Ukraine Krieg
Wickeder Politiker schreiben Russlands Botschafter Protestbrief

Wickedes Bürgermeister Martin Michalzik. | Foto: Foto: Archiv
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Kommunalpolitik äußert sich nicht zu außenpolitischen Fragen – Krieg, Zerstörung und Leid in Europa sind aber eine Ausnahme von dieser Regel. Die Vorsitzenden der fünf im Rat vertretenen Fraktionen von Wickede (Ruhr) haben gemeinsam mit Bürgermeister Martin Michalzik dem Botschafter Russlands in Deutschland ihr Entsetzen über den Überfall auf die Ukraine geschrieben und zum sofortigen Ende der Kampfhandlungen aufgefordert, um noch mehr Tod und Leid auf ukrainischer und russischer Seite zu verhindern.

"Sehr geehrter Herr Botschafter,

mit Fassungslosigkeit sehen wir das unermessliche Leid und die fürchterlichen Zerstörungen, die der auf Befehl Ihres Präsidenten begonnene Angriffskrieg gegen die Ukraine für die dort lebenden Menschen verursacht. Es ist 80 Jahre her, aber immer noch im lebendigen Gedächtnis der Menschen in Osteuropa, welche Katastrophe der 2. Weltkrieg für sie bedeutete, der von Deutschland begonnen und brutal geführt wurde. Jetzt verursacht die Politik Ihres Präsidenten gleiches Leid, Unrecht und Zerstörung in der Ukraine. Das entsetzt uns.

Wollen Sie Kiew und andere Städte ebenso belagern und zerstören wie es so furchtbar mit Leningrad geschah? Als Menschen in der Kommunalpolitik wissen wir, wie existenziell Heimat ist. Dazu gehört alles, was eine Stadt, eine Gemeinde oder ein Dorf ausmacht: Ein Leben mit Nachbarn in Frieden, intakte Schulen und Kindergärten, eine sichere Versorgung mit Strom und Wasser, eine gute medizinische Versorgung, Chancen, mit Arbeit seinen eigenen Lebensunterhalt zu verdienen und Vieles mehr. Dies alles zerstört die russische Armee derzeit in weiten Teilen der Ukraine, augenscheinlich sogar als bewusste Schädigung ziviler Infrastrukturen, die Orte und Region langfristig unbewohnbar machen. Wir bereiten uns darauf vor, vielen Menschen aus der Ukraine bei uns Zuflucht zu bieten, die vor diesem Krieg und diesen Zerstörungen fliehen müssen.

Sehr geehrter Herr Botschafter, Sie wissen, dass die Ukraine nie die militärische Stärke hatte, jemals eine Gefahr für die Russische Föderation zu sein oder zu werden. Sie wissen, dass die NATO ein reines Verteidigungsbündnis ist und nie ein anderes Land bedroht hat, auch und schon gar nicht die Russische Föderation. Dies widerspräche nicht nur den Statuten der Nato, sondern würde die aktive Zustimmung von 27 Mitgliedsländern voraussetzen. Sie wissen, dass dies absurd ist. Ihnen ist bekannt, dass die Menschen in der Ukraine in freien und demokratischen Wahlen ihren Präsidenten, ihr Parlament und ihren politischen Weg in eine Zukunft im Herzen Europas gewählt haben. 1994 hat die Russische Föderation im Budapester Memorandum der Ukraine ausdrücklich Souveränität und unverletzliche Grenzen zugesichert. Ihr Krieg droht, allen künftigen Vereinbarungen mit Ihrem Land den Boden des Vertrauens zu entziehen.

Als erfahrener Diplomat wissen Sie schließlich auch, dass es keinerlei Rechtfertigung dafür geben kann und darf, für sicherheitspolitische Meinungsverschiedenheiten ein Land zu überfallen und tausende Menschen zu bombardieren und zu töten. Dieser Krieg bringt nicht nur unendliches Leid über das Volk der Ukraine, das mit seinem Kampfgeist seinen Willen auf Souveränität und Unverletzlichkeit der Grenzen beweist. Dieses Leid trifft auch tausende russischer Familien, die den Tod junger Soldaten beklagen müssen oder deren Angehörige verwundet oder traumatisiert heimkehren werden.

Der Krieg Ihres Präsidenten stürzt viele Familien, die in den vergangenen Jahrzehnten aus Russland in unsere Städte und Gemeinden in Deutschland –auch zu uns nach Wickede (Ruhr) - gezogen sind, in tiefe Sorge um Angehörige und Freunde in Russland. Die Panzer und Bomben der Russischen Föderation in der Ukraine zerstören freundschaftliche Verbindungen, die zwischen Menschen bei uns und in Ihrem Land entstanden sind.

Dieser Angriffskrieg von russischem Boden aus zerstört nicht nur Leben, Frieden und Zukunft in der Ukraine und bedeutet nicht nur für viele Bürgerinnen und Bürger Russlands neue Armut. Er bewirkt auch Tod und Hunger für viele Millionen Menschen in armen Ländern der Welt, weil die Getreidelieferungen aus der Ukraine für das Welternährungsproramm ausbleiben. Bitte beenden Sie diese Katastrophe! Sehr geehrter Herr Botschafter, wir sind als politisch engagierte Menschen überzeugt, dass sich unsere Kolleginnen und Kollegen in Gemeinde- und Stadträten der Ukraine und Russland – und die Bürgerinnen und Bürger, für die wir jeweils arbeiten – ein sofortiges Ende des Krieges, Frieden, Wiedergutmachung und Versöhnung wünschen.

Richten Sie Ihrer Regierung bitte aus, dass wir darauf hoffen, dass es bei Ihnen Verantwortungsträger gibt, die sich für Menschlichkeit und deshalb für eine sofortige Korrektur der russischen Politik und für ein Ende des Krieges einsetzen und alles dafür Nötige tun.
Bitte prüfen Sie für sich selbst, was Sie dafür tun können, damit dieser Krieg beendet wird.

Erwartungsvoll Dr. Martin Michalzik, Bürgermeister
zusammen mit: Thomas Fabri, Vorsitzender der Fraktion der CDU im Rat der Gemeinde Wickede (Ruhr) Julian Bräker, Vorsitzender der Fraktion der SPD im Rat der Gemeinde Wickede (Ruhr) Patrick Wessel, Vorsitzender der Fraktion der FDP im Rat der Gemeinde Wickede (Ruhr) Lothar Kemmerzell, Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Grüne im Rat der Gemeinde Wickede (Ruhr) Uwe Eder, Vorsitzender der Fraktion der Bürgergemeinschaft im Rat der Gemeinde Wickede (Ruhr)"

Autor:

Lokalkompass Menden-Fröndenberg-Balve-Wickede aus Menden (Sauerland)

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