Nahtod-Erfahrung

„Endloses Bewusstsein – Neue medizinische Fakten zur Nahtoderfahrung“

Wer eine Nahttoderfahrung überlebt hat, erfährt meist eine andere Sicht auf Leben und Sterben. Diese subjektive, tiefe Sinnerfahrung und die Konsequenzen daraus, z.B. auf das Welt- und Menschenbild, auf das Geist- und Gottesbild, ja auf den Sinn seines Lebens stehen dem Betroffenen zu, dürfen ihm nicht abgesprochen werden.
Auch über 30 Jahre Forschung und internationale wissenschaftliche Untersuchungen zur Erklärung und Deutung des Phänomens Nahtod (NT) haben keine zufriedenstellenden Antworten gebracht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Nahtoderfahrungen kontrovers diskutiert werden. Das macht das Thema aber auch spannend.
Wohl deshalb besuchten so unerwartet viele Zuhörer den Vortrag, zu dem die VHS Bocholt am 2. März den Kardiologen Willem van Lommel, Mitbegründer der niederländischen Sektion der International Assoziation for Near-Death Studies, und Alois Serwaty, Vorsitzender des Netzwerks Nahtoderfahrung e.V., gewinnen konnte.
Van Lommel konnte jedoch das postulierte „endlose Bewusstsein“ durch seine vorgelegten medizinischen Fakten weder im naturwissenschaftlichen, noch im philosophischen Anspruch überzeugend belegen. Vielleicht lag es an der flachen Darstellung der bisherigen Ergebnisse und der biederen Präsentationstechnik. Im Anschluss trug dafür Serwaty mit klaren Worten, ohne künstliches Pathos sein eigenes Nahtoderlebnis vor. Das Highlight der Veranstaltung. Out-of-Body Situationen als Sonderform von NT-Erlebnissen werden von kritischen Geistern schnell als Halluzination abgeurteilt oder ins Reich der Fantasy verworfen. Serwaty gelang es die Glaubwürdigkeit seines Fallberichtes nicht in Frage zu stellen. Leider wurden Van Lommels Argumente zur Existenz eines „endlosen Bewusstseins“ gar „kosmischen Bewusstseins“ über den diagnostizierten Hirntod hinaus, von einigen wenigen sogar falsch verstanden als Skepsis oder gar Ablehnung von Organspenden, wie die nachfolgenden sehr einseitigen Diskussionsbeiträge zeigten. Mit van Lommels Thesen wurde so hart ins Gericht gegangen, dass den anderen Zuhörern, auch solchen mit eigenen NT-Erlebnissen, wohl der Mut fehlte, weitere Fragen zu philosophischen, theologischen oder naturwissenschaftlichen Reflexionen zu stellen. Das kann nachgeholt oder vertieft werden in der diesbezüglichen Literatur wie: „Nahtod und Transzendenz – Eine Annäherung aus Wissenschaft und Erfahrung“, Hrsg. A. Serwaty u. J. Nicolay, Santiago Verlag, Goch, 2007 oder „Nahtod-Erfahrung – Neue Wege der Forschung“, Hrsg. A. Serwaty u. J. Nicolay, Santiago Verlag, Goch, 2009. Dort kann auch der Frage nach dem theologischen, spirituellen und ethischen Stellenwert von NT-Erfahrungen nachgegangen werden.
Dr. Gerald Kaliwoda

Nachfolgend eine literarische Aufarbeitung einer Nahtoderfahrung:

„ … Ich merkte, wie ich vor Entsetzen rot anlief. Mit der letzten freien Luft quetschte ich noch ein „Entschuldigung“ heraus und stürmte vom Stuhl los durch den Gastraum, die Serviette vor den Mund haltend zur Toilette. Im Flur sah ich ein Haustelefon. Über ihm hing ein Kreuz. Ich stutzte kurz, ob es noch Sinn machte, einen Arzt anzufordern. Aber es wurde mir bewusst, dass ich bis zu dessen Eintreffen bereits erstickt sein musste.
Ich warf mich in der Toilette über die Schüssel und steckte den Finger in den Mund bis tief in Richtung Kehlkopf. So hatte ich schon oft Erbrechen ausgelöst, wenn ich mich erleichtern wollte. Es half nichts. Ich sprang in den Vorraum zum Wasserbecken. Im Spiegel sah ich in ein schreckgezeichnetes blau angelaufenes Gesicht. Eine Fratze des Todes. Ich wusste ich würde ersticken.
***
Ich hatte Abschied genommen von meinem irdischen Leben. Es war in Ordnung so. Ich verspürte eine Freude in mir, es war mir angenehm wohlig. Nicht zu kalt und nicht zu warm. Und ich genoss das Gefühl, Zeit und Raum zu überschreiten. Um mich war gleißend helles Licht. Es blendete nicht. Vielmehr war es mir Hoffnung, Verlangen, Zuversicht. Nicht das Licht am Ende eines Tunnels. Es gab keinen Tunnel, nur dieses hoffnungsvolle sanfte Licht. Es erfüllte den Raum um mich, etwas intensiver den Raum vor mir. Alles war gut. Es war nicht schlimm, dass ich starb. Ja das Wort sterben kam mir nicht in den Sinn. Auch der Begriff Tod stellte sich nicht ein. Mit Worten war die Situation, mein Empfinden nicht zu fassen. Diese glückselige Leichtigkeit, die einfältige Unbekümmertheit entspannte meine Rachenmuskulatur offensichtlich so wirksam, dass ich plötzlich die Gräte ganz locker aushusten konnte.
Die goldgleißende Helligkeit reduzierte sich wieder zum grellen Weiß der Wandfließen vor mir in der Toilette. Im Waschraum verweilte ich noch ein wenig, um mir der Situation bewusst zu werden.
Das Blau meiner Gesichtshaut war wieder dem Rot kraftvoll durchbluteter Haut gewichen. Ich kühlte mein Gesicht mit frischem Wasser.
Das Leben hatte mich wieder. Das Sterben hatte mir keine Angst gemacht.
***
Zurück im Gastraum blickten mich nur meine unmittelbaren Tischnachbarn fragend an, die anderen waren weiter mit Essen und Diskutieren beschäftigt. Offensichtlich war ich nicht zu lange in Waschraum und Toilette gewesen. Für all das Erlebte eine überraschend kurze Zeit…
Aus: Feste feiern, wohin sie fallen, Brono Woda, ImPrint Verlag, 2010, ISBN 978-3-936536-51-5

Autor:

Bruno Woda aus Emmerich am Rhein

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