Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz beim KKV:
„Was ist der Mensch wert? Über Person, Freiheit und das Glück der Grenze“

von links: Pfarrer Andreas Süß, Geistl. Beirat des KKV Monheim, die Referentin Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz und der KKV-Vorsitzende Herbert Süß. | Foto: KKV Monheim
  • von links: Pfarrer Andreas Süß, Geistl. Beirat des KKV Monheim, die Referentin Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz und der KKV-Vorsitzende Herbert Süß.
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Dieses anspruchsvolle Thema stellte Prof. Dr. Gerl-Falkovitz auf einer Vortragsveranstaltung des KKV Monheim am Rhein, Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung vor.

Was ist ein Wert?
Das deutsche Wort Wert hängt mit der Silbe -wärts zusammen: rück-wärts, vor-wärts, seit-wärts, ab-wärts, auf-wärts. So wendet der Wert auf etwas hin, verbunden mit einer bestimmten Richtung. Wert setzt in Bewegung auf ein Ziel hin.
Eine weitere Wortprägung findet sich in: lebenswert, bewundernswert, beneidenswert. Lebenswert meint, dass das Leben würdig ist, gelebt zu werden. Bewundernswert: etwas ist der Bewunderung würdig. Wert meint Würde, ist etwas Gutes in sich selbst, und ruft Zustimmung, Anerkennung, Achtung auf. So ist Wert also etwas Würdiges, würdig zu sein, würdig, getan zu werden. Es gibt Dinge, Zusammenhänge, die Würde haben, aus sich selbst heraus. Und es gibt ein Tun, das würdig ist, weil es Wert verwirklicht.

Zudem gibt es ein Spannungsgefüge von Werten, die gegenseitig auf sich verweisen. Prüfen wir ein Beispiel, die Stärke oder Tapferkeit. Sie ist selbst ein Wert, kraftvoll, lebendig, voller Würde. Sie drängt in eine Richtung: Ihr Ziel ist das Rechte, die Gerechtigkeit. Ohne ein solches Ziel ist Tapferkeit für sich genommen noch leer, sie hat noch keine Dynamik. Sie führt also hin zu einem anderen Wert - in ein Wertgefüge, hier zur Gerechtigkeit.
Auch diese ist Wert und drängt wiederum in eine Richtung. Wem soll die Gerechtigkeit dienen: allen dasselbe geben, oder jedem das, was er braucht (also dem einen mehr, dem anderen weniger)? Also egalitär oder distributiv? Daher muss die Gerechtigkeit im Wertgefüge mit Klugheit operieren. Klugheit besteht in der Unterscheidung der Geister, in der Unterscheidung des jetzt und hier Gebotenen. Sie wägt ab und prüft, und ihr Ziel ist das Gute. So kann das Gute als inneres Ziel des gesamten Wertgefüges gelten.

Was ist Person?
Der Mensch baut sich zunächst auf von außen nach innen. Menschsein beginnt im "Gehäuse" der Familie, der Gruppe, der Kultur (auch der Sprache). Erasmus von Rotterdam wagte zu Beginn der Neuzeit den reizvollen Vergleich: Wie die Bärin die unförmigen Knäuel, die sie geboren hat, erst durch Lecken zu Bären mache, so werde der Mensch nicht nur geboren, sondern erst zum Menschen gemacht. Homo factus, non natus. Wenn dies gelingen soll, dann haben wir tiefer den erstrangigen Wert der Verantwortung füreinander zu beleben. Und dies in zwei werthaften Elementen des "Hochziehens". Das eine ist die Bestätigung, die Anerkennung, die Schätzung des anvertrauten Du (und zwar in seiner Eigenheit, nicht als Kopie). Die erste, unabdingbare Stelle solcher Schätzung ist die Familie; Dazugehören ohne Vorleistung ist das wichtigste (und gefährdetste). Ein Kind braucht dabei nicht viele Gesichter, die sich über es beugen, sondern nur ein oder zwei: verlässlich, rhythmisch wiederkehrend, hilfreich. Später wachsen dann die Geschwister, die Schulfreunde, die Bekannten dazu. Wir wissen von den Spiegelneuronen, die das Kind zum Nachahmen des Lächelns seiner Eltern veranlassen.

Aber auch ein Zweites tut not, damit die Bestätigung nicht ins Süßlich-Falsche abrutscht: wie gut, dass es dich, mich, uns alle gibt - auch das wird als Ritual hohl. Dieses Zweite, das der Selbstwerdung dient, ist Widerstand, genauer: Bereitstellen von Aufgaben, Fördern durch Fordern.
Wir alle leben in einem unersättlichen Hunger nach Bestätigungen, leiden, wenn sie ausbleiben. "Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich dich liebe" - ein solcher Satz, mürrisch gesagt, streicht seinen Inhalt durch: Jede Beziehung bedarf der immer neuen Liebe, muss immer neu das Selbstbewusstsein im Spiegel wecken. "Am Du gewinnt sich das Ich", so Martin Buber.

Ein Zweites: Der Mensch baut sich auch auf von innen nach innen. „Herr im eigenen Hause werden" heißt, die Vorgaben der Triebe, die ebenso notwendigen wie mächtigen Motoren unserer Vitalität, kennen- und steuern zu lernen. Diese Motoren haben eine Neigung, gerade weil sie lebensnotwendig sind, sich zu verselbständigen: wie leicht geht der Trieb in Sucht über. Dann zerfetzt er aber das Leben, statt es aufzubauen. Das Empfinden der Unfreiheit ist das Warnsignal, wenn das Auseinanderstrebende überhand nimmt. Umgekehrt: Freiheit ist eine doppelte Erfahrung: frei zu sein vom bloß Triebhaften und frei zu sein für das Wichtige, das Erforderliche, das Gute.
Ein Drittes: Der Mensch baut sich auf von innen nach oben. Oben ist alles, was „hochzieht“: die Schönheit, die Kultur, die Wahrheit, die Liebe, letztlich: die Erfahrung Gottes. Ohne diese Oben-Erfahrung bleibt der Mensch auf sie selbst beschränkt, kann seine tiefsten Kräfte nicht entbinden. In sich stehen und zugleich sich hingeben können - das ist Person.

Das Glück der Grenze heißt nun: Einzigsein, nicht verschwimmen, Kontur haben. Heißt also auch: lieben, ohne mit dem anderen zu „verschmelzen“. Es gibt religiöse und meditative Entwürfe, wo das Leitbild ist: in einer Begegnung mit dem Göttlichen sich selbst abhanden zu kommen, zu verschwinden, sich aufzulösen. Bilder dafür sind: der Tropfen, der in den Ozean zurück taucht, der Schmetterling, der im Licht verbrennt … Damit kommt aber etwas Kannibalisches ins Spiel - die wirkliche Liebe aber frisst gerade nicht auf. Es geht um die Einswerdung von Zweien, aber: Beide bleiben erhalten in der Liebe. Sie stabilisiert, sie zerstört nicht. Das Glück, ich selbst zu sein und dir zu gehören, das ist das Glück der Grenze. Frei zu sein und sich zu schenken, ohne sich zu vergeuden - das ist personale Liebe. Was ist der Mensch wert? Er ist wert, er selbst zu sein, unverwechselbar, einzig, und mit anderen seinen einzigartigen Wert zu teilen.

Der Monheimer KKV-Vorsitzende, Herbert Süß, dankte der Referentin für ihren hervorragenden Vortrag. Der KKV habe mit der heutigen Veranstaltung in Monheim dem interessierten Publikum ein spannendes Thema geboten.

Autor:

Bernd-M. Wehner aus Monheim am Rhein

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