Mein politisches Halleluja

Weihnachten 2017

Das Jahr 2017 geht zu Ende mit einem vorweihnachtlichen Wintereinbruch in Deutschland. Flugzeuge starten nicht, Züge fallen aus und Autos versagen ihren Dienst und stellen sich quer. Hunderte von Unfällen sorgten in ganz Deutschland für einen recht chaotischen Winterbeginn. Ein Zustand, der auch die politische, gesellschaftliche und sonstige Lage Deutschlands widerspiegelt.

Regierungslos wabern Parteien, Politiker und Kanzlerin in den Tümpeln der Macht in alle Richtungen, ein faul-modriger Geruch steigt auf, hier ein kurzes Blubbern, dort ein lautes Zischen – dann wird es wieder still. Die großartige Annette von Droste-Hülshoff hat mir mit ihrem „Knaben im Moor“ eine wunderbare Vorlage gegeben und sie wird mir verzeihen, wenn ich den momentanen Berliner Zustand in Anlehnung an die erste Strophe ihres Gedichts wie folgt beschreibe:

O schaurig ist’s, Politik zu sehn,
Wenn es wimmelt von Machtgebaren
sich wie Phantome die Zungen drehn
in den Mündern der Sonderbaren
Unter jedem Stuhle die Hoffnung springt
dass der Sitzer die richtige Meinung singt,
O schaurig ist’s, Politik zu sehn
an herbeigezogenen Haaren

Der regierungslose Zustand in Deutschland ist kein Beinbruch. Er ist doch unter Merkel immer mehr zum Normalzustand geworden mit einer aktuellen bombigen Ausnahme, als Landwirtschaftsminister Schmidt in Brüssel seine Glyphosat-Zustimmung gab. So nahm die politische Eierei ein jähes Ende. Schmidts sofortiges Erscheinen in den Kaffeesatzrunden von Anne Will und Maischberger brachte niemanden auf die Palme – man „höfelte“ mit dem Minister in einer Form, die bewies, dass die Patienten im deutschen Schlaflabor fast dankbar waren, für einen kurzen Moment durch einen Wecker der bayrischen Firma Schmidt geweckt worden zu sein.
Aussagen über deutsche Zustände erfährt man auch von draußen. Einige davon habe ich unter der Weihnachtsthematik zusammengefasst: „Von drauß‘ vom Walde komm‘ ich her und muss euch sagen, Deutschlands Zustand ist quer.“

– da wird die Bahn-Schnellstrecke Berlin/München eingeweiht, mit großen Worten und Brimborium gefeiert … und 150 bis 200 Ehrengäste und Journalisten erleben gleich auf der Einweihungsfahrt von Berlin nach München, die ja stets in 4 Stunden geschafft sein soll, eine Panne mit zweistündiger Verlängerung. Grund für die Panne war nach ersten Erkenntnissen eine technische Störung am Fahrzeug. Am Sonntag, den 10. Dezember, startete der erste reguläre ICE Sprinter auf der neuen Strecke – und es gab erneut eine Panne. Halleluja!

– da verunglückt das argentinische U-Boot „ARA San Juan“ mit 44 Besatzungsmitgliedern an Bord und deutsche Firmen geraten in den Verdacht, eine Mitverantwortung zu tragen. Eine Generalüberholung 2011 sollte dem U-Boot eine um 30 Jahre verlängerte Dienstzeit bescheren. Ein Schwelbrand in der Batteriebank hat nun zwei deutsche Firmen in den Fokus gerückt, die 964 Batteriezellen zu Kosten von 5,1 Millionen Euro geliefert hatten. Schmiergeldzahlungen und Qualitätsmängel stehen im Raum. Halleluja!

– da verlängert sich die unendliche Geschichte von bisher 2000 Tagen Bauzeit für den Berliner Flughafen auf einen Termin in unbestimmter Zukunft. Die Kosten für den Bau sind dem „Tagesspiegel“ zufolge mittlerweile auf 6,6 Milliarden Euro gestiegen. Halleluja!

– da verkünden die Deutschen Wirtschaftsnachrichten, dass laut einer Bertelsmann-Studie viele deutsche Städte nicht mehr in der Lage sind, ihre Schulden abzubauen. Sollte irgendwann die Anhebung des Leitzinses durch die EZB beschlossen werden, droht diesen Städten die Zahlungsunfähigkeit. Halleluja!

– da siedelt zu Weihnachten die OECD das deutsche Rentenniveau ganz unten an. Besonders schlecht sieht es da in Deutschland für Frauen aus. Im Schnitt können künftige Rentner nur 51 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens erwarten. Im OECD-Durchschnitt liegt das Rentenniveau bei 63 Prozent. Schlechter als in Deutschland sieht es laut tagesschau vom 5. 12. nur in Mexiko, Polen, Chile, Großbritannien und Japan aus. Auf den schlechtesten Wert aller OECD-Staaten kommt die Bundesrepublik bei der sogenannten Rentenlücke zwischen Männern und Frauen. Sie liegt bei 46 Prozent vor den Niederlanden, Luxemburg, Großbritannien und Österreich. Halleluja!

– da verkündet gerade der jährliche Welt-Reichtums-Report, wie arm die Deutschen tatsächlich sind. Betrachtet wird die Vermögensentwicklung in der Welt, wobei nicht der Durchschnittswert zugrunde gelegt wird, weil er durch Einbeziehung von Reichen und Superreichen zu hoch wäre. Der benutzte Medianwert relativiert diesen Einfluss und verdeutlicht die finanzielle Wirklichkeit der Völker. In allen alten europäischen Ländern mit Ausnahme von Portugal besitzen die Bürger mehr als das Doppelte an Vermögen wie die Bürger hierzulande. Sowohl beim Bargeldbesitz als auch bei den Immobilien kann Deutschland nicht punkten. Halleluja!

– da eröffnet uns der Schuldner-Atlas Deutschland, dass sieben Millionen Bürger über 18 Jahre überschuldet sind, ein Anstieg von 65.000 Menschen, die ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen können. Halleluja!

– da erfahren wir vom Friedensforschungsinstitut Sipri, dass die Waffenverkäufe wieder weltweit zunehmen. In Europa verzeichnet Deutschland das höchste Verkaufsvolumen mit 6,6 prozentiger Steigerung zum Vorjahr. Da hat sich beispielsweise Saudi-Arabien mit deutschen Kampfjets und Drohnen eingedeckt, um im Jemen laut der Vereinten Nationen die „schlimmste humanitäre Krise der Welt“ zu befeuern. Auch mit deutschen Waffen! Halleluja!

– da wird der Friedensnobelpreis an die internationale Bewegung ICAN zur Abschaffung von Atomwaffen verliehen und Deutschland gehört nicht zu den Unterstützern. Wie auch? Schließlich lagert in Büchel eine unbekannte Menge an amerikanischen Atomraketen. Während sich 102 Staaten und 450 Nichtregierungsorganisationen auf ein Verbot von Nuklearwaffen einigten, hält die deutsche Regierung eine atomare Abschreckung für notwendig, um das Gleichgewicht der Mächte zu bewahren. Halleluja …

und allen LK-Lesern, Freunden und Kritikern

EIN FRIEDVOLLES WEIHNACHTSFEST … und einen scharfen Geist für das politische Theater 2018

Autor:

Barbara Erdmann aus Gladbeck

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