Oldtimer oder Gurke? Das rostigste Hobby der Welt

10. September 2011
Segelflugplatz Dorsten, 46282 Dorsten
Das Auto des Wirtschaftswunders: Ein 180er Ponton. Der erste Mercedes, der ohne Vollrahmen gebaut wurde und die Wirtschaftskapitäne der jungen Bundesrepublik zu Geschäften, nach Italien und auch zu Frau Nittribit transportierte. Ist er mit dem Derby auf eine Stufe zu stellen????
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Zu den Dorstener Flugtagen werden auch wieder Oldtimer der Straße erscheinen. Glanzvolle, prächtige Zeitzeugen der automobilen Entwicklung stehen einmütig mit Isetta, Gogo und Käfer auf dem Parkplatz. Allerdings: Es drängt sich angesichts der neuen Oldtimer-Schwemme im Land die Frage auf, wann ist ein Auto einfach nur alt, oder ein automobiles Kulturgut, das es zu erhalten gilt? Für die Organisatoren eines Oldtimertreffens ergibt sich so etwas wie ein Spagat. Selbst Experten der Szene räumen ein, dass es seit der Privilegierung der Oldie –Enthusiasten durch Steuervorteile und dem Wegfall der Feinstaubauflagen durch Erteilung eines H-Kennzeichens Wildwuchs bei der Definition des Begriffes Oldtimer gegeben hat. 30 Jahre muss ein Fahrzeug alt sein, um den Ritterschlag des Oldtimerdaseins in Form eines H-Kennzeichens zu erlangen. Das führt zu kuriosen Erscheinungen. Es liegt dem Autor fern, Häme oder Arroganz gegenüber den Besitzern eines Fiat Ritmos aus dem Jahre 1981 auszuüben, aber mal ganz im Ernst: Ohne als Geschmackspolizist aufzutreten stellt sich doch die Frage, ob Polo II, Derby II und Santana wirklich Höhepunkte der automobilen Kulturpflege sind. Das fast alle Limousinen des Typs Datsun Laurel in ewige Vergessenheit abgetaucht sind, dürfte der heutige Datsun-Besitzer Nissan mit Erleichterung registrieren, wenn man sich diese Gurke einmal mit dem nüchternen Blick des Nicht-Youngtimer-Fans anschaut. Auch die Turiner Todesfalle Ritmo, die so etwas wie eine fahrbare Polymerverbindung, die dennoch rosten kann darstellt, ist etwas für den Giftschrank einer Design-Fakultät.
Warum wird darüber überhaupt diskutiert? Weil die Zahlen alarmieren und die Besitzer richtig alter Autos, die nicht beim Fähnchenhändler an der Ecke erworben werden, sondern das Ergebnis jahrelanger detektivischer Ersatzteilsuche und peinlich genauer Renovierung oberhalb des Neuwagenniveaus sind, um ihren Status als rollendes Kulturgut fürchten müssen. VW Santana oder Mercedes 170 V von 1936: Das H-Kennzeichen lässt sie zum Vorzugssteuersatz von 192 Euro durch die Gegend brummen. Wer meint, dass er mit einer durch einen V8-Motor befeuerten optischen Grausamkeit eines Straßenkreuzers der einfallslosen 1970er Epoche der US-Hersteller spritschlürfend durch die Gegend grummeln will, spart echtes Geld. Bei derzeit 320 000 Youngtimern, so die offizielle Bezeichnung der kunststoffbeplankten Fließbandkisten, ist es eine Frage der Zeit, wann die Politik diesem faulen Zauber mit dem H-Kennzeichen ein Ende setzen wird. Niemand will den Spaß an solchen Spießerkarossen wie Kadett, Commodore, Consul oder Granada torpedieren, aber diese Fahrzeuge sind ebenso automobiles Kulturgut, wie eine Creme 21-Flasche aus gleicher Zeit. Wer will, der soll sich so eine Pulle auf die Hutablage seines Granadas neben den Wackeldackel stellen und dafür bezahlen, dass er mit Hut, Zigarre und Hosenträger auf Opas spuren Co2 in die Umwelt pustet. Wer seinen Audi mit der Flex bearbeitet und die verzinkte Karosse mit Batteriesäure bearbeitet, um ein rostiges Auto mit H-Kennzeichen zu fahren, gehört nicht auf ein Oldtimertreffen, sondern sollte mal mit fachkundiger Hilfe über sein ursprüngliches Problem reden. Oldtimer ja: Aber mit Maß. Was eine Innovation war, soll Kuturgut werden. Ein Ro 80, Volkswagens Versuch, mit dem K 70 die Käferkrise zu überwinden und ein Golf 1 als Retter des VW-Konzerns: Ja, gerne. Vinyldach und Blattfedern, Plaste und Einheitsbrei auch gerne, aber nicht als Oldtimer mit Steuervorteil. Wer ein schönes, wirklich altes Auto, einen Transporter oder Trecker sein eigen nennt, der ist herzlich am 10. und 11. September auf dem Dorstener Segelflugplatz willkommen.

Das Auto des Wirtschaftswunders: Ein 180er Ponton. Der erste Mercedes, der ohne Vollrahmen gebaut wurde und die Wirtschaftskapitäne der jungen Bundesrepublik zu Geschäften, nach Italien und auch zu Frau Nittribit transportierte. Ist er mit dem Derby auf eine Stufe zu stellen????
Betrachten Sie in Ruhe diese Kathedrale der hohen Kunst Wolfburger Autobauer. Kulturgut oder nicht. Ein Blick auf das zweite Foto hilft Ihnen vielleicht bei ihrer Entscheidung in dieser Frage.
Autor:

Jo Gernoth aus Dorsten

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