Flüchtling hilft Flüchtlingen

Sprachkenntnisse zu vermitteln ist ein großes Anliegen der Initiative „an-GE-kommen“. Auch dabei hilft Samer Heiba, der übrigens in der Redaktion nicht fotografiert werden wollte, weil seine Arbeit für ihn selbstverständlich ist und es ihm um die Sache geht, nicht um seine Person...Foto: „an-GE-kommen“
  • Sprachkenntnisse zu vermitteln ist ein großes Anliegen der Initiative „an-GE-kommen“. Auch dabei hilft Samer Heiba, der übrigens in der Redaktion nicht fotografiert werden wollte, weil seine Arbeit für ihn selbstverständlich ist und es ihm um die Sache geht, nicht um seine Person...Foto: „an-GE-kommen“
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Man könnte fast meinen Samer Heiba hätte in der Flüchtlingsunterkunft an der Wildenbruchhalle nur auf die Sprechstunde der Flüchtlingsinitiative „an-GE-kommen“ gewartet, um sich und seine Sprachkenntnisse einzubringen und einfach etwas zu tun zu haben.

Denn wie Jan Dworatzek von „an-GE-kommen“ schildert, hat sich der 1,90 Meter große Syrer direkt zu den Flüchtlingshelfern gesellt und diese durch seine perfekten Englischkenntnisse beeindruckt.
„Er hat sofort angefangen zwischen den Flüchtlingen und uns zu übersetzen und war uns damit eine große Hilfe“, erinnert sich Dworatzek. Denn bei den Sprechstunden von „an-GE-kommen“ wird immer darauf gehofft, dass die Flüchtlinge der englischen Sprache mächtig sind, weil nicht immer Dolmetscher zur Verfügung stehen. Wenn dann aber ein Englisch-Lehrer unter den Flüchtlingen ist, kann man nur von großem Glück reden.
Samer Heiba stammt aus der Nähe von Damaskus. Zunächst arbeitete er als Englischlehrer, seine wahre Berufung fand er aber im Bankwesen. Der 32-Jährige ließ in Syrien seine Eltern, zwei Brüder und eine Schwester sowie in Ägypten eine Schwester und einen Bruder zurück.
Vor fünfeinhalb Monaten kam er nach Deutschland und wurde von München über Dortmund und Rüthen am Ende Gelsenkirchen zugewiesen. Hier lebte er kurze Zeit in der Wildenbruchstraße und hat seit Dezember eine Wohnung in Schalke bezogen. Dort wohnt er quasi Tür an Tür mit anderen Flüchtlingen, mit denen er inzwischen Freundschaften geschlossen hat.
Im November begann er bei „an-GE-kommen“ mit einem Deutschkurs und es ist erstaunlich, wie gut er bereits Deutsch spricht, vor allem aber versteht. Bisher befindet er sich in einer ungeklärten Situation, weil er nur die Bescheinigung über die Meldung zum Asylverfahren (BüMA) in Händen hat. Nun kann er nur warten bis er einen Termin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF) erhält und sein Asylverfahren ins Rollen kommt. „Das ist wie warten auf das Christkind, nur ohne Weihnachten“, schildert Jan Dworatzek, der sich bewusst ist, dass das BaMF noch mitten im Aufbau ist und darum Wartezeiten dazugehören.
Mittlerweile ist Samer Heiba komplett in alle Arbeitsabläufe der Flüchtlingsinitiative eingebunden, hilft mit bei der Sprechstundenarbeit und begleitet Flüchtlinge, wenn es um Mietverträge oder die nötige Bescheinigung für die Gelsenkirchener Tafel geht. Am liebsten aber erledigt er mit ihnen die anfallenden Gänge zu den Banken. „Das ist immer wieder ein Erlebnis, wenn wir mit Samer in eine Bank kommen. Die Angestellten müssen nur ein Stichwort wie etwa ‚Schufa‘ nennen und Samer sprudelt los und erklärt den Flüchtlingen, was sie tun müssen, welche Auskünfte nötig sind und alles, was dazu gehört. Da ist er ganz in seinem Metier und kann seine Kompetenzen richtig ausleben“, schildert Dworatzek. Kein Wunder, dass der große Traum von Samer Heiba der berufliche Wiedereinstieg in eine Bank wäre.
Bis dahin ist es dem Syrer eine Herzensangelegenheit anderen Flüchtlingen zu helfen, wo immer er kann. Denn er weiß aus eigener Erfahrung, dass die Flüchtlinge nicht hierher gekommen sind, um dem Staat auf der Tasche zu liegen. „Sie sind geflohen vor Bomben und glücklich, dass sie hierher kommen durften und in Frieden auch ihre Meinung sagen dürfen, ohne Angst vor Repressalien. Und uns allen ist bewusst, dass kein Land der Welt so viel für die Flüchtlinge aus Syrien tut, wie Deutschland“, erklärt Samer Heiba.
Die Flüchtlingsinitiative „an-GE-kommen“ verfügt inzwischen über ein gutes Netzwerk - dank der neuen Medien. Durch die Verbundenheit zu den Falken kann die Initiative auf die Infrastruktur der Falken zurückgreifen und in deren Jugendzentren Sprechstunden und auch Sprachkurse anbieten und so nahe bei den Menschen sein. „Wir bieten Sprachkurse an neun Standorten an. Darunter zwei in den Flüchtlingsunterkünften im Sport-Paradies und an der Westerholter Straße. Die anderen Angebote sind in den Quartieren. In Ückendorf zum Beispiel sind wir im Spunk, das nur um die Ecke vom Haus Ückendorf liegt, wo ja seit Dezember Flüchtlinge untergebracht sind“, erklärt Dworatzek die Situation.
Die Initiative arbeitet komplett ehrenamtlich was nicht immer einfach ist, denn alle Freiwilligen sind nebenbei berufstätig. „Wir haben eine Organisationsgruppe mit 15 Personen, die täglich mit „an-GE-kommen“ befasst sind. Dazu kommen die Ehrenamtler in den 14 Sprachkursen, die immer mit zwei Personen bestückt sind. Außerdem haben wir fünf Sprechstunden, bei denen immer zwei Personen vor Ort sind nebst Dolmetscher und weiteren Helfern. Wir sammeln aber auch Sachspenden wie Haushaltssets für Flüchtlinge, die eine Wohnung zugewiesen bekommen, und organisieren Möbel. Da kommt schon was zusammen“, weiß der Ehrenamtler.
Die Initiative fühlt sich als Multiplikator. Die Ehrenamtler bringen Menschen mit passenden Interessen zusammen und dienen so neben der Willkommenskultur auch der Integration. Dabei werden Kultur- wie auch Sportangebote berücksichtigt. Wie der Stadtspiegel berichtete gehen Musiker in die Flüchtlingsunterkünfte und machen für und mit den dort lebenden Menschen gemeinsam Musik. Immer am ersten Donnerstag im Monat treffen sich dann alle um 20 Uhr gemeinsam im Wohnzimmer GE, Wilhelminenstraße 174b, zur Session „Open Stage“.
„Wir fühlen uns aber nicht als Ersatz für die Wohlfahrtsverbände oder offizielle Sprachkurse. Wir wollen einfach da helfen, wo Stadt und Staat an ihre Grenzen stoßen. Dabei handelt es sich um ein Miteinander, denn wir haben in Hans-Joachim Olbering, dem Leiter der Stabstelle Flüchtlinge der Stadt Gelsenkirchen, einen Ansprechpartner, der immer erreichbar ist und sich kümmert“, erklärt Jan Dworatzek.
„an-GE-kommen“ ist auch immer interessiert an der Kooperation mit anderen Gruppen, weil man sich immer ergänzen konnte, um Hilfe zu leisten.

Gesucht werden Helfer mit Zeit wie Rentner

Weil Behördengänge in der Regel im Vormittagsbereich erledigt werden müssen, sucht „an-GE-kommen“ händeringend nach Freiwilligen, die Zeit mitbringen. Hier sind vor allem Bürger im Ruhestand angesprochen, die Interesse haben, sich und ihre Zeit in den Dienst der guten Sache zu stellen.
Kontakt aufnehmen kann man per Mail an an-ge-kommen@gmx.de oder über Facebook. Die Einrichtung eines Anrufbeantworters wird in Angriff genommen, konnte aber noch nicht realisiert werden.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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