Postprozess - Angeklagter schweigt – Langwierige Beweisaufnahme

Das Schöffengericht unter der Leitung von Richter Kimmeskamp (2.v.re.), dem Angeklagten (li.) und seinem Strafverteidiger, Rechtsanwalt Fleig.
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  • Das Schöffengericht unter der Leitung von Richter Kimmeskamp (2.v.re.), dem Angeklagten (li.) und seinem Strafverteidiger, Rechtsanwalt Fleig.
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Vor dem Schöffengericht in Hattingen begann heute der Postprozess. Ein 44 Jahre alter Angeklagter aus Castrop-Rauxel wurde aus der JVA Essen vorgeführt. Er ist angeklagt, im Zeitraum Oktober bis Dezember 2016 in 34 Fällen ihm anvertraute Post- und Paketsendungen unbefugt geöffnet und unterschlagen zu haben. Der Angeklagte war in dieser Zeit Mitarbeiter eines Unter-Sub-Unternehmens der Deutschen Post.

Genauer Schaden kann nicht beziffert werden
Staatsanwältin Erl gab den durch den Angeklagten verursachten Schaden bei den 1.000 unterschlagenen Briefen mit eintausend Euro, bei den vierzig unterschlagenen Paketen mit 8.500 Euro an. Da oftmals der Weihnachtsbriefpost auch Geldscheine beigefügt werden, wird der tatsächliche Schaden deutlich höher ausgefallen sein. Unter den verloren gegangenen Briefen waren auch Hochzeitseinladungen, Gerichtssendungen und Geschäftspost.

Der Sicherheitsbeauftragte der Deutschen Post bezifferte den Schaden von 184 verloren gegangenen Paketsendungen im Zeitraum Oktober bis Dezember 2016 für den Bereich Hattingen und Essen für die Post mit 26.622 Euro. Zu dieser Zeit und in diesen Bezirken soll laut Zeugenaussage der Angeklagte für den Transport von Briefen und Paketen zuständig gewesen sein.

Angeklagter schweigt
Direkt nach Feststellung der Personalien des Angeklagten ließ dieser über seinen Strafverteidiger, Rechtsanwalt Fleig, erklären, dass er nicht aussagen werde und von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache. Jetzt muss das Schöffengericht in den nächsten Wochen und Monaten in eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme eintreten. Zahlreiche weitere Zeugen und Geschädigte müssen geladen und vernommen werden.

Ordnungsgeld oder Ordnungshaft
Gegen einen zum ersten Termin geladenen und unentschuldigt fehlenden Zeugen wurde direkt zu Beginn der Hauptverhandlung ein Ordnungsgeld von 300 Euro, ersatzweise 3 Tage Ordnungshaft verhängt.

Am ersten Prozesstag wurden die Arbeitsabläufe bei der Annahme und beim Weitertransport von Briefen und Paketen geschildert. Hierbei erläuterten Zeugen das durch die Post vorgegebene Kontrollgefüge für die Mitarbeiter ihrer Sub-Unternehmen. Die einzelnen Kontrollen bei der Briefkastenleerung und bei der Abholung bei Servicestellen, beim Weitertransport und bei der Ablieferung der anvertrauten Briefe und Pakete erscheinen recht lasch gehändelt zu werden.

Zumindest, so ein Zeuge, machen es die Mitbewerber in dieser Hinsicht lückenloser, nachweisbarer und somit besser. Der Mitarbeiter der Deutschen Post wiederum sagte, ein genaueres Kontrollverfahren wäre bei dem Mengenvolumen gar nicht möglich.

Er bestätigte auch eine hohe Mitarbeiter-Fluktuation bei den Sub-Unternehmen. Die Post hätte vertraglich geregelt, welche Pflichten ein Subunternehmer vor Beauftragung eines Unter-Sub-Unternehmens und der Beschäftigung von Mitarbeitern zu beachten hätte. Dazu gehört auch die Einreichung und Kontrolle eines polizeilichen Führungszeugnisses, bevor ein Dienstausweis der Deutschen Post ausgestellt wird. Soweit die Theorie. Laut Zeugenaussagen soll es in der Praxis oft anders ausgesehen haben.

Geschädigte sagten aus
Zwei Geschädigte berichteten von ihren Verlusten. Obwohl eine Hattingerin zwei von ihr bestellte iphones nachweislich nicht erhalten hatte, bekam sie bereits kurze Zeit später im Auftrag des Mobilfunkanbieters eine Zahlungsaufforderung eines Inkassounternehmens. Erst mit Hilfe der Kriminalpolizei kam sie aus diesem Kreislauf wieder heraus.

Eine Hattinger Geschäftsfrau vermisste die von ihr versandten Unterlagen an ihren Steuerberater. Dieser Umschlag soll später in einem Waldstück aufgefunden worden sein. „Da hatte ich schon mit großem Aufwand alle verloren gegangenen Unterlagen nacherstellen lassen“, sagte diese als Zeugin aus.

Bei dem Angeklagten wurde eine Wohnungsdurchsuchung vorgenommen. Hierbei wurden diverse Waren sichergestellt. Auf dem Dachboden wurde eine leere Postkiste vorgefunden. Das Gericht versuchte, die dort aufgefundenen Waren den angezeigten Verlustsendungen zuzuordnen.

Nachdem der Angeklagte seine Tätigkeit bei dem Unter-Sub-Unternehmen ganz plötzlich Ende Dezember 2016 beendet hatte, hörten die Verlustanzeigen von Briefen und Paketen, so der Sicherheitsbeauftragte der Deutschen Post, schlagartig auf.

Verfahren wird fortgesetzt
Bei der Fortsetzung des Verfahrens am 22. März 2018 soll geklärt werden, ob der Unter-Sub-Unternehmer den Angeklagten Posttouren fahren ließ, bevor dieser sein polizeiliches Führungszeugnis vorlegte und bevor er einen Dienstausweis und Dienstkleidung der Deutschen Post erhielt.

Am Ende des zweistündigen ersten Verhandlungstages wurde der Angeklagte wieder an die JVA Essen überstellt.

Autor:

Hans-Georg Höffken aus Hattingen

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