Mütter in Teilzeitausbildung. Geht das? Ja, es geht!

Lebensformen gibt es viele. Man kann in Teilzeit arbeiten. Man kann sein Kind allein erziehen. Man kann eine Ausbildung machen. Und wenn die Umstände es zulassen, wenn man viel Unterstützung und Engagement erfährt, kann man auch alles gleichzeitig…

Mike Peters aus Elten ist so ein ‚Fall’. 2008 wurde die Emmericher Gymnasiastin (22) Mutter einer Tochter. Den theoretischen Teil des Fachabiturs hatte sie 2007 in der Tasche, dann ging es ein Jahr als Au Pair nach Kanada, wie das viele nach der Schule machen, bevor es ins Studium oder in die Ausbildung geht. Diese Pläne durchkreuzte Töchterchen Mia, die im Dezember zwei Jahre alt wird. Mike Peters machte sich schließlich auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz denn der ‚Leistungsbezug’ vom Sozialamt sollte keine Dauerlösung sein. Rund 30 Bewerbungen schrieb die junge Frau und wurde mehrfach zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Vielversprechend seine einige der Gespräche gewesen, so Mike Peters, aber immer, wenn ich auf meine Tochter zu sprechen kam, machten die potentiellen Arbeitgeber einen Rückzieher. Das haben sie natürlich so nicht gesagt, aber ich konnte deutlich spüren“, schildert die junge Frau ihre Erfahrungen.

Bei Fallmanagerin Christiane Naß von der Agentur für Arbeit sind alle jungen Eltern und allein Erziehenden registriert und werden über die Möglichkeiten zu Beruf und Ausbildung informiert. Auch Mike Peters erhielt Post von ihrer Fallmanagerin und erfuhr, dass es die Möglichkeit einer Teilzeitausbildung gibt. Mit Hans Langohr von der Buchhandlung Dambeck wurde schließlich ein Ausbildungsbetrieb gefunden, der sich auf das ‚Wagnis’ einlassen wollte, eine junge Mutter einzustellen. „Sicherlich könnte es passieren, dass die Kleine einmal krank wird und Frau Peters dann bei ihrem Kind sein muss“, ist sich Langohr, selbst Vater, der Risiken bewusste. Auch die Berufsschultage liegen für beide Azubis in der Buchhandlung am selben Tag, so dass ihm gleich zwei Kräfte im Betrieb fehlen. „Das kriegen wir aber irgendwie hin!“ ist Langohr von der Machbarkeit überzeugt und hat schon nach wenigen Wochen die Stärken einer Mutter auf dem Haben-Konto für’s Unternehmen verbucht: „Umsicht, scheinbar belanglose Kleinigkeiten in den Abläufen, die für unsere Kunden aber wichtig sind, wie etwa die Frage, wie man mit einem Kinderwagen durch die Auslagen kommt…diese und andere Dinge sieht Frau Peters eben mit den Augen einer Mutter und das ist ein Gewinn für unser Unternehmen!“ Auch Bärbel Quilitzsch vom SOS Kinderdorf und Hans Sterbenk vom Sozialamt in Emmerich sind der Überzeugung: „Mütter bringen ganz andere Kompetenzen mit. Ein Mehr an Verantwortungsbewusstsein, Lebenserfahrung und Umsicht, als da vielleicht bei Schulabgängern der Fall ist, die noch bequem im Elternhaus versorgt werden. Das ist aber vielen potentiellen Arbeitgebern gar nicht klar. Viele wären gut beraten, nicht gleich abzuwinken, wenn ein Bewerber bereits Kinder hat!“, appellieren sie an die Unternehmen. Die Ausbildungsbetriebe erhalten einen pauschalierten Zuschuss zur Ausbildungsvergütung, der in zwei Raten nach der Probezeit und zur Prüfung gezahlt werden. 5.000 Euro sind das im Falle von Mike Peters.

Bereits seit 2005 gibt es die Möglichkeit, zur Teilzeitausbildung, inzwischen arbeiten die Stadt Emmerich und die Agentur für Arbeit schon erfolgreich in einem weitläufigen Netzwerk. Vier Teilzeit-Azubi-Mütter wurden bislang erfolgreich in Unternehmen vermittelt und die Rückmeldung ist ausnahmslos positiv.

Dass diese Chance kein Zuckerschlecken werden würde, war Mike Peters klar: Die Berufschule für Buchhändler ist in Düsseldorf. Schulbeginn ist um acht Uhr, Mike Peters’ Zug fährt um 6 Uhr. Jeden Dienstag und jeden zweiten Donnerstag. Und an den Donnerstagen ist sie erst um 18.30 Uhr wieder zurück. Oma und Opa sind dann für Mia da; wenn ihre Tochter zwei Jahre alt ist, will Mike Peters es vielleicht mal mit einer Tagesmutter probieren. An den Abenden vor der Berufsschule übernachtet sie mit Tochter bei den Eltern, weil der Start für alle Beteiligten sonst am nächsten Morgen unzumutbar früh wäre. Die Arbeitstage sind dann von 10 bis 17 Uhr – das ist dann für die junge Mutter gut zu bewältigen. Über drei Jahre geht die Ausbildung jetzt für Mike Peters, die Verkürzung auf zweieinhalb Jahre, die man mit dem Fachabitur eigentlich bekommen könnte, ist gestrichen. Sonst würden zu viele Stunden fehlen, denn die Teilzeit ist ja schon eine Reduzierung. Hans Langohr findet diese Lösung als Ausbildungsbetrieb vertretbar. Nur im Bereich der Berufsschule gibt es kein Pardon und Vorschriften, die einem unter Umständen ‚gefährlich’ werden könnten: Wer zu viele Fehlstunden hat, und dabei ist es gleich, ob man sich um ein Kind kümmern müsste, wird nicht zur Prüfung zugelassen!“, so Bärbel Quilitzsch. Gemeinsam werden die Stadt Emmerich und die Agentur für Arbeit jetzt die Emmericher Unternehmerschaft auf die Möglichkeiten und guten Erfolge bei der Teilzeitausbildung aufmerksam machen. „Auf diese Weise gelingt es uns sicherlich, noch mehr Unternehmen von der Machbarkeit und den Chancen zu überzeugen, die die Teilzeit-Ausbildung auch von Müttern bietet.

Autor:

Caroline Büsgen aus Emmerich am Rhein

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