Ein Engel für den "wilden Norden"

Feierlich enthüllt wurde der Engel, der ab sofort den Weg in den Segeroth-Park säumt.
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  • hochgeladen von Petra de Lanck

Vor 20 Jahren saß ich ihm zu Füßen. Ob er sich noch daran erinnert? Einen Stapel Seminarunterlagen unter dem Arm und meinen Hund im Schlepptau nutzte ich im Sommer seinen Schatten, um ungestört lernen zu können - oder mit der besten Freundin zu tratschen.

Ganz früher, noch zu Zeiten der alten Kruppschen Gussstahlfabrik, galt das Segeroth-Viertel als Essens „Wilder Norden“. Im Krieg wurde es dann 1943 von Bomben stark zerstört.
In den 80er Jahren verwilderte der Segeroth-Friedhof an der Alten Bottroper-/ Ecke Paul­straße in Nachbarschaft zur Uni zusehends. Umgestürzte Grabsteine und dichte Rhododendron-Büsche machten schließlich seinen ganz besonderen Charme aus.
Eines der alten Grabmale war eben jener Engel, der auf einem Sockel im wahrsten Sinne des Wortes über den Dingen zu stehen schien. Wieder etliche Jahre später lag er dann auf dem Boden, den Flügel gebrochen, von Moosen und Flechten überwuchert.
Doch dann startete das Projekt „Essen.Neue Wege zum Wasser“, und der Engel wanderte im Laufe der Friedhofsumgestaltung auf einen nahegelegenen Betriebshof von Grün und Gruga.
Dort nahm ihn schließlich Steinmetz und Steinbildhauermeister Jürgen Müller-Goldkuhle in seine Obhut. Vom Frühjahr 2009 bis vor wenigen Wochen gesellte sich der Engel zu den Steinbildhauern in die Werkstatt. Auch Meisterkollege Karsten Witte nutzte so manche freie Minute, um dem alten Segeroth-Engel wieder zu neuer Gestalt zu verhelfen.
Die Figur wurde über Monate mühevoll restauriert, der Flügel nach einem Gipsabguss neu geformt und angesetzt, eine Nase modelliert, wo einst ein Stück des Gesichtes fehlte. Die neue gefällt nun allerdings nicht jedem ...
Schließlich wurden die restaurierten Sandsteinelemente mit schwarzen Farbpigmenten langsam dem ursprünglichen Farbton an­geglichen.
„Der Engel ist sicher über 120 Jahre alt“, schätzen die Steinbildhauer, „er ist etwas Besonderes und ganz hervorragend gearbeitet. Vermutlich handelt es sich um Neubrunner Sandstein“, schwärmen beide Meister.
Nachdem der zweieinhalb Tonnen schwere Sockel und die 1,3 Tonnen schwere Skulptur nun wieder auf dem Segeroth-Friedhof stehen, ist es deutlich leerer in der Werkstatt. „Wir werden ihn vermissen“, ist sich nicht nur Karsten Witte sicher.
Vor allem Jürgen Müller-Goldkuhle wird etwas fehlen: „Wenn ich zur Arbeit kam und ihn durch die Scheiben dort stehen sah, dachte ich jedes Mal für einen Moment lang: ‚Oh, da ist ja schon Kundschaft‘ ...“
Nun steht der Engel wieder im Segeroth-Park. Einige Meter von seinem Ursprungs-Standort entfernt begrüßt er die Besucher des vor einigen Jahren stark gelichteten und ökolgisch umstrukturierten Segeroth-Parks. So romantisch wie früher ist es dort nicht mehr - aber gut einsehbar.
Beeindruckend groß ist der Engel vom Segeroth auf seinem Sockel, eine Inschrift erinnert an all jene Verstorbenen, die hier ihre letzte Ruhe fanden. Noch immer faltet der Engel die Hände zum Gebet, trägt nun aber wieder beide Flügel auf dem Rücken.
Nur diese Nase ...

Autor:

Petra de Lanck aus Essen-Süd

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