Palliativmediziner Dr. med. Hilscher beim Hospizkreis

Dr. med. Hans-Jörg Hilscher
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Gut besucht war der offene Freitagstreff beim Hospizkreis Menden. Schon in den Gedanken zur Eröffnung von Ruth Voss wurde deutlich, dass Geborgenheit für den Sterbenden wichtig ist. Referent des Abends war der Palliativmediziner Dr. med. Hans-Jörg Hilscher, der seit 25 Jahren praktiziert und schon 12 Jahre lang das stationäre Hospiz Mutter Teresa in Letmathe betreut. Mit seinem fundierten Wissen und seiner reichen Erfahrung räumte er mit medizinischen Mythen auf, die vielerorts noch existieren.
Neueste Erkenntnisse in der Palliativmedizin gibt er an angehende Ärzte weiter. Es gibt auch einen Palliativmedizinischen Konsiliardienst – Palliativer Beratungsdienst für Hausärzte – für Iserlohn und Schwerte, dem Allgemeinmediziner beitreten können. Dort werden sie auf den neuesten fachlichen Wissensstand gebracht.
Drei wichtige Themen am Lebensende: Morphine, Flüssigkeit und Ernährung
Morphine wurden nach dem 2. Weltkrieg von den amerikanischen Besatzern als Betäubungsmittel eingestuft und deshalb verboten. Sie erzeugen ein Wohlgefühl, setzen Glückshormone frei und befreien von Stress, was eher zu einer Verlängerung als zu einer Verkürzung des Lebens führt. Nachteilig ist, dass sie müde machen und bei längerer Behandlung zu dauerhafter Verstopfung führen. Sie nehmen den unheilbar Kranken die Schmerzen, können abhängig machen aber nicht unbedingt süchtig. Jedoch in der letzten Phase des Lebens spielt Abhängigkeit keine große Rolle mehr. Eine Überdosis legt das Atemzentrum flach. Deshalb scheuen sich viele Ärzte, Betäubungsmittelrezepte auszustellen.
Stationär dürfen Morphine nach Bedarf straffrei angewendet werden. Zahlreiche Ärzte bewegen sich jedoch am Rande der Legalität, wenn Morphium ambulant zum Einsatz kommt.
Zum Morphiumpflaster erklärte der Referent: Durch den Gewichtsverlust vieler Menschen in der letzten Lebensphase wird auch die Fettschicht unter der Haut abgebaut. Der Körper stellt auf „lebenserhaltende Maßnahmen“ um. Die Haut wird nicht mehr versorgt, ist schlecht durchblutet. Morphine können nicht in die Blutbahn abtransportiert werden. Eine Schmerzlinderung findet nicht statt. Wenn ein Mensch dann nicht mehr in der Lage ist sich zu äußern, gehen Arzt und Pflegepersonal davon aus, dass er schmerzfrei ist.
Bei Menschen mit einem Bronchialkarzinom können aufbrechende Tumore Lunge und Atemwege mit Blut überschwemmen, so dass der Kranke an seinem eigenen Blut ertrinkt. Die Intensivmedizin saugt dann ab. Die Palliativmedizin verordnet Morphium. Dieses sorgt im Gehirn dafür, dass der Atemreflex aufhört. Die Panik der Luftnot entfällt. Der Mensch hört einfach auf zu atmen.
Bei Atemnot ist manchmal nicht der Sauerstoffgehalt im Blut das Problem, so dass Sauerstoff zugeführt werden müsste, sondern es hilft oftmals entspanntes Atmen.
Die Rasselatmung am Lebensende entsteht, weil das Gehirn das Abhusten nicht mehr steuert. Das stört mehr die Angehörigen als den Sterbenden selbst.
Zur Ernährung am Lebensende sagte Dr. Hilscher folgendes: Wenn ein Mensch nicht mehr essen und trinken will, sollte er nicht dazu gezwungen werden. Die Ausscheidung von Flüssigkeit lässt dramatisch nach, der Stoffwechsel stellt sich um. Als erstes inneres Organ werden die Nieren nicht mehr versorgt. Wenn Flüssigkeit per Tropf zugeführt wird, aber nicht ausgeschieden werden kann, lagert sie sich ein. Daraufhin werden Entwässerungstabletten verordnet. Es entstehen Herz-Kreislauf-Komplikationen. Wenn die Nieren nicht mehr gut arbeiten, entstehen veränderte Salzverhältnisse im Körper. Ein Sterbender verdurstet nicht, er trocknet eher aus. Damit das nicht passiert, ist es ratsam, den Mund zuerst mit Butter oder Olivenöl auszuwischen und danach mit Wasser, Kaffee oder auch Bier zu besprühen, damit der Mund nicht austrocknet.
Zur Ernährung am Lebensende gab der Referent folgenden Rat: Venöse Ernährung oder PEG (Magensonde) sind für Menschen, die erfolgreich therapiert werden können, sehr sinnvoll. Bei Menschen am Lebensende bringen sie Nachteile. Die Folge kann eine Lungenentzündung sein oder Erstickungsgefahr, wenn die Nahrung in die Luftröhre gelangt. Zusätzlich kann das lange Liegen im Krankenhaus einen Dekubitus (Durchliegen) verursachen.
Der Referent sowie die Versammlung wünschen sich, dass immer mehr Ärzte die Erkenntnisse der Palliativmedizin anwenden.

Autor:

Anni Grüne aus Menden (Sauerland)

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