"Essen steht AUF" zum Ausgang der Kommunalwahl

In einer Erklärung von heute nimmt der Vorstand des kommunalen Wahlbündnisses "Essen steht AUF" Stellung zum Ausgang der Kommunalwahl:

"Unsere Mitglieder, unsere Kandidaten und zahlreiche Wahlhelfer haben mit enormer Einsatzbereitschaft einen tollen Wahlkampf hingelegt, auf den wir stolz sind. Durch unsere Regionalteams Nord, West und Süd-Ost wurde ein engagierter, einfallsreicher und flexibler Wahlkampf organisiert, in dem wir auf viel Zustimmung stießen, der uns aber auch zeigte, wie viele Menschen uns noch gar nicht kennen. Es war klar, dass es diesmal noch schwerer werden würde, einen Ratssitz zu erringen, allein schon wegen der großen Zahl an Listen auf dem Wahlzettel. Tatsächlich hat es am Ende nicht für den erneuten Einzug in den Stadtrat gereicht, weil wir 55 Prozent unserer Stimmen von 2009 verloren und nur noch 716 Stimmen erzielen konnten.

Dieser Verlust hat seine Ursache vor allem in Faktoren, die wir nicht oder nur wenig beeinflussen konnten.

1. Das ist an erster Stelle die „politische Großwetterlage“. In 2009 war die Ausgangslage ganz anders, als kapitalismuskritische Positionen in der tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise viele Menschen bewegten. Trotz der gleichzeitigen Europawahl sank die Wahlbeteiligung erneut um zwei Prozent auf nur noch 45 Prozent. Wenn sich SPD und CDU ihre Ergebnisse nun als „Siege“ schönreden, dann kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass nur 15 Prozent der Essener Wahlberechtigten hinter der SPD und nur 14 Prozent hinter der CDU stehen.

2. Um Schlimmeres zu verhüten, hatte die Große Koalition kurz vor den Wahlen verschiedene Schein-Reformen durch den Bundestag gebracht, wie den Mindestlohn oder die „Rente mit 63“. Das trug sicher dazu bei, dass sich die Verluste von SPD und CDU meist in Grenzen hielten. Der relativ hohe SPD-Verlust in Essen von 3,2 Prozent dürfte insbesondere eine Quittung für den Korruptionsskandal bei den Entsorgungsbetrieben sein.

3. Insgesamt spielten im Wahlkampf jedoch die kommunalpolitischen Themen und damit unsere Kompetenz und Positionen eine eher untergeordnete Rolle und wurden von der Europawahl stärker überlagert, als wir gedacht hatten.

4. Ausgehend von der Bundesregierung wurde über die Medien eine ablehnende bis feindselige Stimmung gegenüber Flüchtlingen und Zuwanderern geschürt, die Wasser auf die Mühlen der ultrarechten, faschistoiden und neofaschistischen Parteien war. Kritik und Unmut über die EU-Politik wurden mit der Wahl solcher Parteien gleichgesetzt. Zuletzt gingen sowohl NPD, ProNRW als auch AfD mit dem 2010 von CSU-Seehofer aufgebrachten Unwort vom „Weltsozialamt Deutschland“ in Essen auf Stimmenfang.

5. Zwar stiegen die Stimmen des braunen Lagers (NPD, Republikaner, ProNRW) gegenüber 2009 um 1.300 auf 5501 Stimmen an. Darin sind jedoch 3.540 Stimmen der erstmals kandidierenden Islamhasser von ProNRW enthalten, während Reps und NPD zusammen 2.200 Stimmen verloren. Insgesamt sind die Stimmen für die offenen Rassisten und Faschisten nicht wesentlich über dem Niveau von 2004, wo nur die Republikaner kandidierten.

6. „Essen steht AUF“ hält es deshalb für eine politische Fehleinschätzung, von einem „Rechtsruck“ zu sprechen und dazu die Stimmen für die AfD einfach dem braunen Lager zuzuordnen. Auch wenn die AfD in Essen besonders rechts ist: gewählt wurde sie doch vor allem, weil sie von den Medien als die Protestpartei bei der Europawahl gepusht wurde.

7. Während es für Parteien wie die AfD, die Piraten und selbst die angebliche Satire-Partei „Die Partei“ ständig großen Bahnhof in den Medien gab, wurde „Essen steht AUF“ weitgehend totgeschwiegen und höchstens mal der Vollständigkeit halber erwähnt. Dieser Medienboykott konnte von uns nur in beschränktem Umfang durch unsere eigene Öffentlichkeitsarbeit durchbrochen werden.

8. Darüber hinaus traten diesmal sieben Listen neu zur Wahl an, die allein fast neun Prozent der Stimmen auf sich zogen. Das ging zum größten Teil auf Kosten der etablierten Parteien. Allein SPD, CDU und FDP verloren zusammen 20.000 Stimmen. Der Großteil der 7694 Stimmen für die AfD dürfte von hier kommen. Aber auch die fortschrittlichen und alternativen Listen wie „Essen steht AUF“, die LINKE, DKP und Bürgerliste Nord haben an Parteien verloren, die in diesem Spektrum „wilderten“: So erzielten Piraten und „Die Partei“ zusammen 5400 Stimmen, während die LINKE, Essen steht AUF und DKP zusammen 2552 Stimmen verloren.

Dass wir den erneuten Einzug in den Rat so deutlich verfehlt haben, schwächt unser Bündnis und die kämpferische Opposition in Essen, der nun ein Sprachrohr im Rat fehlt.
Dennoch sind wir nicht niedergeschlagen oder pessimistisch, sondern es entwickelt sich sogar eine Aufbruchstimmung. Gerade auch Menschen, die neu zu uns gestoßen sind und unseren Stil, Politik zu machen anziehend finden, wollen jetzt erst recht weitermachen.

„Essen steht AUF“ hat in den gut 10 Jahren seines Bestehens eine wichtige und auch anerkannte Rolle als Sprachrohr einer fortschrittlichen Kommunalpolitik gespielt, wofür besonders unser Ratsherr Dietrich Keil mit seiner Person steht. Diese Erfahrungen sind ein gutes Fundament, für die weitere Arbeit. „Essen steht AUF wird jetzt mehr denn je gebraucht“, äußerten viele Freunde noch am Wahlabend. Die kommunale Schuldenkrise und die dazu gehörende Kahlschlagpolitik werden sich ebenso wenig in Luft auflösen, wie Arbeitslosigkeit und Hartz IV oder Korruption und Misswirtschaft. Wir werden also weiterhin auf der Straße sein, u. a. jeden Montag bei der Montagsdemo. Wir werden weiter unser kommunalpolitisches Profil schärfen. Und wir werden vor allem unser Bündnis weiter aufbauen, um bei der nächsten Kommunalwahl in sechs Jahren erfolgreich antreten zu können.
Wir möchten uns bei allen Wählerinnen und Wählern ganz herzlich bedanken und Sie einladen, an der Stärkung von „Essen steht AUF“ mitzuarbeiten."

Autor:

Bodo Urbat (Essen steht AUF) aus Essen-Nord

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