Stonn oder jonn?

Gedanken um tausend Füße

Es ist eine sternenklare Nacht, eine von diesen, in der die Temperatur in dieser niemals müden Stadt ein Gefühl von Winter vermittelt.

Wir stehen an ausgesuchter Stelle und schauen auf den großen Fluss, schweigsam zunächst. Die Lichter der Stadt vermischen sich mit dem Glitzern der Sterne in dem Gekräusel auf dem Wasser. Es ist einer dieser Atemlosigkeits-Momente.

Und ich höre eine Art Stoßseufzer:

„Ich liebe diese Stadt.“
„Hmhm.“
Niemals bekäme mich ein Mensch von hier weg, ich liebe diese Stadt.“
„Yep, ich auch.“

Wir schauen andächtig auf die Schiffe, die da langsam ihren Weg durch das Wasser suchen. Obwohl es hier nie richtig still wird, ist es doch irgendwie ruhig. Eine Ruhe, die wohl von der Kulisse auf den Menschen übergeht.
„Was hältst du denn davon, dass der Tausendfüßler weg soll?“
„Das ist mir so was von scheißegal, es bleibt meine Stadt.“
.
.
.
„Weißt du noch, als hier die Autos lang rauschten“, fragst du mich.
Ein leises Nicken nur.
„Mensch, wie oft habe ich hier im Stau gestanden, aber es hat mir gar nichts ausgemacht, ich hab dann immer auf den Rhein geschaut.
Und heute? Heute fahren die Autos da unten lang und wir haben hier so was wie eine Promenade und können hier stehen, ganz in Ruhe und auf das Wasser gucken.“

Ja, da hast du so was von Recht!

Und ich denke daran, dass ich letztens eine Unterschrift geleistet habe, gegen den Abriss des Tausendfüßlers. Aus lauter Nostalgie. Oft habe ich darunter gestanden und auf eine Bahn gewartet. Oft bin ich schon drüber gefahren und fand das ein super Gefühl, über so eine Hochstraße zu gondeln und mir das Gewühl von oben anzuschauen.

Letztendlich ist dieses überdimensionierte Stück Beton ziemlich hässlich. Ein Relikt aus den 60er-Jahren. Damals war es „hip“ die amerikanischen Highways in die Stadt zu holen und der Masse an zunehmendem Verkehr Herr zu werden. Ja, das war damals. Aber ist das heute noch zeitgemäß?

Die Stadt erstickt in Abgasen und wäre es da nicht logisch, die Blechlawinen unter die Erde zu versenken und den Menschen oberhalb ein bisschen mehr Grün und Lebensqualität zu schenken?

„Es ist und bleibt meine Stadt!“

Und doch ist da die Nostalgie. Als das Rheinstadion abgerissen wurde, hatte ich wochenlang so eine Staats-Stadt-Trauer für mich selbst anberaumt. Zu viel hatte ich in dieser Betonschüssel erlebt, die zugegebenermaßen auch nicht wirklich schön und total zugig war. Aber es war ein Stück Stadtgeschichte und jetzt gibt es da diese Arena, ja, unglaublich in ihren Ausmaßen und supermodern.

Und so ist das auch mit den tausend Füßen der Stadt: sie gehören für mich zum Stadtbild dazu. Ja, es geht auch ohne und sicher wäre ein Abriss zeitgemäßer.

Aber egal, was passiert:

„Es ist und bleibt meine Stadt.“

Autor:

Annette Kallweit aus Düsseldorf

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