Retten ist Kinder-leicht

Spender Dr. Jörg Müller (l.) und Hallenwart Mike Hautz (r.).
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Defibrillator fürs Löwental

„Sie sind ja alle sportlich“, scherzt Jürgen Kempkes, „dann lassen Sie sich mal schocken!“ Oberkörper frei, Elektroden dran und dann laut „weg vom Tisch“ rufen, ganz wie in „emergency room“? Wohl zu oft Dr. Ross und Dr. Green über die Schulter geschaut? Kempkes war 37 Jahre lang bei der Berufsfeuerwehr, fuhr davon 25 Jahre im Rettungswagen mit. Aus diesen Jahrzehnten weiß Kempkes vieles aus der Praxis zu berichten: „Wir hatten schon unzählige Menschen da liegen. Und wir haben 95 Prozent zurückgeholt.“ Stolz über eine im wahrsten Sinne des Wortes Lebens-wichtige Aufgabe schwingt mit, aber auch ein Hauch von Wehmut: „Über die anderen fünf Prozent denke ich möglichst wenig nach…“
Nun ist Jürgen Kempkes Rentner und führt seit 2006 Kurse für den Malteser Hilfsdienst durch. Retten ist seine Passion, nun möchte er den 20 anwesenden Übungsleitern von DJK Grün Weiß Werden, OSC Werden und Werdener Turnerbund den neuen Defibrillator nahe bringen. Dr. Jörg Müller, Zahnarzt aus Heidhausen, hat das Gerät gestiftet, um die Sportstätte im Löwental noch sicherer zu machen. Hallenwart Mike Hautz nahm den „Defi“ stellvertretend für die Vereine des Sportverbundes Werden-Ruhr an, die die Halle nutzen. Für seine Schulung wählt Kempkes genau die richtige Mischung aus fundierter Information, der Mann ist halt vom Fach, und dem nötigen Maß an Flapsigkeit, die erhöhte Aufmerksamkeit garantiert. Doch die Schar der Übungsleiter aus Badminton, Handball und Volleyball staunt nicht nur vor sich hin, was so ein flatschneues Gerät so alles an Technik integriert hat, sie fragt auch gezielt nach. Hier haben sich Verantwortungsträger Gedanken gemacht, was denn nun passiert, wenn einer ihrer Schützlinge oder ein gestresster Zuschauer mit Herzschwäche umfällt.

Die lebensrettenden Sofortmaßnahmen, die auch von Laien durchgeführt werden müssen, umfassen das Erkennen des Kreislaufstillstandes, Absetzen eines Notrufes, Freimachen der Atemwege, Beatmung des Patienten und die Durchführung einer Herzdruckmassage sowie das Anwenden eines Defibrillators. Das Ziel dieser Maßnahmen ist die Versorgung lebenswichtiger Organe mit Sauerstoff durch Aufrechterhaltung eines minimalen Kreislaufes im Körper des Patienten.

Zunächst gibt es nur eins: Notruf abgeben! Beim Anruf der Leitstelle die Dringlichkeit klarmachen, das Gerät von der Wand holen, den Oberkörper des Patienten frei machen, die Elektroden anbringen. Diagonal zum Herzen, rechts oben und links unten werden die „paddels“ aufgeklebt, bei falscher Anordnung erfolgt ein Warnruf des Systems. Danach erfolgt die Herzlungenbelebung, 30mal drücken, zweimal beatmen und so weiter. Das kann wirklich Jeder. Familie Bieker ist komplett angetreten, hat ihre Kinder Julia und Leonard mitgebracht. Die beiden sind die Stars des Vormittags. „Kommt mal her“, schnappt sich Kempkes den grün-weißen Nachwuchs, „ihr dürft das zeigen!“ Ein wenig zögerlich nähern sich die Kinder dem Demo-Dummy, doch dann sind sie mit Feuereifer dabei. Sie folgen einfach nur den lauten und klaren Anweisungen des Defis, kleben die Elektroden auf, halten Sicherheitsabstand, während der erste Schock mit 150 Joule erfolgt. Leonard legt die Hände auf und beginnt zum vorgegebenen Takt mit der lebensrettenden Herzdruckmassage. Es klappt, Kempkes strahlt mit den „Jungsanitätern“ um die Wette: „Sehen Sie, es ist wirklich Kinder-leicht!“ Besonders faszinierend, das Gerät gibt nicht nur den Takt wie ein Metronom vor, die Stimme dehnt sogar bei „Be-a-tmen“ die Zeit, über die man die Atemspende geben soll. Der Defibrillator prüft innerhalb von zehn Sekunden, ob beim Herz Unregelmäßigkeiten vorliegen. Erst dann gibt er die Schock-Taste frei. Zu hundert Prozent sicher ist so ein moderner Defi, man kann einfach gar nichts falsch machen. Oder doch? Kempkes wird ernst: „Der, der nichts tut, macht alles falsch. Es gibt kein einziges Urteil, wo ein Helfer zur Verantwortung gezogen wurde. Im Gegenteil, auf unterlassene Hilfeleistung steht Gefängnis!“ Es ist unheimlich wichtig, dass die Ersthelfer sofort reagieren, denn jede Sekunde zählt. „Nach drei Minuten hat der Patient noch eine Überlebenschance von 80 Prozent, nach acht Minuten sind es nur noch 20 Prozent“. Und da es laut Hallenwart Hautz mindestens acht, eher zehn Minuten dauert, bis der Rettungswagen da ist, müssen bis zum Eintreffen des Notarztes andere Menschen einspringen, Leben retten. Die Anwesenden sind sich der Herausforderung bewusst, doch die rege Teilnahme an der Schulung zeigt, dass die Übungsleiter alles tun wollen, um ihre Sportanlage zu einem Ort der Lebensfreude und nicht des Todes werden zu lassen. Kempkes schließt die Veranstaltung: „Ich hoffe, Ihnen die Angst genommen zu haben. Geben Sie ihr Wissen weiter, weisen Sie die anderen Nutzer ein.“ Man könnte ja sagen: „Viel Spaß mit dem neuen Gerät“, aber wir wollen es nie benutzen müssen. Aber wenn, ist schnelle Hilfe garantiert. Dank Dr. Müller und Jürgen Kempkes!

Spender Dr. Jörg Müller (l.) und Hallenwart Mike Hautz (r.).
Julia Bieker schaut zu, wie ihr Bruder Leonard die Herzdruckmassage durchführt. Kinderleicht!
Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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