Juli 2011 / Vor 70 Jahren hielt Bischof von Galen seine drei berühmten Predigten

„Eure Liebe und eure Treue, meine lieben Diözesanen, haben auch das von mir ferngehalten, was vielleicht mein schönster Lohn gewesen wäre, dass ich die Marterkrone erhalten hätte. Eure Treue hat es verhindert. Dass ihr hinter mit standet und dass die damaligen Machthaber wussten, wenn sie den Bischof schlugen, das ganze Volk sich geschlagen gefühlt hätte. Das ist es, was mich äußerlich geschützt, aber auch innerlich gestärkt und mir die Zuversicht gegeben hat.“ Mit diesen Worten bedankte sich Kardinal Clemens August von Galen am 16. März 1946 auf dem Domplatz in Münster vor 50.000 Menschen. Sie bereiteten ihm nach seiner Kardinalserhebung in Rom einen triumphalen Empfang.

Geradezu weltberühmt hatten den Bischof von Münster drei Predigten am 13./20. Juli und 3. August 1941, vor jetzt 70 Jahren, gemacht, die im In- und Ausland großes Aufsehen erregten. An sie wird am Mittwoch (20. Juli) in der Überwasserkirche in Münster erinnert.

Papst Pius XII. hatte Bischof Clemens August wegen seines mutigen Eintretens, vor allem gegen die Euthanasiemaßnahmen der Nationalsozialisten, zum Kardinal ernannt. Mit seiner Verhaftung, ja sogar mit der Hinrichtung musste Bischof von Galen rechnen, als er im Sommer 1941 in drei Predigten in St. Lamberti und in Liebfrauen Überwasser Anklage erhob gegen die Ermordung von Kranken und die Vertreibung von Ordensleuten.

Am 3. August 1941 sagte er beispielsweise: „Seit einigen Monaten hören wir Berichte, dass aus Heil- und Pflegeanstalten für Geisteskranke auf Anordnung von Berlin Pfleglinge, die schon länger krank sind und vielleicht unheilbar erscheinen, zwangsweise abgeführt werden. Regelmäßig erhalten dann die Angehörigen nach kurzer Zeit die Mitteilung, die Leiche sei verbrannt, die Asche könne abgeholt werden. Allgemein herrscht der an Sicherheit grenzende Verdacht, dass diese zahlreichen unerwarteten Todesfälle von Geisteskranken nicht von selbst eintreten, sondern absichtlich herbeigeführt werden, dass man dabei jener Lehre folgt, die behauptet, man dürfe so genanntes unwertes Leben vernichten, also unschuldige Menschen töten, wenn man meint, ihr Leben sei für Volk und Staat nichts mehr wert (…). Wenn einmal zugegeben wird, dass Menschen das Recht haben, ,unproduktive’ Mitmenschen zu töten, dann ist grundsätzlich an allen unproduktiven Menschen, also an den unheilbar Kranken, den Invaliden der Arbeit und des Krieges, dann ist der Mord an uns allen, wenn wir alt und altersschwach und damit unproduktiv werden, freigegeben. (…) Dann ist keiner von uns seines Lebens mehr sicher. Irgendeine Kommission kann ihn auf die Liste der ,Unproduktiven’ setzen, die nach ihrem Urteil ,lebensunwert’ geworden sind. Und keine Polizei wird ihn schützen und kein Gericht seine Ermordung ahnden und den Mörder der verdienten Strafe übergeben.“

Die Machthaber in Berlin ließen im Sommer 1941 nach den Predigten des Bischofs von Münster im größeren Umfang von den Euthanasiemaßnahmen ab. Sie planten aber gleichzeitig, ihre Abrechnung mit Bischof von Galen bis nach dem „Endsieg“ zu verschieben, weil sie wussten, mit welcher Treue die Katholiken zu ihrem Bischof standen.

Die Predigten von Galens wurden von der Bevölkerung zum Teil mit der Hand abgeschrieben und unter Lebensgefahr millionenfach verbreitet. Selbst deutsche Soldaten lasen den Text an den Fronten in Stalingrad und im ägyptischen El Alamein; die Alliierten warfen ihn als Flugblatt aus Flugzeugen ab. Die Predigten öffneten vielen Menschen die Augen für das wahre Gesicht des Nationalsozialismus und waren ein wichtiges Zeichen der Ermutigung für alle, die sich gegen die Willkürherrschaft der Machthaber stellen wollten. Der „Löwe von Münster“ wurde letztlich für die ganze Welt zu einer Symbolgestalt für das andere Deutschland.

Clemens August von Galen wurde als elftes von 13 Kindern am 16. März 1878 auf Burg Dinklage im oldenburgischen Teil des Bistums Münster geboren. 1904 empfing er im Dom zu Münster die Priesterweihe. 1906 ging er als Kaplan in die Diaspora nach Berlin. Die Seelsorge in der Großstadtpfarrei St. Matthias stellte an ihn hohe Anforderungen, die er aber beherzt annahm und mit großem persönlichem Engagement erfüllte. Als Kaplan und dann als Pfarrer von St. Matthias in Berlin begegnete er bei seinen Besuchen in den Kellerwohnungen und Hinterhäusern den Problemen der Arbeitslosigkeit, der Entwurzelung und der politischen Radikalisierung. Als Präses der Kolpingfamilie in Berlin setze er sich mit aller Kraft für die jungen Arbeiter und Handwerker ein. Nach fast 23 Jahren wurde von Galen 1929 als Pfarrer von St. Lamberti nach Münster zurückgerufen.

Am 12. September 1933 ernannte Papst Pius XI. ihn zum Bischof von Münster; die Bischofsweihe empfing er am 28. Oktober. Gemäß seinem Wahlspruch „Nicht Lob noch Furcht“, aufgrund seines von der christlichen Botschaft geprägten Charakters und gestärkt durch seine unumstößliche Glaubensüberzeugung, nahm er schon im Frühjahr 1934 kritisch Stellung gegen die Aussagen der NS-Ideologie und der Kirchenfeindlichkeit der Machthaber. Dies entsprach seinem Bild vom Amt des Bischofs und Priesters: Anwalt der Unterdrückten, Kämpfer gegen das Böse, Verkünder der befreienden Botschaft und Seelsorger für alle zu sein. Er war bereit, dafür sein Leben einzusetzen, und hatte vorsorglich Anordnungen getroffen für den Fall seiner Verhaftung. Die schlimmen Kriegszerstörungen der Stadt Münster, des Domes und seines Hauses erschütterten ihn tief.

Unerschrocken trat er nach Kriegsende 1945 gegen Übergriffe der Besatzungsmacht und den Vorwurf der deutschen Kollektivschuld gegenüber den Alliierten auf. Bei seiner Rückkehr als Kardinal aus Rom sagte Bischof von Galen am 16. März 1946 auf dem Domplatz: „Der liebe Gott hatte mir eine Stellung gegeben, die es mir zur Pflicht machte, das Schwarze schwarz und das Weiße weiß zu nennen, wie es im Ritus der Bischofsweihe heißt. Er hat mir eine Stellung gegeben, die mich zum Führer und Verantwortlichen von Hunderten und Tausenden machte, die gleich mir es schwer empfanden, wie Gottes Wahrheit und Recht, wie Menschenwürde und Menschenrecht beiseitegesetzt, zertreten, zu Boden geworfen wurde.“

Bereits sechs Tage später, am 22. März 1946, starb Kardinal von Galen an einer zu spät erkannten Blinddarmentzündung. Seine letzte Ruhestätte fand er im Dom zu Münster. Am 9. Oktober 2005 wurde er im Petersdom in Rom selig gesprochen.

05.07.2011 Verfasst von: Karl Hagemann / Bistum Münster

Autor:

Friedel Görtzen aus Kamp-Lintfort

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