Ita-Wegmann-Schule mit einzigartigem Konzept

„Kinder brauchen Schule, um sich zu finden“, ist sich Rüdiger Reichle sicher. Seit sieben Jahren ist er Schulleiter an der Ita-Wegman-Schule im Gemeinschaftskrankenhaus in Herdecke.

„Unsere Schule ist ein Experimentierfeld für Verhaltensweisen, ein Freiraum, um sich auszuprobieren“, erklärt der Pädagoge, deshalb sei sie so wichtig. Rund 70 Schüler werden derzeit in der „Schule für Kranke“ betreut - vom Erstklässler bis zum 24-jährigen jungen Erwachsenen. Sie alle können aufgrund ihres Krankenhausaufenthalts nicht in ihre normale Schule.
Rund 94 Prozent der Schüler kommen aus staatlichen Schulen und treffen zum Teil in der Ita-Wegman-Schule auf ein ganz anderes pädagogisches Konzept: Die Ita-Wegman-Schule ist eine freie Waldorfschule. Schulkinder der Klassen 1 bis 6 erhalten Epochenunterricht wie in einer normalen Waldorfschule. Beim Epochenunterricht wird jeweils über drei bis vier Wochen ein Fach jeden Tag zwei Stunden in den Mittelpunkt gestellt.
Zusätzlich wird in der Ita-Wegman-Schule der Stoff der Heimatschule in kleinen Fördergruppen vermittelt. Dieses Konzept kommt bei den Kindern gut an und unterstützt ihren therapeutischen Prozess, meint Schulleiter Reichle. Ein erheblicher Teil seiner Klientel hat bisher nämlich sehr schlechte Erfahrungen in der Heimatschule gemacht. Reichle spricht von „verbrannten Feldern und Blockaden, die sich in der Schule entwickeln und aus denen sich sekundäre Problematiken wie etwa aggressives Verhalten ergeben“.
Viele seiner Schüler kommen aus der kinderpsychiatrischen Abteilung aber auch aus der Kinderklinik. Hier sind es vorwiegend Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen, psychosomatischen Erkrankungen oder Krebs.
„Gerade für Kinder und Jugendliche mit Krebs, die monatelang immer wieder stationär im Kinderonkologischen Zentrum im Gemeinschaftskrankenhaus sind, ist es wichtig, dass sie über den Unterricht erfahren, ‚ich bin nicht nur krank, ich kann geistig noch etwas leisten‘“, betont Kinderonkologie Priv.-Doz. Dr. med. Alfred Längler, Leiter des Kinderonkologischen Zentrums. Krebskranke Kinder können so ihr Selbstwertgefühl verbessern und erleben in der „Schule für Kranke“ positiv ein Stück Normalität. Und wenn die Gedanken einmal nicht beim Lehrstoff sind, hat Rüdiger Reichle dafür Verständnis, denn „die Hauptkraft der Kinder muss für die Krankheit da sein.“
Bei der täglichen Besprechung der zwölf Lehrerinnen und Lehrer der Ita-Wegmann-Schule mit den Therapeuten stellt sich deshalb für jeden Schüler die Frage: „Welche Rolle soll die Beschulung spielen?“ Geht der Patient gerne in die Schule, wird der normale Schulstoff fortgeführt. Das Kollegium der Ita-Wegman-Schule steht im Austausch mit den Heimatschulen, um Informationen über Unterrichtsinhalte und schulische Perspektiven des Schülers zu bekommen. Anders ist es bei Kindern, deren Krankheit durch ihren früheren Schulbesuch mitbegründet wurde – etwa bei extremen Schulschwänzern. Der Pädagoge kann das Interesse an Schule wieder erwecken. Dabei bietet gerade die Waldorfpädagogik ein großes Instrumentarium an, da sie auf die Ressourcen der Kinder schaut und Kreativität fördert. Dies hilft, die Schüler wiedereinzugliedern. Oft geht damit auch ein Schulwechsel einher: Rund 40 Prozent der Schüler an der Ita-Wegman-Schule besuchen nach ihrem Krankenhausaufenthalt eine andere Schulform oder wechseln die Klassenstufe bzw. die Klasse.

Autor:

Melanie Giese aus Recklinghausen

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