Wo kommst Du her?

Es wird immer schwieriger, sich korrekt auszudrücken. Mensch mit Migrationshintergrund – ein laaaanger Text für einen Menschen, der augenscheinlich aus einem anderen Kulturkreis kommt. Oder nicht? Oder ist er in Deutschland geboren, schon in der x-ten Generation? Aber wir deklarieren Menschen nach Aussehen.

Das war eigentlich schon in der Schule so. Hat man nicht die hippsten Sachen, war man nicht im inneren Zirkel. Man war draußen. Menschen brauchen Schubladen zur Orientierung. Zunächst finde ich das gar nicht schlimm. Aber es wird schlimm, wenn Menschen auch klassifiziert werden.

Wenn jemand sich teure Klamotten nicht leisten kann, muss er nicht arm sein. Dahinter kann auch eine Überzeugung stecken, nicht aussehen zu wollen, wie alle anderen. Wenn jemand dunkel Haare hat, muss es kein Mensch mit Migrationshintergrund sein. Aber wenn seine Familiengeschichte aus einem anderen Land entspringt, wird es doch erst mal spannend.

Wenn jemand aus dem Ausland kommt, wieso darf man nicht Ausländer sagen? Ich verstehe es auch nicht. Denn nicht jeder, der das Wort benutzt, setzt es in einen herabwürdigenden Kontext.

Selbst die Frage, wo man herkommt, ist mittlerweile schon anrüchig. Da kann ich sogar aus eigener Erfahrung mitreden. Für mich fühlt sich das gar nicht schlimm an. Wegen meines südländischen Aussehens wurde ich, seit ich denken kann, gefragt, ob ich aus der Türkei, Italien oder Spanien käme.

Erst kürzlich hatte ich eine Begegnung mit einem älteren türkischen Ehepaar. Sie neigten dazu, Kamikaze ähnlich, eine stark befahrene Straße zu überqueren. Ich hielt sie zurück und es entwickelte sich ein wunderbares Gespräch. Und auch hier kam die Frage, wo ich denn herkomme? Bin ich eine Deutsche? Auf letztere Frage kann ich so schwer antworten, da ich mich nicht einer Nation zugehörig fühle, sondern wie ein Mensch. Zu sagen: „Ich bin Deutsche“, fällt mir nicht so leicht. Denn was ist Deutsch? Aber seine Frage, wo ich herkomme, fand ich süß. Er hielt mich für eine Italienerin. Und somit war die Grundlage des Themas geschaffen, dass er von seinen Freunden in Italien erzählte. Ich verneinte zwar, Italienerin zu sein, aber wir hatten ein Thema.

Nach einiger Zeit beendeten wir unsere herzliche Unterhaltung und gingen wieder unseres Weges. Es kommt nicht darauf an, was wir sagen. Es kommt darauf an, mit welch einem Hintergrund wir was sagen.

Ist es wirklich beleidigend, wenn man sagt „der Türke“ oder „die Türkin“? Wie empfinden es die Menschen? Ich weiß es nicht. Wenn man mich „die Deutsche“ nennt, hilft es vielleicht zur Orientierung der anderen, aber mich beleidigt es nicht. Wenn man sagt „der Ausländer“, weil man nicht weiß, welche Herkunft ein Mensch hat, aber sich für ihn als Mensch im guten Sinne interessiert, ist das dann eine Beleidigung? Es wird doch erst eine Beleidigung mit einer negativen Absicht.

Wir können noch so viele Worte füreinander nutzen, aber welch ein Mensch wir sein wollen, findet in unserem Gefühl füreinander statt. Dann wird daraus entweder eine Beleidigung oder ein menschliches Interesse füreinander. Es liegt an jedem einzelnen von uns.

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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