Clever Starter: "Karriere statt Klischee"

Mit schwerem Gerät im Wald: Die gelernte Gärtnerin Heike Loose demonstriert ihre Fertigkeiten an der Motorsäge.
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Mädchen spielen mit Puppen und Jungs mit Matchbox-Autos. Folgerichtig wählen Frauen einen sozialen Beruf, Männer werden Mechaniker. Alles nur Klischees? Nein. Klassische Rollenbilder, die wir schon als Kinder verinnerlichen, beeinflussen auch die spätere Berufswahl. Und obwohl stereotypes Denken auf dem modernen Arbeitsmarkt immer häufiger überwunden wird, gibt es sie natürlich noch: die typischen Frauen- und Männerberufe.

Während das „starke Geschlecht“ im Allgemeinen dafür bekannt ist, dass es „gerne anpackt“ und Männer somit eher handwerkliche Berufe ergreifen, lassen sich Frauen häufiger im Styling- und Kosmetik-Bereich oder in Pflegeberufen ausbilden. Und auch Berufsstatistiken geben dieses ungleiche Geschlechtsverhältnis wieder: In NRW sind Stellen im Metallbau, in der Bauelektrik und im Maschinenbau zu 99 Prozent mit männlichen Arbeitskräften besetzt. Kaum Männer findet man hingegen in den Berufen Medizinischer Fachangestellter oder Erzieher im Bereich Kinderbetreuung. Hier liegt der Frauenanteil bei über 90 Prozent. „Sprechstundenhelfer“ oder „Kindergärtner“ gelten häufig noch als Exoten.

„Als Exot sehe ich mich überhaupt nicht. So werde ich eher von Außenstehenden wahrgenommen“, erzählt Erzieher Marvin Reichelt. Der 23-Jährige arbeitet seit zwei Jahren im Essener Montesoori Kindergarten, zusammen mit einem männlichen Kollegen und 18 Frauen. Gerade weil der Frauenanteil in dieser und anderen Einrichtungen so hoch ist, seien männliche Bezugspersonen für die Identitätsentwicklung der Kinder umso wichtiger. Grund genug für Marvin Reichelt nach einigen Praktika seine berufliche Erfüllung im erzieherischen Bereich zu suchen.
„Für mich stand schon früh fest, dass ich einen sozialen Beruf ausüben möchte. An eine handwerkliche Ausbildung habe ich mit meinen zwei linken Händen nie gedacht,“ berichtet Marvin Reichelt. Für den jungen Erzieher ist es nur schwer nachzuvollziehen, warum er seinen Arbeitsalltag nicht mit mehr männlichen Kollegen teilt. „Das Schöne an dem Beruf ist die ständige Abwechslung. Dazu gehören Ausflüge und Projekte im Stadtteil, die wir mit den Kindern zusammen planen. Natürlich ist es auch toll zu sehen, wie sich die Kinder entwickeln und welchen Beitrag man selbst dazu geleistet hat.“

Realistische Option für Männer

Auch wenn viele seiner männlichen Kollegen eher in Leitungspositionen zu finden sind, sieht Marvin Reichelt in seiner Tätigkeit eine realistische Option für Männer, weil der Beruf für sie attraktiver geworden sei. Es sind vielseitige Weiterbildungen, beispielsweise in der Individualbetreuung oder zum Sozialtherapeuten möglich.
So wie es im erzieherischen Bereich an männlichen Kräften mangelt, werden in der schweißtreibenden Arbeit im Gartenlandschaftsbau eher wenig Frauen erwartet.
Und doch gehört das Bäume fällen und beschneiden seit 32 Jahren zum Aufgabenbereich von Heike Loose. Die Landschaftsgärtnerin arbeitet als eine von sieben Frauen beim Zentralen Betriebshof Gladbeck und verrichtet auf den städtischen Grünflächen genau dieselben (körperlich oft schweren) Arbeiten, wie ihre knapp 50 männlichen Kollegen. Bei der Vernichtung von Unkraut und dem Anlegen von Beeten ist körperliche Fitness Grundvoraussetzung. Diese ist auch bei der Bedienung der mehreren Kilogramm schweren Motorsäge dringend erforderlich. „Mit einem derart massigen Werkzeug zu arbeiten ist natürlich nicht ungefährlich. Das liegt auch nicht jedem,“ so die 52-Jährige, die als einzige Frau beim ZBG einen Motorsägenschein besitzt. Als dominanter Typ hat sie sich den Respekt bei ihren männlichen Kollegen erworben und wird als gleichberechtigter Partner voll und ganz akzeptiert.
Jungen, naturverbundenen Frauen ist der Beruf Landschaftsgärtnerin dann anzuraten, wenn sie sich nicht vor körperlicher Arbeit oder dreckigen Fingernägeln scheuen.

Auch die Bundesagentur für Arbeit rät jungen Menschen, die ihre Ausbildung erfolgreich absolvieren und anschließend dauerhaft im Beruf Fuß fassen möchten, grundsätzlich darauf zu achten, dass nicht ihr Geschlecht, sondern die eigenen Interessen und Neigungen ausschlaggebend für die Wahl ihres Berufes seien sollten. „Genauso wichtig für eine dauerhaft erfolgreiche Berufswahl sind die Perspektiven, die ein Beruf bietet“, so Cordula Cebulla, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit Recklinghausen. „Hier sind gerade aufgrund des demografischen Wandels Pflegeberufe sowie Berufe in den sogenannten MINT-Fächern besonders aussichtsreich, da es hier schon zu Engpässen und teilweise Fachkräftemangel gekommen ist.“

Ratgeber-Serie "Clever starter"

=> die komplette Übersicht zum Stand der clever Starter-Serie gibt es jederzeit unter lokalkompass.de/cleverstarter.

Mit schwerem Gerät im Wald: Die gelernte Gärtnerin Heike Loose demonstriert ihre Fertigkeiten an der Motorsäge.
Erzieher Marvin Reichelt, hier mit Jonte, hat den „Blick über den Tellerrand“ gewagt und nicht bereut, sich für einen bei Männern eher untypischen Beruf entschieden zu haben.
Autor:

Christian Gensheimer aus Essen-Nord

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