"Könnte es da knallen?“

Öffentliches Schreiben

Sehr geehrte Frau Wieseler,
sehr geehrtes Team der „Aktuellen Stunde“,

in der Sendung der Aktuellen Stunde vom 29. Juli 2016 berichten Sie über die bevorstehenden Erdogan-Demos im Köln am kommenden Sonntag. Ihre Sendung beginnt mit den Worten: „Was passiert da am Sonntag in Köln? Passiert da was? Könnte es da knallen?“

Ist diese Einleitung wirklich Ihr Ernst? Verfolgen Sie mit Fragen dieser „Qualität“ einen investigativen Journalismus? In Verbindung mit der Information, dass es am Sonntag eine Sonderausgabe zu den Demos gibt, bleibt der Eindruck zurück, der WDR warte nur darauf, dass etwas passieren würde.

Wäre es nicht klüger, in einer Zeit der Veränderung in Europa, nicht reißerisch, sondern besonnen und sensibler zu berichten? Wieso gehen Sie nicht den Fragen nach, wieso Erdogan-Anhänger das Bedürfnis haben, einem Mann zu folgen, der genau gegen demokratische Errungenschaften, wie die Meinungsfreiheit, vorgeht? Ist es nicht auch in Ihrem öffentlich rechtlichen Interesse, Bewegungen auf den Grund zu gehen, die sich gegen Ihre öffentliche Arbeit richtet? Stattdessen scheint Ihre Berichterstattung darauf ausgerichtet, nach Sensation zu gieren und mit einer Sondersendung noch näher an….ja an was denn…Blut, Tote, Gewalt….dran zu sein.

Wo sind eigentlich die Sondersendungen zu Demonstrationen gegen TTIP? Auch hier gehen zig Tausend Menschen auf die Straße. Sind sie zu langweilig, weil sie zu friedlich sind?

Die öffentlich rechtlichen Sender haben einen Bildungsauftrag. In einem persönlichen Gespräch mit einem WDR Redakteur wurde mir genau das Gegenteil vermittelt. Während ich zu einem Thema befragt wurde und darauf auch facettenreich einging, wurde mir ganz platt vermittelt: Das was ich sage, würde zu sehr in die Tiefe gehen und den Zuschauer überfordern. Als ich ihm mitteilte, dass die Zuschauer ein Recht auf Information und auch Tiefe hätten, hatte er es plötzlich ganz eilig.

Ist das Ihr journalistischer Anspruch? Einfache Wahrheiten? Reißerische Fragen? Keine Fragen, nach dem Wieso oder den Beziehungen verschiedener Gruppen zueinander?

Erinnern Sie sich noch an den Polizei-Pressesprecher Marcus da Gloria Martins, der sachlich und ruhig über die Situation des Amoklaufes in München berichtete? Dieser Mann bekommt eine Menge Zuspruch aus der Bevölkerung. Haben Sie sich mal gefragt, woran das liegen könnte? Ich möchte sie nicht darüber uninformiert lassen, dass es gerade der sachliche Informationsfluss ist, den wir wünschen. Unsere emotionale Ebene wird derzeit bei verschiedenen Lebenssituationen herausgefordert. Da bedarf es eher an Wunsch nach Wissen und sachlicher Information, Inhalt.

Haben wir als Zuschauer eine Chance, dass wir als Menschen wahrgenommen werden, die nicht nur einfache Wahrheiten wollen, wie der o.g. Redakteur mir mitzuteilen versuchte? Die öffentlich Rechtlichen sind keine Dienstleister, welche den Menschen ein Produkt servieren, was sie glauben haben zu wollen. Die öffentlich Rechtlichen haben einen Bildungsauftrag. Und da kann die Einstellung, die Zuschauer würden umfassende Informationen nicht verarbeiten wollen oder können, nicht Ihr Maßstab sein.

Ich bitte um eine ehrliche Antwort zu meiner Frage, wieso sie mit so unqualifizierten Fragen, die keinen informativen Mehrwert hervorrufen, eine Sendung beginnen und diese auch auf dem Niveau halten.

Vielen Dank im Voraus und
freundliche Grüße

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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