Sport und Philosophie: Judo beim WTB

Die Anfängergruppe der WTB-Judoka mit Stefan Koch (l.) und Jean-Claude Frère .
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  • Die Anfängergruppe der WTB-Judoka mit Stefan Koch (l.) und Jean-Claude Frère .
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„Als ich vor 15 Jahren zum WTB kam, war hier eher Kaffeeklatsch angesagt. Das war nicht mein Anspruch. Wenn schon Judo, dann richtig! Einige verließen daraufhin den Klub, dafür wurden viele Neue dazu gewonnen.“ Jean-Claude Frère wird bald schon 75 Jahre alt, aber das Funkeln in seinen Augen berichtet von einem durch seinen Sport jung gebliebenen Menschen. Seit 1971 steht Frère für Judo in Essen, zunächst beim großen Polizeisportverein: „Dort laufen auch jede Menge Dan-Träger rum, bei uns ist alles ein, zwei Nummer kleiner.“ Gewiss, drei Inhaber eines Meister-Grades („Dan“) sind überschaubar, aber gerade dies macht die Stärke der WTB-Judoka aus, denn zusammen mit Thierry Moreaux (1.Dan) und Stefan Koch (2.Dan) bildet Frère eine verschworene Gemeinschaft, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat, Judo auch in Werden populär zu machen. Das ist nicht so einfach, wie auch Stefan Koch berichten weiß: „Ein Beispiel. Zuletzt war die große Judo-Weltmeisterschaft in Tokio mit faszinierenden Kämpfen. In der deutschen Öffentlichkeit wurde sie jedoch totgeschwiegen, kein Fernsehbericht, nichts.“ So ist man dankbar für Aufmerksamkeit, profitierte stark von bejubelten Show-Auftritten an den beiden Aktionstagen des Sportverbundes Werden-Ruhr: „Das hat unseren Schülern Spaß gemacht, vor so viel Zuschauern auftreten zu dürfen!“ Frère und Koch haben es auch mit Anfängern zu tun, Kinder ab 5 Jahren, die sie in die Philosophie des „sanften Weges“, dies ist die wörtliche Übersetzung aus dem Japanischen, einweisen. Das wird auch gerne plakativ gestaltet. „Wie geht ein Judoka?“, fragt der weißhaarige Judo-Guru in die Runde, „schlendernd? Oder mehr tänzelnd? Nein, erklärt Frère den 15 förmlich an seinen Lippen hängenden Kindern, einen Judoka erkennt man direkt auf der Straße. Er geht etwas breitbeiniger, bewusster. „Und er kann ja nix dafür“, schmunzelt der Lehrer, „denn Zeit seines Lebens hat er gelernt, auf der Hut zu sein. Ein unvorsichtiger Schritt und der Gegner nutzt eure Kraft aus, um euch umzuwerfen!“ Die Demonstration eben dieses harmlos aussehenden Fußwischers, der im Grunde nur die schon vorhandene Bewegungsenergie nutzt und den Kontrahenten laut klatschend auf die „Tatami“ genannte Matte purzeln lässt, hat gesessen. Nun ist Nachmachen angesagt. Frère und Koch lassen ihre Weißgürtel, das Zeichen des Anfängers, üben, greifen stets freundlich, aber bestimmt ein. Denn Konzentration ist höchstes Gebot, wildes Herumbalgen ist völlig fehl am Platze. Nur so kann man mit geringem Kraftaufwand einen stärkeren Gegner besiegen.

Judo für Kinder
Gerade für Kinder ist Judo die ideale Sportart. Erfahrene Kinder- und Jugendtrainer sorgen dafür, dass Spiel und Spaß bei ihren Schützlingen im Vordergrund stehen. Die Kleinen können sich austoben und sind mit großem Eifer bei der Sache. Gürtelprüfungen und Wettkämpfe sorgen für Motivation und Erfolgserlebnisse. Niemand wird überfordert, die Trainer stellen sich auf jeden einzelnen der kleinen Judoka ein und fördern ihn individuell. Ganz nebenbei erzieht Judo die Kinder und Jugendlichen zu Fairness und Kameradschaftlichkeit und stärkt ihr Selbstbewusstsein.

Judo hat über den Sport hinaus auch eine Philosophie zur Persönlichkeitsentwicklung, das Grundprinzip der vollkommenen Kontrolle über Geist und Körper geht einher mit gegenseitigem Helfen und Verstehen. Beim Judo wird eben nicht gegeneinander, sondern miteinander trainiert. „Wir sehen unser Gegenüber nicht als Gegner, sondern als Partner. Der soll zwar besiegt, aber nicht verletzt oder gar vernichtet werden!“ Eines ist Jean-Claude Frère sehr wichtig, man muss auch verlieren lernen: „Wenn du gut gekämpft hast, sei zufrieden.“ Akzeptieren, dass der Andere besser ist, pfiffiger, gehört zum Geschäft. Deswegen lernen die jungen WTBler auch viel dazu, wenn sie an den Stadtmeisterschaften teilnehmen. Dort trifft man auf andere Judoka, kann sich messen und Erfahrungen sammeln.

Der Wettkampf
Ziel beim Judo ist es, den Gegner durch Anwenden einer Technik mit Kraft und Schnelligkeit kontrolliert auf den Rücken zu werfen. Gelingt dies, so ist der Kampf gewonnen. Der Kampf findet jedoch nicht ausschließlich im Stand statt, sondern geht auch am Boden weiter. Neben den Wurftechniken gibt es am Boden viele verschiedene Halte-, Armhebel- und auch Würgetechniken. Der Kampf kann auch erst nach Ende der Kampfzeit (fünf Minuten im Erwachsenenbereich, zwischen zwei und vier Minuten im Kinder- und Jugendsport) durch Wertungspunkte entschieden werden.

Bei den Fortgeschrittenen hat Stefan Koch seine liebe Mühe, so manchen „Schluffi“ zu verstärktem Engagement zu bewegen. Wie man dies schafft, ist für Koch jedoch kein Geheimnis. Er demonstriert die korrekte Technik, schont sich nicht, gibt alles: „Seht ihr, dass muss dynamischer sein, das geht viel flotter. Ihr müsst euch schinden, Jungs!“ Schweißgebadet, aber glücklich schaut Koch dann seinen Schülern zu, die nun wirklich viel ernsthafter und konzentrierter zur Sache gehen. „Sind alles liebe Kerle, aber es ist schwer, alle bei der Stange zu halten.“ Ist auch kein Zuckerschlecken, zwei bis drei intensive Trainingseinheiten in der Woche sind schon nötig, um die gewünschte Perfektion zu erreichen. Auch wollen die japanischen Bezeichnungen der Techniken wie etwa „O-goshi”, „Ko-soto-gari“ oder „Ura-nage“ gekonnt sein. Der höchste Grad für Schüler ist der 1. Kyu, Noemi Vollmer und Hagen Reimers sind stolze Träger dieses braunen Gürtels. Noemi studiert nun aber in Leipzig, während Hagen sich auf die Trainerausbildung vorbereitet. Frühestens ab 16 Jahren ist es möglich, die Prüfungen zum 1. Dan abzulegen.

Die Gürtelfarben
An der Gürtelfarbe kann man den Ausbildungsstand eines Judoka erkennen. Es gibt die Schülergrade bis zum braunen Gürtel und die Meistergrade, die mit dem schwarzen Gürtel beginnen. Anfänger bekommen einen weißen Gürtel und können durch Prüfungen den nächst höheren Grad erlangen. Der Prüfling demonstriert dabei Fallübungen, Stand- und Bodentechniken, die immer schwieriger werden. Das Training für diese Prüfungen führt zu einem noch besseren Beherrschen der jeweiligen Techniken, da auf eine absolut saubere Ausführung geachtet wird. Der höchste Grad ist der 10.Dan, wieder ein weißer, aber breiterer Gürtel. Jean-Claude Frère strahlt: „Und so schließt sich der Kreis!“

Den schwarzen Gürtel erreicht man durch anspruchsvolle Aufgaben, so wurde Jean-Claude Frère mit dem 5. Dan ausgezeichnet. „Dies ist der höchste Grad, den man durch Prüfungen erreichen kann. Alle anderen werden ehrenhalber vergeben. Da habe ich kein Interesse, sollen andere geehrt werden!“ Wieder ist Frère bei seinem Lieblingsthema angelangt: Dem fehlenden Engagement des Verbandes, Judo noch bekannter zum machen, auch mal an die Basis zu gehen: „Da sind sich die hohen Herren zu fein für. Ich habe schon so viel angeregt, doch dann heißt es nur, du bist ein verwöhnter Franzose!“ In der Tat, in der Heimat Frankreich ist sein Sport viel populärer. Klappern gehört zum Handwerk, da sind sich die Trainer des WTB einig. Und Üben, Üben, Üben. Also wenden sich wieder den Wichtigsten zu, ihren Schülern.

Die Trainingszeiten der WTB-Judoka:
In der Turnhalle der Ludgerusschule, Kellerstraße 86
Montag:
17.00 - 18.30 Uhr Schüler 9 - 14 Jahre
18.30 - 20.00 Uhr Jugendliche + Erwachsene
Freitag:
15.00 - 16.00 Uhr Anfänger weiß (ab 5 Jahren)
16.00 - 18.00 Uhr Klassen weiß/gelb-braun (Kampfgruppe)

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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