Plötzlich wird die Demokratie wiederentdeckt

Da kann man Herrn Erdogan mal ein Dankeschön aussprechen. Seit er seine Laufburschen aussendet, um in Deutschland nach Stimmen für sein Referendum zur Alleinmacht zu fischen, macht die Diskussion über die Meinungsfreiheit die Runde.

Spätestens seit den „Das-wird-man-doch-mal-sagen-dürfen“-Argumentationen wissen wir, dass nicht alles geduldet werden muss. Meinung ja, aber bitteschön gemäß des Grundgesetzes, der Menschenwürde und der Menschenrechte.

Wie ein flirrender Bienenschwarm wollen plötzlich Türkische Staatsmänner in Deutschland Reden halten. Ich komme da kaum noch mit, um wen es im Einzelnen überhaupt geht. Also versucht man sich ein Bild zu machen. Das wird an dieser Stelle schon etwas schwieriger, sofern man der Türkischen Sprache nicht mächtig ist.

Während Frau Merkel die Verantwortung wieder ein mal auf die kleinste gemeinsame Organisationseinheit im Land, nämlich die Kommunen, abschiebt, werden in einigen Städten tatsächlich Redeverbote dieser Staatsmänner erteilt. Wie es in einer lebendigen Demokratie wichtig und richtig ist, streiten wir nun, ob das Redeverbot der Meinungsfreiheit entspricht oder nicht.

Dazu möchte ich folgendes anmerken: Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, ein Instrument unser demokratischen Kultur. Sich auseinandersetzen dient der Willensbildung. Jedoch sind die demokratischen Instrumente in diesem Fall ungleich gewichtet. In unserer Gesellschaft sind wir nur bedingt über Details der Türkischen Gesellschaft und Politik informiert. Wir sind abhängig von dem, was uns Medien berichten. Allein eine adäquate themenbezogene Recherche fällt schon einem politisch Interessieren schwer. Wir verstehen die Sprache nicht, wenn ein Türkischer Staatsmann in Deutschland redet. Wir können nicht beurteilen, wie die Menschen in Deutschland mit welchen Argumenten gefischt bzw. „überzeugt“ werden.

Das hat zur Folge, dass unsere Auseinandersetzung mit dem Gesagten eines Türkischen Staatsmannes fast ausgeschlossen ist. Wir können die Meinung nicht beurteilen, bewerten. Wir können argumentativ kaum dagegenhalten, weil wir nicht verstehen, was er sagt. Ist die Meinungsfreiheit dann noch gegeben? Mir scheint, dass dies dann doch sehr einseitig ist.

Ich gestalte gerne eine Gesellschaft mit, bin ein Teil von ihr. Gerne schreibe ich PolitikerInnen an, wenn ich Fragen habe. Manchmal bekommt man auch Antworten. Dieses Prozedere erweist sich jedoch auch als sehr schwierig, wenn ich Fragen an einen Türkischen Staatsmann habe. Ebenso haben wir auch kaum Ahnung von den Türkischen Gesetzen, deren Verfassung. Wir haben kaum die Möglichkeit, uns in eine sachliche Diskussion zu begeben. Es bleibt ein Monolog eines interessensorientierten Politiker.

Und wenn sich Erdogan nun dahinstellt und wie ein Zwerg beginnt mit dem Räppelchen zu klappern, so kann uns das doch schnurzpiep sein. Ja natürlich kann er gerne nach Deutschland kommen. Er muss jedoch auch damit rechnen, evtl. wegen Beleidigung angezeigt zu werden. Ein Verhalten, was nicht zuletzt er bezüglich Jan Böhmerman nutzte. Wir können unsere Demokratie nutzen, wenn wir verstehen, was er sagt. Es gibt dunkle Entwicklungen in Deutschland, welche Fremdenhass zeigt. Das ist nicht zu leugnen. Aber Erdogan sagt:

„Deutschland, du hast in keiner Weise ein Verhältnis zur Demokratie und du solltest wissen, dass deine derzeitigen Handlungen nichts anders sind als das, was in der Nazi-Zeit getan wurde.“(…)

Da klingt doch ein klein wenig der kleine Mann mit, der sich abgelehnt fühlt. Ein Kind, dem das Spielzeug genommen wurde. Natürlich legt er nach:

„Wenn ihr mich nicht sprechen lasst, werde ich einen Aufstand machen.“

Kommen Ihnen da nicht auch Bilder in den Sinn von einem kleinen brüllenden Kind, das ernst genommen werden will? Erdogan wäre gut beraten, mit seinem inneren Kind ins Gespräch zu gehen und herauszufinden, wo sein Spannungsfeld liegt und woher das kommt. Aber es klingt nicht staatsmännisch, was er da sagt.

Wie auch immer dieser kleine Junge versucht von der großen Politik ernstgenommen zu werden, aber sein Nazivergleich ist so ein wirklich dummer Ansatz einer diplomatischen Auseinandersetzung.

Natürlich ist es erkennbar und auch belegbar, dass demokratische Errungenschaften in Deutschland abgebaut werden. Es ist ebenso erkennbar, dass dies zu rechtem Gedankengut in diesem Land führt. Aber es sind eher kapitalistische Ansätze als Nationalsozialistische. Ist Herr Erdogan überhaupt kompetent genug, das zu erkennen? Und er möchte ein Land ganz alleine anführen?

Will man ihm wirklich die Macht geben, ein Land alleine zu regieren?

Wie auch immer er sein Land gestalten möchte, ich freue mich über die Diskussion in unserer Gesellschaft. Was darf Meinungsfreiheit? Was sind demokratische Instrumente? Die Menschen erinnern sich wieder. Und das ist gut so.

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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