Jüdisches Leben in Werden

Es war offenkundig ein Thema von besonderem Interesse, zu dem der Geschichts- und Kulturverein Werden am letzten Dienstag in die Aula des Gymnasiums eingeladen hatte. Eine große Zahl von Hörern erschien – und sie wurden nicht enttäuscht. Die Referentin Martina Strehlen, als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Alten Synagoge Essen verantwortlich für das Archiv der Gedenkstätte, bot einen kenntnisreichen Vortrag, den sie mit einer Fülle eindrucksvollen Materials bebilderte. Die Geschichte jüdischen Lebens in Werden begann erst am Anfang des 19. Jahrhunderts. Bis dahin hatten die Äbte als Landesherren die Ansiedlung von Juden auf ihrem Territorium verhindert. Handeln durften die Juden tagsüber, abends allerdings hatten sie das Ländle zu verlassen. Gehandelt wurde zunächst mit Vieh. Daher lag es nahe, dass der erste in Werden ansässige Jude, Juspa Herz, ein Metzger war. Sehr groß ist die Gemeinde nie geworden, mit ein paar reichen und vielen armen Familien, nie mehr als 80 Menschen. Zu einer eigenen Schule, zu einem eigenen Rabbiner reichte es nie. Wichtig war in erster Linie ein eigener Friedhof. Die ungestörte Totenruhe ist den Juden wichtig. So wurde bereits 1830 ein Grundstück oben am Pastoratsberg gekauft. Der Friedhof dort ist durch alle Stürme mit Verwüs-tungen und Fällen von Diebstahl erhalten geblieben. Derzeit wird er in einem Projekt unter Mitwirkung der Referentin wissenschaftlich bearbeitet.- Eine Synagoge ist für Juden jeder Raum, in dem eine Thorarolle Platz hat und an dem sich die Männer der Gemeinde treffen. Die sehr schlichten Räumlichkeiten vorn in der Heckstraße, die bis 1938 als Synagoge dienten, waren daher durch-
aus genügend.- Im weiteren Verlauf ihres Vortrags stellte die Referentin eine Vielzahl von Gebäuden in Werden vor, die mit jüdischem Leben verbunden sind. Sie begann mit der Rosenau am Pastoratsberg, einem Altenheim für jüdische Frauen. Im November 1938 verjagten die Machthaber die dort lebenden Frauen dann in ein "Judenhaus" in der Bungertstraße, von wo aus sie kurz vor Kriegsende deportiert wurden, um umgebracht zu werden. Die Rosenau ist heute in Privatbesitz. Ein anderes bedeutendes Bauwerk jüdischen Ursprungs ist die Villa Franzenshöhe, die von der Familie Hirschland bewohnt wurde. Hirschland war ein bedeutender Bankier in Essen. Die Villa wurde später an das Bistum Essen verkauft. Das Grundstück wurde dann für den Bau des Kardinal-Hengsbach-Hauses genutzt. Andere bedeutsame Häuser, die größtenteils heute noch existieren, sind das Eckhaus oben an der Wigstraße, das von der Familie Levi erbaut wurde. Vor diesem Haus, wie auch an anderen Stellen in der Stadt, sind Stolper-(Erinnerungs-)Steine in das Pflaster eingelassen. Eine für Werden besonders wichtige jüdische Familie waren die Simons, die am Klemensborn mit einem Textilhandel begannen. Leopold, der Sohn der Gründer, startete mit Wilhelm Döllken eine holzverarbeitende Firma, die weltweite Bedeutung erlangte. Nach einer Nachfahrin, Else Simon, wurde in Anerkennung ihrer vielen sozialen Aktivitäten die Straße Simonaue benannt. Der Name der Firma blieb, auch als Döllken sich aus dem Geschäft zurückzog.- Die Zuhörer waren mehr als beeindruckt, kannten sie doch viele der vorgestellten Bauten, ohne die Hintergründe zu kennen. Interessant, dass Frau Strehlen die Gelegenheit nutzte, das Auditorium, aber auch den Bürgerverein, um weiteres relevantes Material zu bitten. Die Zusage, ihren Vortrag für die nächste Ausgabe der "Geschichten aus der Werdener Geschichte" freizugeben, erteilte sie gern. Der Applaus war überaus anhaltend.

Autor:

Siegfried Rhein aus Essen-Werden

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