„Baum fällt!“ - Kettensägenkurs beim Waldfreund

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„Von Kettwig vor der Brücke aus in den Wald rein, dann immer den Berg hoch, dann siehst du uns schon!“ Sehen kann man sie, auch hören. „Baum fällt!“ Mit einem Mordskrach rauscht der stattliche Waldriese zu Boden, in respektvollem Abstand steht eine Gruppe Männer in Orange. Knallorange. „Kann gar nicht auffällig genug sein, unsere Schutzkleidung“, meint Fabian Wolff, der mit seiner Firma Waldfreund in den Werdener Toren an der Ruhrtalstraße beheimatet ist. Eines der Schreckgespenster der letzten Jahrzehnte war sicherlich das „Waldsterben“, welches die deutsche Seele sehr verängstigte. Wir Deutschen haben halt ein sehr spezielles Verhältnis zum Wald, selbst auf unserem Geld ist das Eichenlaub verewigt. Immerhin gibt es in Nordrhein-Westfalen rund 900.000 Hektar Wald, der bedeckt über ein Viertel unseres Bundeslandes. Große Waldflächen befinden sich in privater Hand. So auch das „Versuchsgelände“ oberhalb von Schloss Landsberg, wohin Wolff seine Kursteilnehmer zum Praxisteil bat. Essener Bürger dürfen in den städtischen Wäldern Holz für den Eigenverbrauch sammeln, wenn sie einen Holzsammelschein von der Forstverwaltung einholen. Ist Einsatz einer Motorsäge nötig, muss außerdem ein Sachkundenachweis vorgelegt werden. Die sogenannten „Selbstwerber“ müssen dafür einen Lehrgang zum Erwerb des Motorsägen-Führerscheins belegen. Das Mindestalter liegt bei 18 Jahren, mitgebracht werden muss eine vollständige Schutzausrüstung sowie eine eigene Motorsäge. Der zweitägige „Motorsägen-Grundkurs für Brennholzsammler“ beschäftigt sich in Theorie und Praxis mit dem Thema, der Freitagabend bot von 17 bis 21 Uhr Information satt. Mit Power Point und verschiedenen Filmsequenzen wurde über Sicherheitsmaßnahmen, Wartung einer Säge bis hin zum korrekten Baumfällen referiert. Auch die richtige Verwendung von Betriebsstoffen wurde gesprochen, so Fabian Wolff: „Der Einsatz von benzolfreiem Kraftstoff senkt die Abgasbelastung für den Arbeiter und die Umwelt erheblich!“ Am nächsten Morgen galt es zunächst, die Motorsäge zu reinigen, hier musste die Kette ordentlich geschmiert sowie die Zähne kontrolliert und eventuell geschärft werden.

Zur persönlichen Schutzkleidung für Forstwirte, der PSA-Forst, gehören:
Ein spezieller Schutzhelm in Warnfarbe mit Gesichts- und Gehörschutz, eine Arbeitsjacke und Schutzhandschuhe sind Pflicht, ebenso Sicherheitsschuhe mit griffiger Sohle, Zehen- und Knöchelschutz. Dem Schutz vor verheerenden Verletzungen dient auch das technische Highlight der Ausrüstung, die Schnittschutzhose, in die lange Kunststofffasern eingearbeitet sind. Bei Kontakt mit der laufenden Sägekette werden größere Bündel dieser Fasern aus der Hose herausgezogen, die sich um das Antriebsrad der Kettensäge wickeln und so in Bruchteilen von Sekunden zum Stillstand bringen. Markus Rotzal ist froh, dass kaum noch ein Unvernünftiger ungeschützt im Wald arbeitet: „Die Unfälle sind so um 90 Prozent zurück gegangen!“

Dann ging es „endlich“ in den Wald. Einfache Schneidübung und Fällen standen auf dem Programm. „Jeder fällt heute noch seinen Baum“, lautet die Ansage. Aber nicht irgendeinen Baum, der Kursleiter Markus Rotzal folgt dem Forstplan. Fabian Wolff erklärt: „Bei der so genannten Baumansprache wird gecheckt, wie der Baum steht, ob er Anzeichen von Stammfäule oder Borkenkäferbefall zeigt, in welche Richtung er fallen kann, ob die Windverhältnisse geeignet sind, welche Gefahren für Menschen, Straßenverkehr, Stromleitungen oder Gebäude zu beachten sind.“ Der Gefahrenbereich um den zu fällenden Baum herum hat einen Radius in zweifacher Baumlänge, größte Vorsicht ist beim Fällen fauler oder gefrorener Stämme sowie beim Durchtrennen gespannter Hölzer und gebogener Bäume geboten, sonst besteht Lebensgefahr.

Holz ist in Deutschland ein allgemein unterschätzter Wirtschaftsfaktor: Forstbetriebe, Holzwirtschaft, verarbeitende Industrie wie die Papiererzeuger oder das Druckgewerbe, aber auch Zulieferer geben mit rund 1,3 Millionen Beschäftigten mehr Menschen Arbeit als zum Beispiel die Automobilindustrie. Deutschland hat den größten Bestand an Holzvorrat in der Europäischen Union. Sogar mehr als Schweden. Doch es ist nicht genug. Fabian Wolff: „Unsere Ressourcen reichen nicht, es wird sogar Holz eingeführt. Raus geht nichts mehr, höchstens, um dann verarbeitet als zum Beispiel Zellstoff wieder nach Deutschland zurück zu kommen!“

Es wird gesägt, dass die Späne nur so fliegen. Dann steht eigentlich „Essen fassen“ auf dem Plan. Eigentlich. Denn bei der letzten Fällung ist ein Malheur passiert. Der Baum fiel nicht zu Boden, verhedderte sich in der Gabelung seines Nachbarn. So kann das natürlich nicht bleiben: „Jeder Baum muss vollständig zu Fall gebracht sein“, ist Markus Rotzal unerbittlich. Der 28jährige Baumpfleger führt Motorsägenkurse, aber auch Lehrgänge zum richtigen Umgang mit einer Sense durch: „Da kann man sich auch unglücklich machen!“ Rotzal arbeitet viel mit dem Naturschutzbund zusammen, der bundesweit rund 420.000 Mitglieder zählt. Beim NaBu hilft ihm seine pädagogische Ausbildung als Lehrer sehr, damit er gezielt die Zusammenhänge im „Biotop Wald“ an den Mann, die Frau und vor allem Kinder bringen kann. Hier setzt auch Fabian Wolff an, dessen Motto über dem Unternehmen prangt: „Natur bewahren und Zukunft sichern“. Der Waldfreund veranstaltet regelmäßig Aktionen für Jüngere, die Freude an der Natur erleben sollen. Da gibt es Waldwanderungen, Schnitzkurse, hier wird den Kindern gezeigt, wie man aus Naturmaterialien Besteck und Spielzeugfahrzeuge selbst herstellen kann. Von der Kastanien-Kunstaustellung wurde ein Kalender erstellt, von dessen Erlös drei Euro in die Kasse des Wildgatters Heissiwald wandern. Doch zurück zu den verhakten Bäumen. Ein Teilnehmer hat eine Seilwinde am Wagen, die schafft das. Unter lautem Getöse gehen beide Bäume in die Knie, ein beeindruckendes Schauspiel. Nun kann Rotzal seinen Schützlingen endlich ihre Mittagspause gönnen: Es gibt Grünkohl! Gemütlich stehen die Männer in Orange zusammen, einer trinkt genüsslich sein Bier. Moment mal, Bier? Der scheinbar Ertappte grinst nur: „Ist ohne Umdrehungen, Kollege. Alkohol und Kettensäge, das passt nicht zusammen!“ Für den nächsten Kurs gibt es schon Aspiranten, ein Teilnehmer will seinen Sohn und einen Freund schicken. Fabian Wolff muss schmunzeln: „Wir hatten sogar einen dabei, der hat sich nochmal angemeldet. Der fand das alles so toll…“

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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