„AUSSTELLUNGSSTÜCK“ – Ein Kunstprojekt der Ruhrtriennale 2015

Das Kunstprojekt der Campustriennale 2015
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Kunst statt Leerstand – so könnte man dieses Kunstprojekt auch betiteln. Leerstände, verwaiste Ladenlokale gibt es in Bochum, Duisburg und Dinslaken, den Spiel-Städten der Ruhrtriennale, wahrlich genug. Zwölf junge Künstler und Künstlerinnen von renommierten Kunstakademien haben sich den Leerständen angenommen, sie in Kunsträume bzw. in Kunstschaufenster verwandelt. Ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum der Campustriennale, das Förderprogramm der Ruhrtriennale für den kreativen Nachwuchs. Die vormals leeren Schaufenster sind nun Galerien auf Zeit, für die gesamte Dauer des Festivals, ohne Eintritt, rund um die Uhr, von 7:00 bis 01:00 Uhr wird für Beleuchtung gesorgt. Am Sonntag, 15. August 2015 wurde das Kunstprojekt durch Johan Simons, Intendant der Ruhrtriennale 2015, eröffnet.

Jedes Schaufenster ist ein „Ausstellungsstück“, so erklärt sich der Titel des Kunstprojektes. Dabei war es gar nicht so einfach, die Leerstände zu bekommen, meint Vasco Boenisch, Kurator des Projektes. Lieber hätten die Eigentümer es gesehen, die Ladenlokale zu vermieten. So musste die Bereitstellung bis auf die letzte Minute hin organisiert werden. Letztendlich hat alles geklappt und die Künstler/innen konnten loslegen. In Absprache wurden die Schaufenster untereinander vergeben. Sie hatten fünf Tage Zeit (gut, dass es auch die Nächte gab) und ein Budget von 1.000 Euro, um ihre Vorstellung zu verwirklichen.

Bochum

Herausgekommen ist eine Vielfalt künstlerischer Ansätze. Mal nehmen die Künstler/Innen Bezug auf Lage und Standort des Ladenlokales, mal inszenieren sie eine Standort unabhängige Installation, mal nutzen sie die Schaufensterfront als Projektionsfläche oder Bildschirm. In der Mehrzahl bleiben die Passanten Betrachter, einmal werden sie auch zum Mitspielen aufgefordert, so in Bochum. Bei „Revier Power 18“ von Jens Kothe und Tim Löhde braucht man 1 Euro, um das Spiel zu starten: es gilt einen Ball auf eine Kugelbahn zu navigieren. Darüber befindet sich die lange Fensterfront, die Sebastian Freytag gestaltet hat, „game over“, heißt es. Sicher ist, dass sich dahinter keine Spielhalle befindet.
Zahava Rodrigo hat ihre Schaufensterfront „Shop 65“ im Einkaufstemel Citypoint mit raumhohen Fotografien beklebt. Die Fotos zeigen wie das Ladenlokal innen aussieht, mit leichter perspektiver Verzerrung. Da wünscht man sich, dass Leerstände demnächst in dieser Art gestaltet und nicht mit raumhoher Werbung zu plakatiert werden. Hanna Koch beschreibt mit Piktogrammen und gefundenen Filmsequenzen in „mindwork“ den Wandel von Industriemaloche zu Freizeitgestaltung im Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen. Daneben eine Rauminstallation von Thorsten Schoth: „In Between“.

Dinslaken

In Dinslaken sind zwei Schaufenster gestaltet. Zarah Landes „Broke Amateurs“ zeigt eine freie Installation, hingegen Anthony Nestel die Schaufenster als Informationsmedium nutzt.“The Holy Land of the Ganda“ beschreibt in Fotos, Text und Film die jüdischen Besiedlungspläne in Uganda, Anfang des 20. Jahrhunderts.

Duisburg

In Duisburg befinden sich vier gestaltete Schaufenster, alle in Ruhrort. Niko Abramidis & NE zeigt in seinem großzügigen Ladenlokal eine fiktive Firma „Crisp & Consulting“, macht den Firmensitz per Schaufenster öffentlich. Es werden sogar Stellenangebote wie Versuchs-Proband/in oder Local Dynamic Agent ausgeschrieben. Philipp Reitsam: "Get off me you´mo" hat sich einer speziellen Modeerscheinung der 1980er verschrieben. Farbenfrohe Trikots, in Anlehnung an den Rave-Style hielten Einzug in die britischen Stadien und brachten Hooligans dazu, sich eher mit Ravemusik zu beschäftigen als gewalttätig zu agieren. Ein paar Mustertrikots hängen an den Schaufenstern, die den Blick ins Innere freilassen. Was für eine Ladeneinrichtung! Viele Schubläden lassen auf eine ehemalige Apotheke schließen, aber hier war mal ein Fahrradgeschäft. Hoffentlich wird demnächst ein neuer Besitzer diese Einrichtung übernehmen können.

Das Aufspüren alter, vergessener Läden ist ein erhoffter „Nebeneffekt“

Das wünscht man auch dem „Panda Imbiss“, das Haus mit der verlebten Fassade hat offensichtlich einen „lost place“ - Charme. Anne Mahlow und Leander Ripchinsky haben das vorgefundene Schaufenster kaum angetastet, lediglich eine Lichtinstallation hineingesetzt und für die passenden Klanggeräusche gesorgt. Die Klangkulisse haben sie in fünf verschiedenen Asiarestaurants aufgenommen. Am besten hört man sie am Eingang des Imbisses. Mahlow und Ripchinsky erzählen, dass sie häufig von den Ruhrortern angesprochen wurden, die hofften, dass der Panda-Imbiss wieder eröffnet werden würde. (Alle Zitate sind online nachzulesen, link unten). Es wird auch die Hilfsbereitschaft der Ruhrorter Nachbarschaft gelobt. So hat das gegenüberliegende Lokal Harmonie gerne tatkräftig geholfen.
Ein paar Ecken weiter, das Schaufenster von René Kersting: „Der Sockel“. Kersting ist kein Künstler, er studiert Baukunst an der Düsseldorfer Akademie. Ihm liegt die Gestaltung der Hausfassaden am Herzen, die eine Dreigestaltung aufweisen, Sockel (Erdgeschoss), mittlerer Teil und Dachkapitel. Sein Schaufenster ist gleichsam eine Leinwand, auf die er Sockellösungen als Fotoprojektion bespielt. Bei unseren Besuch stand die Sonne allerdings so ungünstig, dass man die Projektion nicht erkennen konnte. Also unbedingt nochmal wiederkommen!

Wer Lust hat, sich den Kunst-Parcours einer neuen Künstlergeneration anzuschauen, der sollte sich auf den Weg machen. An jedem Schaufenster gibt es Informationen und ein kleines Heft mit allen Stationen. Eine schöne Idee, hoffentlich mit nachhaltiger Wirkung. Jetzt ist erstmal Kunst anstatt Leerstand oder wie sagte ein Ruhrorter Passant: „Kunst? Naja, besser als gar nichts?“

Vom 15. August bis zum 26. September 2015, Eintritt frei

Infos zu Ausstellungsstück Bochum, hier
Infos zu Ausstellungsstück Dinlaken, hier
Infos zu Ausstellungsstück Duisburg, hier

Infos zur Ruhrtriennale 2015, hier

...und jetzt viel Spaß beim Rundgang...

Autor:

Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg

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