Allein unter Schützen - Selbstversuch: Daniel Henschke und Daniel Peters wagen sich auf das Fischlaker Schützen- und Dorffest

Der neue König: Heinz Napierala setzte beim Schützenfest des „BSV Gut Schuss“ den entscheidenden Treffer.
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  • Der neue König: Heinz Napierala setzte beim Schützenfest des „BSV Gut Schuss“ den entscheidenden Treffer.
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Schützenfeste gab es früher in jedem Dorf - und es ging auch jeder Dorfbewohner hin! Das ist lange her... Inzwischen ist die Pflege von Tradition und Brauchtum Vereinssache und der Nachwuchs bleibt meistens weg. Daher machten wir - Daniel Henschke und Daniel Peters von der Redkation des Werden Kuriers beim Fischlaker Schützen- und Dorffest den Selbstversuch: Wie geht das eigentlich? Schützenfest?

„Gut? -Schuss! Gut? -Schuss! Gut? -Schuss!“ -so stimmen sich die Schützen des BSV Gut Schuss vor dem großen Königsschießen ein. Die beiden Daniels, Henschke und Peters, haben in ihrer Freizeit eigentlich wenig mit Schützen zu tun, aber werfen einen Blick auf die Riten und Bräuche des Vereins und bekommen gleich zum Auftakt einen lautstarken Ausblick auf den Rest des Tages.
Wer bei diesem Wettbewerb wildes Gegröle, laute Musik und große Reden erwartet, der täuscht sich. Daniel Peters erinnert sich an seine ersten Begegnungen mit dem Begriff Schützenfest. In den Kinderkassette aus der Kindheit „Die kleine Hexe“ wurden die Schützen als brutale Pöbel dargestellt, ein Ochse sollte geschlachtet werden, das Wort „Holz“ vor dem Vogel wurde als Kind gerne überhört.
Weichen Phantasie und Realität doch deutlich voneinander ab - in einem Punkt hat „Die kleine Hexe“ wirklich recht: Wichtig ist auch in der Realität der Genuss von Bier. Wie die beiden neidischen Autofahrer Henschke und Peters schnell bemerken, hat fast jeder ein volles Glas in der Hand und ob Teilnehmer am Königsschießen oder nicht, trinken scheint Pflicht.
So beginnt es also.

Das Gewehr steht auf einem Podest, fest verankert und bereit, den armen Holzvogel zu durchlöchern.

Ob die feste Verankerung eine Hilfe ist oder Unfälle vermeiden soll, sei mal dahingestellt. Nach einer Ansprache von Vereinsboss Torsten Gerigk besteigen die beiden Aspiranten nacheinander das Podest, langsam, aber bedächtig, und beginnen, dem Holzvogel das Leben schwer zu machen. Natürlich hatte man sich vorher erkundigt, mit welchem Zeitraum man zu rechnen habe. 20 Minuten hatte es das letzte Mal gedauert. 25 Schüsse hatte es gebraucht.
Nach 30 Minuten hat sich immer noch nichts bewegt. 46 Schüsse sind bisher gefallen und es geht langsam voran.
Die Kollegen beginnen bei dem Gedanken an die Kosten, die den Schützenkönig erwarten, zu überlegen, wer von den Aspiranten denn überhaupt wirklich gewinnen möchte und wetten mit zwei Euro im Pott: Der kleine Daniel setzt auf Napierala, der große Daniel auf Dockenfuss. Das macht es spannender!
Sportwart Lamm wirkt beim Sportschießen zwischenzeitlich motiviert wie der Balljunge beim Fußball. „Mit frischem Mut und heißem Lauf, immer auf den Vogel drauf“, so tönt es durch das Zelt. Doch auch die Sprüche ebben ab. Auf Dauer kann man das Ganze wohl auch mit Erfahrung nicht über die Zeit retten. Nach etwa 45 Minuten und mittlerweile 80 Schüssen ist der Vergleich zum letzten Jahr nur noch Hohn. „Wer zu früh jubelt, gibt eine Lokalrunde!“ Grund zum Jubeln gab es bisher wirklich nicht. „Ich glaube, da hab ich ein paar Holzsplitter gesehen...“, muntert Kollege Henschke auf - doch auch mit Brille erkennt man beim besten Willen nichts.

Es muss einen Grund geben, warum sogar die Dame ganz vorne ihren Feldstecher am Auge kleben hat.

Aus Zeitvertreib werden vorne die Treppenstufen gezählt, die bisher von den Akteuren bestiegen wurden. 14.58 Uhr: 97 Schüsse, 582 Stufen... Sechs Schüsse später ist es dann soweit! Jubel brandet auf, Daniel Peters ist verwirrt, er hat den 103. Schuss verpasst. Einmal wendet man den Blick ab und da passiert es. Napierala gewinnt. Begeisterung pur. Auch beim kleinen Daniel. Zwei Euro sind für einen Praktikanten wahrlich kein Pappenstil. Für den unerfahrenen Beobachter lassen sich die folgenden Ereignisse folgendermaßen zusammenfassen: Es werden Floskeln wie „Du genialer Schütze!“ und „Er lebe hoch hoch hoch“ ins Mikrofon gerufen - und das in einer Lautsträke, die auch den jungen Diskogänger zusammen zucken lässt. Fotos werden geschossen. Es folgt die erste Amtshandlung: Wer bisher aufgepasst hat und sich jemals etwas mit dem Thema Schützen/Schützenfeste befasst hat, der weiß, dass es sich dabei nur um eine Runde Bier handeln kann. So endet der erste Tag voller neuer Erfahrungen und dem ein oder anderen neidschen Blick auf das kühle Pils für Daniel und Daniel.
Das Königsschießen ist jedoch nicht das einzige Highlight im Leben eines Schützenfestfrischlings. Der große Festumzug durch Fischlaken folgt am nächsten Tag und auch da sind die Kollegen natürlich wieder vor Ort. Nach zehn Kilometer Joggen am Morgen vor dem Termin freut man sich auf einen halbstündigen Marsch durch Fischlaken. Beeindruckt werden die Kopfbedeckungen der Niederländer betrachtet und darüber gemunkelt, ob die Federn denn echt sind. Über allem schwebt aber die Frage:

Was macht einen Festumzug aus?

Man zieht durch die Straßen Fischlakens und wird dabei von den Anwohnern freundlich beklatscht und bejubelt. Alle Schützen sind edel gekleidet, die Königspaare sehen schick aus. Man darf sich dabei jedoch nicht vorstellen, wie heiß es in den Anzügen und Kleidern sein muss, den Kollegen läuft der Schweiß trotz kurzer Hose und T-Shirt den Rücken hinunter. Musikalisch untermalt wird das ganze Geschehen dabei von Marschmusik aus den Flöten, Trommeln und Glockenspielen verschiedener Musikergruppen, die zwar in einem gewissen Abstand von einander und vor allem alle im Takt, jedoch unterschiedliche Lieder spielen - ein munteres Musikdurcheinander entsteht. Besonders interessant wird es dann, wenn man das Glück hat und gerade genau zwischen zwei Gruppen steht. Es ergibt sich so für das Ohr ein Surround-Sound vom Feinsten.
An den Straßen stehen neben den jubelnden Anwohnern auch Erfrischungstände, betreut von Mitgliedern oder freundlichen, spendablen Sympathisanten. Man kann fast den Vergleich zu den durstigen Marathonläufern ziehen, so groß ist die Freude darüber. Bei circa 25 Grad und das in Anzugjacke kein Wunder. Während des gesamten Festumzugs zeichnet sich jedoch eine weitere Erkenntnis ab: Mit Daniel Henschke durch Fischlaken laufen ist eine ganze besondere Lehrstunde. Das Wort „bekannt“ trifft wohl noch nicht ganz den Grad der Popularität des Kollegen. Zu scheinbar jedem Haus erfährt man den Familiennamen und teilweise Erinnerungen aus der Kindheit oder zumindest den Beruf desjenigen. So ergeben sich auch viele Informationen über diejenigen im Festzug, die keine Tracht oder ihr Wappen auf der Brust und der Fahne mit sich tragen.
Nach zwei Tagen Schützenfest, vielen schweißtreibenden aber auch richtig netten Erfahrungen bleibt für den Kollegen Peters nur die Klärung der Frage: Gibt es bald das nächste Schützenfest mit ihm als Gast? „Für mich wird es wohl so schnell kein weiteres Schützenfest geben. Es mag dem Alter geschuldet sein, vielleicht ist mir es aber auch nur etwas zu traditionell.“

Doch positiv überrascht ist er allemal. Mit dem Gedanken an zu laute Musik, zu viel Bier und zu vielen Riten und Bräuchen ist man gekommen und mit der Assoziation Freude an Zusammengehörigkeit geht man. Wer mit Vorurteilen aufräumen will, ist bestimmt beim nächsten Mal willkommen, denn eins kann man sagen: Man wird freundlich empfangen.

Hier geht es zum Selbstversuch von Daniel Henschke

Autor:

Daniel Peters aus Essen-Kettwig

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