich dem allen Herr werden?“

Zum ersten offiziellen Treffen am 3. November lud sie einen Professor aus der Klinik ein, in der sie selbst Hilfe gefunden hatte. „Hinterher kamen die Eltern von vier betroffenen Kindern zu mir und sagten: „Das wollen wir auch! Aber nicht im Krankenhaus, sondern hier! Und das war die Initialzündung für den Therapiegedanken.“

Zunächst gab es wöchentliche Treffen mit Mechtild Hellermann und Dr. Lehr. 1988 kam ein Psychologe dazu, und die Lehrerin, die viele Jahre an einer Schwelmer Schule gearbeitet hatte, nahm eine Ausbildung als Ernährungsberaterin auf. Ab diesem Jahr – ein Meilenstein – übernahmen die Krankenkassen die Kosten für die Beratungen, die zunächst in einem Raum in der Lessingstraße stattfanden. Der Zulauf wuchs, das Team auch.

Ab 1988 kümmerte sich Ärztin Dr. Frauke Hortolanyi um die erwachsenen Kranken. Für die Elternarbeit brauchte man Pädagogen, Ernährungsberaterin war Mechtild Hellermann inzwischen selbst. Die beiden Ärzte kümmerten sich um die Dokumentation für Studien, eine von den Kassen geforderte wissenschaftliche Verlaufskontrolle zwischen 1990 und 1994 bestätigte den Erfolg des „Schwelmer Modells“.

„Damals ging es nur um Neurodermitis“, sagt Hellermann, „doch bald kamen die ersten Allergiepatienten, die keine Symptome an der Haut hatten, sondern Asthma, Heuschnupfen oder Magen-Darm-Probleme. Unsere Indikation erweiterte sich von Neurodermitis auf Allergien, das Konzept entwickelte sich immer weiter.“ Dann kamen die Menschen, die beruflich mit Allergie zu tun hatten - aus der ganzen Republik, und sie wollten vom Wissen der Schwelmer profitieren. So entstand Ende der 90er Jahre auch eine rege Akademietätigkeit.

2003 kamen auch Angebote für Gesunde dazu: Die Gruppen zur pädagogischen Förderung junger Familien ab zwei Monaten, „im Prinzip eine U 3-Betreuung, eine Art Vorkindergarten“, war ein erster Schritt zur Gründung des GesundheitsPädagogischen Zentrums im Jahr 2009, das heute gesundheitsbezogene Angebote für jedermann macht: das „Schwelmer Modell“ als Kernstück mit vielen Ablegern. Es gibt Kochkurse für Männer, für Schwangere oder die Oma mit Enkeln, ein Hautpflegestübchen, Kurse in Stressmanagement und Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung.

Ein interdisziplinäres Team unter anderem aus Medizinern und Psychologen, Ernährungswissenschaftlern und Pädagogen hat durch seine enge Verzahnung der einzelnen Fachbereiche ein einzigartiges Modell geschaffen, das vielen kranken Menschen und ihren Familien wieder ein Stück weit zurück ins Leben geholfen hat. Und das in unserer Region ganz sicher etwas Besonderes ist. Es gibt kaum ein anderes ambulantes Angebot, das Patienten über einen Zeitraum von bis zu einem Jahr interdisziplinär und ganzheitlich betreut.

„Meine Patienten sagen: Ich habe für mein Leben ganz viel gelernt und eigentlich ist es wertvoller geworden durch die Krankheit!“ ist Mechtild Hellermann stolz. Und ihre kranke Tochter, die alles ins Rollen brachte? „Die ist eine ganz normale, gesunde junge Frau geworden“, freut sich die Mutter von vier Töchtern, „und vor gerade zwei Monaten war sie eine strahlende, glückliche Braut!“

Fotos: Frank Schneidersmann

Autor:

Carmen Möller-Sendler aus Ennepetal

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