Impftermine bekommen - der ganz normale Wahnsinn
Erfahrungsberichte zweier Emmericher über 80

Wohl dem, der ein Telefon mit Wahlwiederholung hat. Die Servicenummer, um einen Impftermin zu vereinbaren, war entweder belegt, nicht zu erreichen oder verkündete, es seien keine Termine vorhanden. | Foto: Christine Schönsteiner
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  • Wohl dem, der ein Telefon mit Wahlwiederholung hat. Die Servicenummer, um einen Impftermin zu vereinbaren, war entweder belegt, nicht zu erreichen oder verkündete, es seien keine Termine vorhanden.
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Von Christine Schönsteiner

Impftermine bekommen: Erfahrungsberichte zweier Emmericher über 80 Allein die Ankündigung, dass man als über 80-Jähriger am besten einen Impftermin online buchen solle, ist grenzwertig. Nicht alle Mitglieder dieser Altersgruppe verfügen über einen Computer und die dazu notwendigen Kenntnisse. Oder haben jemanden im Familien- oder Freundeskreis, der ihnen dabei helfen könnte. Also bleibt der Griff zum Telefon. Doch auch da gab es keine Erfolgsgeschichten zu vermelden.
Zwei für ihr Alter (beide sind 81 Jahre alt) noch rüstige Herren aus Emmerich und ausgestattet mit entsprechendem Internetzugang und den erforderlichen Computerkenntnissen, wagten die Odyssee und versuchten, einen Impftermin zu ergattern. Mit mäßigem beziehungsweise keinem Erfolg.
Hier die Schilderung von Hans Meier (Name von der Redaktion geändert). Er erzählt: „Eine nicht allzu üppige Menge Impfstoff wurde verfügbar, und es bestand die Übereinstimmung, dass zuerst die Bewohner und das Personal der Altenheime geimpft werden sollten, sodann die besonders gefährdete Gruppe der über Achtzigjährigen.
Schon vor ein paar Tagen war von früheren Klassenkameraden aus Dresden und Berlin zu vernehmen, dass sie Teil Eins der Impfung bereits hinter sich haben. Aber bei uns sollte am Montag, 25. Januar, überhaupt erst die Vergabe der Termine beginnen.
Nun ist man ja heute zum Glück nicht auf altertümliche Gadgets wie das Telefon angewiesen, denn es wurde auch eine Internet-Adresse angeboten. Weil ich die für eine E-Mail-Adresse hielt, begab ich mich bereits am 24. an den Computer und verfasste ein Mail mit allen wichtigen Angaben in der Absicht, es am folgenden Tag in aller Frühe abzuschicken.
Leider wurde ich gewahr, dass es sich nicht um eine E-Mail-, sondern um eine Internet-Adresse handelte, und auf der gelangte ich dann auch bis zu der Schaltfläche, die man anklicken musste, um die Terminvergabe zu starten. Ein ermutigender Teil-Erfolg. Klar dass ich, auf Pünktlichkeit seit über 80 Jahren trainiert, am 25. Januar bereits fünf Minuten vor der Zeit zur Stelle war und mutig auf die Schaltfläche klickte. Irgendwo am oberen Rand des Bildes erschien ein kleiner gepunkteter Klingel, der sich eifrig drehte und drehte, dann erschien ein kurzer Text: Die gewünschte Seite sei nicht erreichbar. In den folgenden Stunden quälte ich abwechselnd die Tasten des Telefons und die des Computers. Dass das mit dem Telefon nicht funktionieren konnte, hatte ich ja schon vorhergesehen, aber vom Internet hätte ich doch wirklich ein bisschen mehr erwartet als derlei Totalversagen.
So ging es dann am Dienstag und am Mittwoch weiter. Sowohl das Telefon als auch das Internet (von der Ansage, dass „zur Zeit keine Terminvergabe möglich“ sei über „Tut-tut-tut….“) informierten in verschiedenen Varianten, dass es eben nicht klappt. Von ein paar unvollständigen Kalenderblättern, mit denen man rein gar nichts anfangen konnte, auf dem anderen Gerät, ganz zu schweigen.
Nach dreitägigem Dauerfeuer ist es mir mit knapper Not gelungen, einen winzigen Moment zu erwischen, in dem die Technik mir meine Termine rausrückte, bevor wieder alles zusammenbrach. Der Moment reichte allerdings nicht, um mir auch die notwendigen zusätzlichen Dokumente zuzuspielen.

Hämische Kommentare der Gattin

Was schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass das schlaue Reservierungsprogramm einen Termin für meine Frau glatt verweigert. Falls es nun irgendwann und irgendwie doch noch klappt, dürfen wir dann vier Mal zum ehemaligen Schnellen Brüter gondeln.“
Ähnlich entnervend lief es bei seinem Freund Hermann Schneider (Name von der Redaktion geändert). Hermann S. ging davon aus, dass am 25. Januar alle Leitungen überlastet sein würden und begann seine Versuche, einen Impftermin zu bekommen, erst am 26. Januar.
Zuerst per Telefon. Entweder war belegt oder eine Computerstimme verkündete, es seien keine Termine zu vergeben. Die Internetseite war teilweise nicht erreichbar oder es gab die Auskunft, man solle doch versuchen, telefonisch einen Termin zu buchen. Welch ein Hohn.
Donnerstag abends dann der vermeintliche Durchbruch. Hermann S. gelang es, sich auf der Internetseite mit E-Mail Adresse und Passwort zu registrieren. Geduldig füllte er alle gekennzeichneten Flächen mit seinen Daten aus. Es erschien ein Button, der ihn dazu aufforderte, gedrückt zu werden, um einen Impftermin zu bekommen. Ein Mouse-Klick auf den Button: Systemabsturz. „Diese Seite ist vorübergehend nicht zu erreichen“, war die Meldung. Bei einem späteren Versuch wurde ihm nach Eingabe seiner Registrierungsdaten nur mitgeteilt: “Bestätigungstoken ist nicht bekannt“.
Auch Hermann S. fuhr zweigleisig. Immer wieder wählte er, unter den hämischen Kommentaren seiner Frau („Du glaubst doch nicht wirklich, dass du vor dem kommenden Herbst einen Termin bekommst“) die Servicenummer mit dem gleichen Erfolg, nämlich keinem.
Donnerstag Mittag sollte es endlich soweit sein. Ein echter Mensch (weibliche Stimme) nahm seinen Anruf entgegen, um nach kurzer Zeit in freundlichem Plauderton zu verkünden: “Wir haben leider keine Impftermine zur Verfügung, auch im März nicht.“ Also wieder Internet. Immerhin, Hermann S. schaffte es, Kalenderblätter zu sehen, auf denen alle Termine als nicht buchbar ausgewiesen wurden. Bis Mai.
Momentan ist er erst einmal bedient. Freunde in Bayern mussten lediglich eine Telefonnummer in ihrem Landkreis wählen, hatten sofort freundliche Mitarbeiter am Telefon, konnten sich telefonisch registrieren und werden schriftlich oder per Anruf über ihren Impftermin informiert.
Eine Bekannte in Großbritannien hat bereits ihre gesamte Impfung hinter sich...

Wohl dem, der ein Telefon mit Wahlwiederholung hat. Die Servicenummer, um einen Impftermin zu vereinbaren, war entweder belegt, nicht zu erreichen oder verkündete, es seien keine Termine vorhanden. | Foto: Christine Schönsteiner
Hermann S. hat es immerhin geschafft bis zur Terminvergabe zu gelangen. Doch dann die Enttäuschung: Alle Termine sind mit "noch nicht buchbar versehen". | Foto: Christine Schönsteiner
Autor:

Lokalkompass Emmerich aus Emmerich am Rhein

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