Mülheims Politik überwiegend gegen Laufzeitverlängerung

Auch in der Mülheimer Innenstadt wurde gegen die Laufzeitverlängerung deutscher AKW demonstriert. | Foto: Jiri Kollmann
  • Auch in der Mülheimer Innenstadt wurde gegen die Laufzeitverlängerung deutscher AKW demonstriert.
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Eigentlich war die Diskussion schon fast abgeebbt, nachdem erst im Herbst 2010 von der Bunderegierung um Kanzlerin Angela Merkel eine Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke (AKW) beschlossen wurde. Seit den katastrophalen Ereignissen in Japan ist die Debatte um Sinn oder Unsinn der Atomkraft neu entfacht.
Um 14.45 Uhr Ortszeit wird Japan am vergangenen Freitag mit einer Stärke von 9,0 auf der Richterskala vom schwersten Erdbeben seiner Geschichte erschüttert. Gut eine Stunde später trifft ein Tsunami auf die Ostküste des Landes, reißt Häuser, Autos, Schiffe und Menschen mit sich. Und hinterlässt nichts als eine Spur der Verwüstung. Noch immer werden tausende Menschen vermisst, zentausende sind obdachlos. Die Zahl der Toten wird fast stündlich korrigiert, die Hoffnung auf Überlebende vor allem in den schwer erreichbaren Gegenden schwindet.
Ebenso wie die Hoffnung, einer atomaren Katastrophe zu entgehen. Bereits am Freitagabend hatte die japanische Regierung den atomaren Notfall ausgerufen, nachdem in einem Reaktor des Atomkraftwerks Fukushima Eins (Daiichi) die Kühlung ausgefallen war. Seitdem mehren sich die schlechten Nachrichten, die Gefahr einer Kernschmelze wird immer wahrscheinlicher. Aufgrund des massiven Austritts an radioaktiver Strahlung steigen mögliche gesundheitsschädlichen Folgen für die Bevölkerung, eine teilweise Evakuierung ist in vollem Gange. Gleichzeitig erschüttern heftige Nachbeben mit einer Stärke von 6,0 oder mehr auf der Richterskala das Land.
Während in Japan Angst und Chaos herrschen, flammt in Deutschland die Diskussion um Atomkraft wieder auf. Nachdem die rot-grüne Regierung Anfang des Jahrtausends einen großen Schritt in Richtung Ausstieg aus der Atomkraft getan hatte, schwenkte die schwarz-gelbe Regierung im Herbst letzten Jahres um und beschloss eine Laufzeitverlängerung deutscher AKW. Mittlerweile beugt sich Bundeskanzlerin Merkel jedoch dem Druck von Opposition und Bevölkerung: Die Verlängerung der Laufzeiten wird für drei Monate ausgesetzt, Neckarwestheim I abgeschaltet. Was die einen freut, halten die anderen für falsch. „Das vorübergehende Abschalten von sieben AKW älterer Bauart beunruhigt die Bevölkerung mehr, als das es für Ruhe sorgt“, ist sich Peter Beitz, Fraktionsvorsitzender der FDP Mülheim, sicher. „Diese Entscheidung lässt vermuten, dass die betroffenen AKW unsicher sind.“ Mit den neuesten Entwicklung ist er nicht zufrieden. „Meiner Meinung nach war die Laufzeitverlängerung ein richtiger Schritt. Atomkraft ist eine Übergangslösung, bis andere Energieformen dauerlastfähig sind.“ Das sehen Sabine Schweizerhof und Hartmut Sternbeck, Vorstandssprecher von WIR AUS Mülheim, anders: „WIR AUS Mülheim lehnt die Langzeitverlängerung strikt ab und fordert die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen.“ Ähnlich sieht es die MBI. „Die Laufzeitverlängerung deutscher AKW muss in den Müllhaufen der Geschichte, für immer, nicht nur für drei Monate“, fordert Fraktionssprecher Lothar Reinhard - mit der Begründung: „Alte Atommeiler sind nicht mehr wirklich beherrschbar.“ Eine „große Gefahr für die Sicherheit der Bevölkerung“ bedeutet die Laufzeitverlängerung auch für Gabriele-Lara Rosinski, Stadtverordnete des Ratskollektivs Die Linke, die sie „ohne Wenn und Aber“ ablehnt. Optimistisch zeigt sich Arno Klare, Geschäftsführer der SPD Mülheim. „Die Bundesregierung wird die Laufzeitverlängerung stoppen. Sie war von Anfang an unhaltbar.“ Weil die Risiken einfach zu hoch wären, fordert er: „Atomausstieg jetzt! Unsere alten Meiler müssen noch 2011 vom Netz.“ Dass Atomtechnologie nicht beherrschbar sei, davon ist auch Tim Giesbert, Fraktionssprecher von Bündnis 90/Die Grünen, überzeugt. Eine Alternative sieht er im Ökostrom: „Das ist nicht nur ökologischer, sondern auch preisgünstiger.“ Als einen „richtigen und angemessenen ersten Schritt“ empfindet Andreas Schmidt, Vorsitzender der CDU Mülheim, das Moratorium zur Laufzeitverlängerung. Schließlich zwinge die Katastrophe auch die Politiker in Deutschland wieder zu mehr Demut. „Nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch ethisch verantwortbar.“

Autor:

Lisa Peltzer aus Oberhausen

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