Teuflisches im Gotteslob

Das Fehlerteufelchen scheint sich im neuen Gotteslob wohlzufühlen. | Foto: Harald Wanetschka / pixelio.de
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Keine Angst, es soll hier nicht um den „richtigen Teufel“ gehen, nicht um Satan oder um Luzifer. Der würde sich wohl – gottlob – nicht in ein katholisches Gebet- und Gesangbuch namens Gotteslob wagen.

Nein, hier soll die Rede sein von dem, was eines der vielen auf der Erde agierenden Fehlerteufelchen so angerichtet hat. Genauer gesagt das, welches sich in der letzten Zeit offensichtlich auf das neue Gotteslob spezialisiert hatte. Pünktlich zum Beginn des Kirchenjahres, also am 1. Advent, wurde es in den meisten deutschen Bistümern und ihren Kirchengemeinden in Gebrauch genommen, dieses neue Gebet- und Gesangbuch für Katholiken in Deutschland, Österreich und Südtirol, das seinen gleichnamigen Vorgänger aus dem Jahre 1975 ablösen soll. Ich bin froh, in der vorigen Woche noch ein (persönliches) Exemplar erwischt zu haben, momentan gibt es bereits größere Lieferengpässe.

Fehlerteufelchen sind sehr emsig

Wenn man täglich von den „schnellen“ Medien (Tageszeitungen, Videotexte ...) Schreibfehler um die Ohren (besser: vor die Augen) gehauen bekommt, so kann man das noch einigermaßen nachvollziehen: Zeitdruck, Lektoreinsparung aus Kostenzwängen, Verwirrung infolge der Rechtschreibreform, mangelndes Interesse oder Geringachtung („Hauptsache, man weiß, was gemeint ist“) sind einige der Ursachen. Wenn man es aber mit einem derart „dicken Ding“ wie diesem neuen Gotteslob – mit einer solch langen Vorlauf-, Planungs- und Bearbeitungszeit, hohen Auflage und erhofft langen Geltungsdauer – zu tun hat, dann wäre es doch wohl angebracht gewesen, beim Korrekturlesen ein paar „kräftigere Register“ zu ziehen (um einmal einen kirchenmusikalischen Ausdruck zu bemühen); zumindest aber wirkungsvollere. Ich stelle mir z. B. vor, man hätte den Text vor dem ersten offiziellen Druck dem Deutsch-Leistungskurs eines (meinetwegen bischöflichen) Gymnasiums vorgelegt mit dem Anreiz: Für jeden Fehler, den ihr noch findet, gibt es einen „Hunni“ (oder „Fuffi“, oder wenigstens „Zwanni“) in die Abifetenkasse.

Bei den bemerkenswert vielen vorhandenen Schreibfehlern spiegelt sich wider, was man allgemein in den letzten Jahren vermehrt beobachten kann: Wörter leiden oft unter „Trennungsschädigungen“, man zerteilt sie ohne Not und Grund in zwei (oder mehr) Teile.

Der „Kardinalfehler“ im Eigenteil des Bistums Münster

Der Fehler, der durch seine erstaunliche Häufigkeit im Eigenteil des Bistums Münster (an mindestens 16 Stellen) besonders negativ auffällt, ist das in zwei Teile „zerrissene“ selig gesprochen bzw. heilig gesprochen. Dabei handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen der vielen Folgeschäden der Rechtschreibreform. Deren „Architekten“ hatten nämlich tatsächlich diese Getrenntschreibung so durchsetzen wollen, deutsche Lehrer hatten sie ihren „Versuchskaninchen“ zehn Jahre lang so zu vermitteln – von 1996 bis 2006. Aber seit der Rücknahme der dümmsten und unnötigsten RS-Regelungen gilt längst wieder die bewährte Zusammenschreibung seliggesprochen bzw. heiliggesprochen, und das immerhin seit 2006. Im alten Gotteslob war das noch einwandfrei geschrieben. Da meines Wissens Selig- und Heiligsprechungen eine „rein katholische Spezialangelegenheit“ sind, hätte sich zumindest das ja in den letzten sieben Jahren in „katholischen Schreibstuben“ eigentlich herumsprechen können, wenigstens in der „Chefetagenperipherie“.

Denn sie wissen nicht, was sie tun

Vielleicht hat man sich diesbezüglich auch unglücklicherweise an solchen Quellen orientiert, die selbst oft „keinen Bock auf Rechtschreibung“ haben, zum Beispiel bei der Tagesschau, der FAZ, der Welt, dem Spiegel, dem Focus, dem Handelsblatt, der WAZ oder der Rheinischen Post. Dabei gibt es durchaus auch Beispiele für eine vorbildliche Schreibweise. (Klicken Sie bei Interesse auf die roten Linkbereiche!)

Wie bei Sankt Martins Mantel

Hatte das Zerteiltwerden beim Mantel des heiligen Martin wenigstens einen Sinn und einen guten Zweck, so ereilte dasselbe Schicksal die folgenden bewährten deutschen Wörter völlig unnötig: heilighalten, seligpreisen, (sich) schwertun, wiedergutmachen, vorwärtsgehen, überhandnehmen. Im Gotteslob findet man die Wörter so zerteilt: heilig zu halten (S. 122), selig preist (S. 463), (sich) schwer tun (S. 691 und S. 923) , wieder gutmachen (S. 692), wieder gutzumachen (S. 693), vorwärts gehen (S. 911), überhand nehmen (S. 911). Auch diese Schreibweisen waren alle einmal von den Reformern auf die Schülerschaft losgelassen worden, aber eben nur bis 2006.

Zusammensetzungen mit vorbei werden nach wie vor immer zusammengeschrieben, also nicht (aneinander) vorbei leben (S. 923), sondern vorbeileben. Etwas anders verhält es sich mit der Schreibweise zuteil wird (S. 947 und S. 993). Die war früher so üblich und auch zunächst von der Reform nicht berührt worden, wurde aber 2006 mit Zusammenschreibungspflicht belegt: zuteilwird. Umgekehrt verhält sich's mit dem Verb ernstnehmen (S. 1055); dieses gibt's im Infinitiv nur in der getrennten Form ernst nehmen.

Der Klassiker

Natürlich darf er auch im neuen GL nicht fehlen, der (ebenfalls neue) Klassiker unter den Folgeschäden der Rechtschreibreform: die Verwechslung von das (Relativpronomen) und dass (Konjunktion). Da heißt es auf der Seite 123: In dem Land, dass der Herr, dein Gott, dir gibt.

Auch die Grammatik darf mal „dran glauben“

Nahe des Ortes Schöppingen liest man auf der Seite 1041. Ein relativ neues Phänomen, besonders beliebt in „bildungsnäheren Schichten“: die „artfremde Haltung“ des Genitivs dort, wo er eigentlich nichts zu suchen hat (Motto: „Der Genitiv ist des Dativs Tod“). Und die Seite 1045 erzählt von Fußwallfahrten mit um die 8000 Pilger; hier wäre den Pilgern in der nächsten Auflage eine gebeugte Form zu gönnen. Rein grammatisch, versteht sich.

Die Großen werden die Kleinen sein ...

Was spricht eigentlich bei Miteinander Teilen (S. 29) gegen eine Kleinschreibung des Verbs? Sehr eigentümlich sind die Großschreibungen in gib mich ganz zu Eigen dir (S. 58) und macht sie sich zu Eigen (S. 628). In dem Satz Alle Menschen, Groß und Klein, sollen dir befohlen sein (S. 73) schreibt man besser nur die Menschen groß. An dem Fehler in Heimatlosigkeit um Christi Willen (S. 966) könnte u. a. die ARD-Fernsehserie „Um Himmels Willen“ schuld sein. Dort hat man sich für die Beibehaltung der (falschen) Großschreibung Willen entschieden, nachdem man schon viele Publikationen so herausgebracht hatte. Ich hoffe, beim Gotteslob folgt man diesem Beispiel nicht.

Dies und das

Die Aufforderung zur Einnahme einer typisch katholischen Bethaltung liest sich so (S. 341, Lied 250, Strophe 5): Lasst uns betend vor ihm knieen. Besser kniet sich's freilich mit einem e weniger. Neues Lied, neuer Fehler (S. 485, Lied 427, Strophe 1): Du öffnest deines Himmelstor. Ohne diese Torheit hieße es deines Himmels Tor.

Auf Seite 1040 wird aus der St.-Georg-Kirche unserer Nachbarstadt Bocholt eine schreibungsverhunzte St. Georgskirche. So könnte man allenfalls schreiben, wenn die Kirche (das Gebäude) heilig wäre. Wenn von Wallfahrtsorten die Rede ist, die von einzelnen oder auch in Gemeinschaft aufgesucht werden (S. 1039) oder von Pilgern, die als einzelne oder in kleinen Gruppen (S. 1040) kommen, dann verlangt die neue Rechtschreibung (wenn man sie denn anwenden möchte) die Großschreibung von Einzelne.

Der Teufel steckt (auch) im Detail

Die neuen Rechtschreibregeln fordern in dem Satz „Der Friede sei mit euch!“ sagte er (S. 400) hinter den Gänsefüßchen oben und dem Ausrufezeichen zusätzlich noch ein Komma. Ich halte diese Regel für vollkommen überflüssig. Für so überflüssig wie die gesamte Reform. Wenn man aber beabsichtigt, komplett nach den reformierten Regeln zu schreiben (möchte man das?), dann gehört selbst dieses Komma in die nächste Druckauflage.

Und einige weitere Änderungen.

PS: Um arbeitslose Fehlerteufelchen braucht man sich nicht zu sorgen, die finden immer schnell wieder einen neuen Job. ;-)

[Nachtrag vom 5. Januar 2014: Ich habe die hier vorliegende Betrachtung einige Tage nach dem ersten (groben) Durchlesen des Buches geschrieben, die Übersicht der Fundstellen erhebt also bei weitem nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Aufmerksame Leser finden bei genauerem Hinsehen eine Reihe weiterer Schreibfehler und seltsamer Schreibungen. Zwei besondere „Baustellen“ hätten noch je eine besondere Betrachtung verdient, weil sie jeweils in sich inkonsequent gehandhabt wurden, nämlich a) die Verwendung des Eszett im Zusammenhang mit Versalien und b) die Vermischung verschiedener Akkordbezeichnungsweisen im Liederbereich.]

Autor:

Theo Grunden aus Hamminkeln

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