Diesseits vom Paradies - Leif Randt ist mit dem Düsseldorfer Literaturpreis ausgezeichnet worden

Leif Randt erhielt den Düsseldorfer Literaturpreis für seinen Roman „Schimmernder Dunst über Coby County“.Foto: Siegel
  • Leif Randt erhielt den Düsseldorfer Literaturpreis für seinen Roman „Schimmernder Dunst über Coby County“.Foto: Siegel
  • hochgeladen von Sascha Ruczinski

Vergangene Woche wurde der Düsseldorfer Literaturpreis an Leif Randt verliehen. Dass die Wahl auf den 28-Jährigen fiel, ist keine Überraschung. Sein Roman „Schimmernder Dunst über Coby County“ machte den Autoren letztes Jahr zum Liebling der Feuilletons.
Was ist junge, deutsche Gegenwartsliteratur? Wie klingt sie? Welches ist ihr Gesicht? Der offen zur Schau getragene Hedonismus der Pop-Literaten Ende der 90er Jahre hat vorgeführt, das die Zeiten für Bücher mit Tiefgang und bleibendem Wert vorbei sind.
Rund zehn Jahre später ist lediglich die Ikonographie ihrer Autoren geblieben: in den Klischee gewordenen Gesten eines Christian Kracht oder Benjamin von Stuckrad-Barre. Deren Übervater Rainald Goetz schreibt Bücher mit Titeln wie „Loslabern“.
Umso bemerkenswerter, dass Leif Randt, Autor von „Schimmernder Dunst über Coby County“, ausgerechnet Christian Kracht und Rainald Goetz nennt, wenn es um Schriftsteller geht, deren Bücher er liest. Mit seinem Buch hat er die beiden weit hinter sich gelassen.
Coby County, jener fiktive Ort, in dem Randts Protagonist Wim Endersson als Literaturagent arbeitet, ist die Wirklichkeit gewordene Utopie eines postideologischen Paradieses, dessen Bewohner vorwiegend jung sind, in Eiscafés sitzen, Cocktails trinken und in Konzeptgastronomien essen.
Sie studieren oder arbeiten in gut bezahlten Jobs, sie sind „smart“ und „soft“, ihre Beziehungen sind rational durchdacht und lassen keine wirkliche Nähe zu. Da macht es auch nichts, dass Carla mit Wim per SMS Schluss macht: „Vielmehr ist diese SMS, die mich nun etwas fahl auf die Straße hinausblicken lässt, die Folge einer wahrscheinlich klugen Sachentscheidung, kitschlos und individuell.“ Die neue Freundin heißt ebenfalls Carla: Zeichen einer schmerzlosen Austauschbarkeit.
Hinter der seichten Oberfläche von Coby County gibt es nichts zu entdecken. Diese Oberfläche, ein Leben in der permanenten Uneigentlichkeit, ist die Wirklichkeit selbst. Das ist die erschreckende Erkenntnis aus der Lektüre des Buches.
„Ich betreibe kein Bashing der westlichen Wohlstandsgesellschaft, ich bin ja ein Teil davon“, schildert Randt. Eine überraschende Aussage, so gnadenlos wie unserer Gesellschaft der Spiegel vorgehalten wird. So unwirklich Coby County auch wirkt, es ist die übersteigerte Quintessenz einer Zeit, in der die fortschreitende Uniformität unserer Innenstädte klaglos hingenommen wird, in der der Traum von Individualität multimedial fremdbestimmt wird.
„Ich hatte mediale Orte im Kopf, ein Patchwork aus Orten, die ich kennengelernt oder auch nur im Fernsehen gesehen habe“, schildert der Autor, wie er das Bild des Ortes Coby County gezeichnet hat. In dieser Welt ist kein Platz für das Tragische. Dennoch scheint Wim Endersson näher an Amory Blaine, dem Helden aus F. Scott Fitzgeralds „Diesseits vom Paradies“, zu sein als an den Protagonisten der Pop-Literaten. Möglich also, dass Randt mit „Schimmernder Dunst über Coby County“ ein Buch geschrieben hat, das bleiben wird.

Autor:

Sascha Ruczinski aus Schwelm

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