Musikforum: Zeitplan wankt, Fördergelder gefährdet

Beim Richtfest zum Musikforum strahlte nicht nur der große Konzertsaal in einer faszinierenden Lichtshow, auch die Verantwortlichen hatten Grund zum Strahlen. Jetzt ziehen dunkle Wolken über dem Neubau auf. | Foto: Molatta
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  • Beim Richtfest zum Musikforum strahlte nicht nur der große Konzertsaal in einer faszinierenden Lichtshow, auch die Verantwortlichen hatten Grund zum Strahlen. Jetzt ziehen dunkle Wolken über dem Neubau auf.
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„Der Zeitplan war eng, aber er war leistbar.“ Jetzt muss Stadtdirektor Michael Townsend einräumen: Die für den 31. März 2016 geplante Fertigstellung des Musikforums wird sich verschieben – um rund drei Monate. Schuld daran: die Heizungsbaufirma, die Anfang September mitsamt ihrem Material die Baustelle verlassen hat und seither nicht mehr erreichbar ist. Nun sind zudem EU-Fördergelder in Gefahr.

Frank Allmeroth, Leiter der Zentralen Dienste und damit für die Stadt oberster Bauherr des Musikzentrums, ist noch immer fassungslos: „Ich baue seit 30 Jahren, aber sowas ist mir noch nie passiert. Wir können uns dieses Verhalten nicht erklären.“ Nicht nur, dass die Firma die Baustelle verlassen und ihr komplettes Material mitgenommen habe – seither sei dort auch niemand mehr zu sprechen. Der von der Stadt beauftragte externe Projektsteuerer sei sogar zum Firmensitz in der Nähe von Düsseldorf gefahren – erfolglos. Zwei Fristsetzungs-termine ließ das Unternehmen verstreichen, erhielt daraufhin am 28. September die Kündigung.
Gut 700 000 Euro umfasste die Leistung des Heizungsbauers, der nach einer europaweiten Ausschreibung den Auftrag erhalten hatte. Rund 60 Prozent der Arbeiten hatte das Unternehmen zuvor bereits fertig gestellt. „Und auch das Geld dafür hat die Firma immer pünktlich erhalten“, betont Allmeroth. Das könne also nicht der Grund für das plötzliche Abtauchen der Firma gewesen sein.
Jetzt habe man die noch ausstehenden Leistungen erfasst und eine neue Ausschreibung erstellt. „Letztlich hatten wir Glück und konnten den Auftrag am letzten Montag an eine Firma vergeben, die ohnehin schon auf der Baustelle tätig ist.“
Stadtdirektor Michael Townsend betont, dass die Bauverzögerung kein Anzeichen für ein Steuerungsversagen sei. Die Stadt als Bauherrin hatte für dieses Bauvorhaben eigens eine externe Firma zur Projektsteuerung eingesetzt: „Bis zum Sommer ist es uns gelungen, den Zeitplan einzuhalten, doch dann kam es zu diesem dramatischen Ereignis.“ Es sei bei Großbaustellen nicht unüblich, dass es an der ein oder anderen Stelle mal hake. Durch Umstellungen im Zeitplan und das Vorziehen anderer Gewerke habe man das bislang jedoch einigermaßen auffangenkönnen. Und Frank Allmeroth, mit den Zentralen Diensten für die Ausführung des Baus verantwortlich, macht deutlich: „Das Projekt hatte von Anfang an kaum Puffer im Zeitplan. Das haben wir auch beim Halbjahresbericht im Sommer deutlich gemacht. Bereits da steht drin, dass alle vorhandenen Puffer inzwischen aufgebraucht sind.“
Über eine mögliche Insolvenz der Heizungsbaufirma können Allmeroth und Townsend nur spekulieren. Fakt aber ist: Das Material für die dringend einzubauende Fußbodenheizung hatte die Firma noch nicht bestellt. „Das mussten wir nun tun. Wir rechnen mit einer Lieferzeit von sechs bis acht Wochen, bis das Material da ist“, so Townsend.

„Wir können uns
dieses Verhalten
nicht erklären.“

Daraus ergibt sich ein echter Rattenschwanz an Verzögerungen: Estrich, Bodenbeläge, Parkett, Malerarbeiten, Elektrik – all das schiebt sich nach hinten: „Wir rechnen mit einer Verzögerung von zweieinhalb bis drei Monaten“, so Townsend. Und nicht nur das: Hinzu kommen erhebliche Mehrkosten und ein möglicher Verlust von EU-Fördergeldern. Diese steuerte rund 6,5 Mio. Euro zu den Baukosten bei, die nach ursprünglich angepeilten 32,9 Mio. Euro inzwischen bei 34,9 Mio. Euro liegen. Denn die Fördergelder aus dem Ziel 2-Topf der EU müssen bis zum 31. Dezember 2015 verbaut werden. Andernfalls droht die Rückzahlung.
„Wir haben die Bezirksregierung in Arnsberg, die die Fördergelder im Auftrag der EU an uns vergeben hat, direkt informiert und sind in Gesprächen“, so Townsend. „Wir sind zuversichtlich, dass die Bezirksregierung in unserem Sinne mit dem Land und der EU verhandeln wird.“ Wann es verbindliche Auskünfte geben wird, das vermag der Stadtdirektor nicht zu sagen.
Townsend weiter:„Wir gehen eigentlich davon aus, dass von einer Rückzahlung nur die Gelder betroffen wären, die nicht bis Ende des Jahres verbaut sind.“ Das wären beim Musikzentrum immerhin 800 000 Euro. Im schlimmsten Falle, so die Kalkulation des Stadtdirektors, könne durch Mehrkosten und Rückzahlungen Mehrkosten von rund 2 Mio. Euro auf die Stadt zukommen. Townsend ist um Schadensbegrenzung bemüht: „Wir werden alles tun, um die Firma, die den Schaden verursacht hat, in Haftung zu nehmen.“
Bei den Bochumer Symphonikern indes, den Hauptnutzern des künftigen Musikforums, gibt man sich angesichts der Bauverzögerungen gelassen: „Geplant war zwar eine Schlüsselübergabe Ende März, aber Steven Sloane hat im Kulturausschuss bereits deutlich gemacht, dass es für uns keinen Sinn macht, bereits im Sommer dort die ersten Konzerte zu spielen und uns direkt anschließend in die Sommerpause zu verabschieden“, so BoSy-Pressesprecherin Christiane Peters. „Unser Plan ist es, die neue Spielzeit im September 2016 in der neuen Spielstätte zu eröffnen. Und dieses Ziel sehen wir nicht gefährdet. Bei uns hat niemand Panik.“

Beim Richtfest zum Musikforum strahlte nicht nur der große Konzertsaal in einer faszinierenden Lichtshow, auch die Verantwortlichen hatten Grund zum Strahlen. Jetzt ziehen dunkle Wolken über dem Neubau auf. | Foto: Molatta
Stadtdirektor Michael Townsend sieht kein Versagen bei der Projektsteuerung. | Foto: Stadt Bochum/Presseamt
Autor:

Petra Vesper aus Bochum

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