Eine Geschichte zum Dreikönigstag

...Auch die alte Mutter Rachel hatte sich auf den Weg zur Krippe gemacht.Drei ihrer Söhne begleiteten sie. Das waren Simon,der Schmiedegeselle,Lazarus,den Boden bearbeitete und Andreas,der noch zur Schule ging.Sie hatte noch einen älteren Sohn,Josef;aus erster Ehe.Er wäre auch gerne mit zur Krippe gegangen,aber seine Mutter hatte ihn angewiesen zu Hause zu bleiben,weil er,nicht mehr gut zu Fuss,sie nur aufhalten würde.Seine Brüder wollten ihn auch nicht dabei haben,weil er zu den Reichen gehörte."Jesus braucht keinen Reichen." hatten sie ihn belehrt.Sie verspotteten ihren Bruder so oft sie ihn sahen als den "Protz".Dabei lebte er,wenn er auch durch viel Arbeit viel zusammengespart hatte,ganz bescheiden und still in seiner Wohnung und wagte keine grossen Ausgaben.Er hatte wohl das Familienhaus wiederaufgebaut,hielt es instand und hatte der Mutter ermöglicht die Brüder gut gross zuziehen.Deshalb hassten ihn seine Brüder.Sie wollten nicht von ihm abhängig sein,waren aber auch nicht in der Lage auf seine Hilfe verzichten.Auch für die lange Reise hatte Josef bereitwillig alles gegeben,was seine Mutter von ihm erbeten hatte.Nahrung,einen guten Mantel für Simon und gute Schuhe für Lazarus.Seine allerbesten Sachen hatten sie bekommen.Als die anderen aufbrachen,zog er noch einen goldenen Ring vom Finger. "Hier,Bruder Andreas,bringe ihn Jesus als Geschenk.""Nein!"hatte der entgegnet,"Dein Gold ist vor dem neuen Herrn nichts wert!""Das ist wahr."hatte Josef demütig zugestimmt."Dann behalte ihn für dich und nimm Jesus nur mein Herz mit,damit er sich meiner erbarme.""Sein Herz!Er hat ein Herz!Der Protz hat ein Herz!Das Herz eines Reichen.Ein Protzenherz!Herrlich!" hatten sie gelacht.Dann waren sie losgezogen.

In Bethlehem am Stall begrüssten sich Mutter Rachel und Maria.Sie kannten sich seit langem.Maria vermisste den fehlenden Sohn und erkundigte sich nach ihm."Ach der Protz." meinten die Brüder." Ich weiss nicht wer Protz ist,aber ich kenne Josef.Warum ist er nicht gekommen?" "Reiche gehören hier nicht hin!" waren sich die Brüder einig."Und er hätte auch nicht mit uns Schritt halten können.Wir wollten nicht verspätet ankommen.Doch schau diese drei.Sind sie nicht jung und stark,ein Bild des Mutes?O,gewiss,wir werden mit diesen Burschen schon etwas Gutes zuwege bringen!"sagte Mutter Rachel.

Maria hob ihr Kind aus der Krippe und setzte es auf ihre Knie.

"Nun betet ihn an!" forderte Mutter Rachel ihre Söhne auf.Die drei Brüder warfen sich nieder.

"Heil dir,Gott der Armen!"sagte Simon."Ich opfere dir mit meiner Sichel die Nöte der vier Jahreszeiten."
"Heil dir,Gott der Armen!"sagte Lazarus."Ich opfere dir mit meinem Hammer die Müdigkeit einer ganzen Arbeiterwoche."
"Heil dir,König der neuen Zeiten!"sagte Andreas."Ich bin jener,der in deinem Namen die ungerechte Stadt zerstören wird,um dein Reich aufzurichten,das da nicht ist,und ich opfere dir mit meinem Buch den glühenden Zorn all meiner Nächte."

Das Kind schaute nur,aber es freute sich nicht.

"Es findet keinen Gefallen an eureren Sachen.Etwas scheint dabei zu fehlen."sagte Maria.Und "Gib im doch lieber deinen Mantel,Lazarus.Gib ihm doch deine Schuhe,Simon.Gib ihm doch deinen Ring,Andreas."

Als diese Dinge vor ihm lagen lachte das Kind und streckte die Hände danach aus.

Und Maria sagte leise
"Ich danke dir,Mutter Rachel,und ich danke deinen Söhnen,dass sie meinem Sohn Geschenke solcher Liebe gebracht haben.Und sagt Josef Dank und Segen dafür.Denn mehr Liebe ist in einem dieser sonntäglichen Kleidungsstücke als im Schweiss eines ganzen Lebens,wenn die Galle des Herzens dareingemischt ist.
Lebt wohl,Simon,Lazarus,Andreas.Denkt daran.Was nützt es dem Armen,arm zu sein,wenn er dabei die Liebe verliert?

In Erinnerung an eine liebe Nachbarin.
In einem Buch von ihr habe ich diese Geschichte gefunden.

"Weihnachten des verschämten Reichen" / Maria Noel ist ursprünglich erschienen im Lambertusverlag.Hier von mir zusammengefasst,einzelne Formulierungen,die wörtliche Rede grösstenteils,wurden übernommen.

Autor:

Silvia Eisold aus Lünen

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