Öffentlich oder nicht?

Im Rathaus wurde erbittert gestritten.     Foto: Henschke
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Erbitterter Streit im Stadtrat, ob öffentlich über den Vergleich bezüglich der Zinswetten gesprochen werden darf

Im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung des Mülheimer Stadtrats waren nähere Informationen und eine Abstimmung vorgesehen. Es ging um das weitere Verhalten im Rechtsstreit gegen die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) der alten West LB bezüglich schiefgegangener, sogenannter „Swaps“, also Wetten auf Zins- und Währungsentwicklungen.

Über die Gesamthöhe der möglichen Verluste für die Stadt Mülheim lässt sich trefflich streiten: Die Klagesumme der Schadensersatzklage gegen die West LB beläuft sich offenbar auf 15 Millionen Euro, je nach Auffassung drohen der Stadt aber weitere Verluste von fast 20 Millionen Euro - oder eben nicht. Das Landgericht Düsseldorf hatte im Januar den klagenden Kommunen wie Mülheim aber wenig Hoffnung auf einen Prozesserfolg gemacht. Auch könne es sein, dass hier eine nur dreijährige Verjährungsfrist nach Geschäftsabschluss zuträfe. Eine entsprechende Schadensersatzklage gegen die Commerzbank AG war im Juli 2015 vor dem Landgericht Essen abgewiesen worden. Daher wurde ein Vergleich angeregt.

Ein „Schweigekartell“?

Nun musste der Mülheimer Rat also entscheiden, ob er das vorliegende Vergleichsangebot der EAA annimmt, im Raum stehen hier fünf Millionen Euro. Zu Beginn der Ratssitzung wurde jedoch erbittert darüber gestritten, ob nicht zumindest der grundsätzliche Teil dieser höchst heiklen Thematik in den öffentlichen Bereich gehöre: Einzelne Fraktionen forderten eine öffentliche Debatte. Die Grüne Eva-Maria Weber forderte: „Zumindest die Erörterung, wie es zu diesem Vergleich gekommen ist, muss in der öffentlichen Part. Genaue Summen können ja im nicht-öffentlichen behandelt werden.“ Dafür plädierte auch Lothar Reinhard von den MBI: „Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information.“
Der BAMH ließ durch Jochen Hartmann verlauten: „Auch wir möchten öffentliche Sitzungsbesprechung. Der Bürger hat Anspruch auf offene und transparente Diskussion. Verantwortlichkeiten müssen benannt werden. Welche Restrisiken bestehen? Wir möchten nicht dem ‚Schweigekartell‘ beitreten!“
SPD-Stadtverordneter Alexander Böhm dagegen betonte: „Das hängt alles zusammen, wir können nicht trennen und Teile in den öffentlichen Bereich schieben.“ Ähnlich sah das Eckart Capitain von der CDU: „Es geht Ihnen doch gar nicht um den Vergleich, sondern darum, wer schuld ist. Das haben wir doch jahrelang öffentlich diskutiert. Wir wollen die Sache jetzt beenden.“

Die Rechtslage

Rechtsdezernent Dr. Frank Steinfort erläuterte seine Expertise: „Ich verstehe, dass sie alles öffentlich diskutieren möchten. Doch zum Schutz unserer Verhandlungsposition darf die Diskussion so nicht geführt werden. Eine gewisse Vertraulichkeit macht Sinn, war von Anfang an Grundlage der Verhandlungen. Wenn wir nicht überein kommen, prozessieren wir weiter. Aber ist es klug, auf Gedeih und Verderb mehr rausholen zu wollen? Ist es klug, unsere Rechtsposition zu outen und sie damit zu schwächen? Die Erfolgsaussichten der Schadensersatzklage sind durch zwischenzeitliche Rechtsprechungen heute leider geringer als noch 2013. Letztlich sind Beamte auch verpflichtet, zum Wohle der Stadt zu handeln, könnten sich sogar haftbar machen. Ein Bruch der zugesagten Vertraulichkeit könnte zum Beispiel Vertragsstrafen nach sich ziehen. Auch könnte es passieren, dass wir dann ohne Vergleichspartner dastehen.“
Etwaige Zweifel wollte Dr. Steinfort beschwichtigen: „Es kommen alle Fakten auf den Tisch.“ Es wurde ganz eng, mit den Stimmen von CDU, FDP und SPD blieb das Thema im nicht-öffentlichen Bereich.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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