Integration und Migration: „Ich erlebe hier eine Willkommenskultur“

Stephanie Rohde: „Das Beherrschen der deutschen Sprache bedeutet Arbeitsmarktzugang."
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Eine erfolgreiche Integration und Akzeptanz von Zuwanderern und Flüchtlingen in Deutschland stellen in Anbetracht des Aufkeimens fremdenfeindlicher Bewegungen große Herausforderungen dar. Stephanie Rohde, Leiterin des Fachdienstes Integration und Migration des Caritas-Verbandes Witten, spricht über ihre Erfahrung mit integrationswilligen Migranten, dem Spracherwerb als zentralen Baustein der Integration und ihre Haltung zur Pegida.

Im ursprünglichen Leitantragsentwurf „Bildung - Integration - Migration“ der CSU zum Parteitag im Dezember hieß es „Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie Deutsch zu sprechen.“ Es hagelte viel Kritik, woraufhin die CSU ihre Forderung abschwächte. Wie stehen Sie zur ursprünglichen Formulierung des CSU-Leitantrags?

Stephanie Rohde: Wer Integration als Assimilation versteht, der stülpt gerne etwas über. Als Migrationsdienst stehen wir dafür, dass Kulturen gewahrt werden und dass Menschen in ihren Familien teilweise auch ihre Muttersprache sprechen. Ihnen fällt es leichter, in dieser Gefühle auszudrücken. Ich denke nicht, dass es möglich ist, das einer Familie aufzudrücken. Die andere Seite ist, dass der Spracherwerb der wichtigste Baustein zur Integration in der Gesellschaft ist. Es müssen Anreize geschaffen werden, dass man von sich aus ein Interesse daran hat, den Spracherwerb voranzutreiben.

Der Fachdienst Integration und Migration bietet Deutschkurse für Ausländer an. Wie werden diese praktiziert?

Wir haben Honorardozenten gewonnen, die Deutsch als Fremdsprache studiert haben. Die Menschen, mit denen ich es zu tun habe, sind integrationswillige Menschen. Sie haben ein großes Interesse daran, die Sprache zu erwerben. Das verdient Anerkennung. Die, die ausschließlich ihre Kultur praktizieren und ihre Sprache sprechen, erlebe ich nicht.

Werden die Migranten in Ihren Kursen auch dazu motiviert, zu Hause in der Familie Deutsch zu sprechen?

Die deutsche Sprache lernt sich nicht im Frontalunterricht. Die Teilnehmer bekommen auch kleine Hausaufgaben. Die Personen, die wirklich nur im Unterricht sprechen, erwerben die Sprache sehr viel langsamer. Es muss Gelegenheiten geben, damit die Sprache auch außerhalb familiärer Zusammenhänge Anwendung findet. Wir stehen für viele ehrenamtliche Projekte wie das Projekt Integrationslotsen, in denen wir Menschen ohne und mit Migrationshintergrund zusammenbringen. Ein neues Projekt in diesem Jahr ist das Sprachcafé Babilingua.

Wie extrem stellen fehlende Deutschkenntnisse bei Wittener Migranten Hindernisse bei der Arbeitssuche dar?

Das Beherrschen der deutschen Sprache bedeutet Arbeitsmarktzugang. Wir versuchen diese Menschen über das Instrument 1,50 Euro-Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigungen in Einrichtungen zu vermitteln. Das gelingt uns mit einem Prozentsatz von zirka zehn Prozent. Im Arbeitsleben wird auch der Spracherwerb vorangetrieben.

Ziel und Aufgabe der Integrationsagentur ist mitunter die Förderung der Antidiskriminierungsarbeit. Welche Haltung haben Sie zur fremdenfeindlichen Protestbewegung Pegida?

Grundsätzlich verfolgen wir hier einen Diversity-Ansatz, einen Ansatz von Vielfalt und Vielfalt ist Normalität. Wir stehen diesen Bewegungen sehr kritisch gegenüber. Wir nutzen die Potenziale von Migranten, um sie gesamtgesellschaftlich einzubringen. Ich erlebe diese Ausländerfeindlichkeit in Witten nicht. Die Migranten selbst sind so dankbar, hier eine friedvolle Heimat zu finden. Wir bieten immer wieder Schulungen zur interkulturellen Öffnung an und sensibilisieren.

Die Pegida findet in vielen Städten Nachahmer. Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass Anhänger fremdenfeindlicher Bewegungen, wie Neonazis, in Witten aktiv werden?

Solche Bewegungen und Gruppierungen gibt es immer. Die Frage ist, ob sie hier aufkeimen und Nahrung finden, um groß zu werden. Ich erlebe hier eine Willkommenskultur. Wir Fachdienststellen sind alle entsprechend geschult, sodass wir deeskalierend auf aufkeimenden Bewegungen eingehen könnten. In der Beratung hat uns noch niemand von solchen Diskriminierungen berichtet.

Wie sieht die Antidiskriminierungsarbeit der Integrationsagentur aus?

Wir arbeiten sehr eng mit ARIC-NRW, das Antidiskriminierungsarbeit macht und spezielle Trainer ausbildet, zusammen und laden bei Bedarf Trainer ein. In diesem Jahr werden wir ein Selbstbehauptungstraining anbieten, in dem es darum geht, im Falle von Fremdenfeindlichkeit gewaltpräventiv und deeskalierend agieren zu können. In Witten sind viele gute Dinge auf den Weg gebracht worden, die ein friedvolles und respektvolles Miteinander möglich machen.

Autor:

Lisa Engelke aus Witten

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