Vor 390 Jahren, wichtige Stadt - schwere Kämpfe
Rheinberg wird belagert und eingenommen

Rheinberg 1633, Federzeichnung (Ausschnitt) von Rivet. Mit freundlicher Genehmigung Stadtarchiv Rheinberg
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  • Rheinberg 1633, Federzeichnung (Ausschnitt) von Rivet. Mit freundlicher Genehmigung Stadtarchiv Rheinberg
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von Hansfried Münchberg
Das, aus heutiger Sicht, beschauliche niederrheinische Städtchen Rheinberg war über Jahrhunderte immer wieder Opfer und Ziel von Begehrlichkeiten fremder Mächte. Obwohl nur eine kleine Stadt, war es, aufgrund seiner Lage am Rheinstrom und als der nördliche Eckpfeiler des Erzbistums Köln, ein strategisch wichtiger Ort. Ein Grund war wohl die hier gelegene Zollstation, die demjenigen, der sie innehatte, eine reichliche Pfründe bescherte. Wer stromaufwärts oder stromabwärts wollte, er musste hier anlegen und Zoll zahlen. Weil man ein so lohnendes Objekt auch gut behüten muss, war Rheinberg im Laufe der Jahre stark befestigt worden. Ehrfurchtgebietend, sozusagen als Zeigefinger, der 80 Fuß hohe Zollturm mit seinen 4 Meter dicken Mauern aus schwarzem Basalt. Geschützt war die Stadt durch eine ringsum laufende Stadtmauer mit 21 Halbtürmen, davor Gräben und Wälle, teilweise sogar noch eine zweite Mauer und davor erneut ein Graben, sie machten sie zu einer schwer einnehmbaren Festung. Man kam nur an den Stadttoren, Geldersche Port auch Lütport genannt, Casseler Thor, Rheinthor, und Sandt Port (Xantener Tor) in die Stadt hinein.

Befestigtes Rheinberg, Zeichnung aus Merian, Theatrum Europaeum, einmontiert heutiger Plan der Altsstadt. Montage Hansfried Münchberg
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Im Verlaufe des 16. und 17. Jahrhunderts hatte Rheinberg ganz besonders unter einer Folge immer wiederkehrender Belagerungen und Besatzungen zu leiden. Eine davon, im Theatrum Europaeum des Matthäus Merian besonders gut dokumentiert, geschah vor nunmehr 390 Jahren, im Jahre 1633.

In den 50 vorangegangenen Jahren hatte das Städtchen Berck, wie es damals hieß, bereits sieben mal den Besitzer gewechselt. Hauptkontrahenten waren jeweils der Erzbischof von Köln, der hier ein reiches Einkommen aus Rhein-Zoll erzielte, sowie die mit ihm Verbündeten Spanier, die die Sache des Katholizismus mit großen Eifer verteidigten, auf der Gegenseite die unter protestantischer Flagge handelnden Niederländer, teilweise auch die Moerser Protestanten.

27 Jahre zuvor, im Jahr 1606, hatten die Spanier unter dem berühmt-berüchtigten General Ambrosio Spinola, der schon fast ganz Deutschland mit seinen Feldzügen verwüstet hatte Rheinberg angegriffen, Wochenlang wurde die Stadt mit Geschützen und ihren verderben bringenden Geschossen traktiert. Sowohl die Schloßbesatzung als auch die Zivilbevölkerung hatte große Opfer zu beklagen. Die Niederländer wurden damit aus der Stadt vertrieben. Aus dieser Zeit wird berichtet, daß die Rheinberger der Mordgier der spanischen Soldateska ausgeliefert waren, der aufgepeitschte konfessionelle Fanatismus feierte wahre Orgien, der Protestantismus wurde auf bestialische Weise ausgerottet, zahlreiche Rheinberger wurden hingerichtet. Während dieser Zeit wurde der Bau der Fossa Eugeniana begonnen, mit dem die Spanier die Niederlande von den einträglichen Frachtzöllen auf dem Rhein abschneiden wollten.

Der 30 jährige Krieg tobte damals in unserer Gegend besonders heftig. Insbesondere Rheinberg rückte immer wieder in den Mittelpunkt des Interesses. Im Theatrum Europaeum wird die Ausgangslage im Jahr 1633 sinngemäß folgendermaßen geschildert. Die hohe Geistlichkeit in Köln hatte fleißig beratschlagt und Anstrengungen unternommen um eine starke Armee in Deutschland zu halten.
Die Spanischen/ Brüsseler Deputierten versuchten zwar einen Frieden auszuhandeln, was auf Grund der Bedingungen die beide Seiten stellten aber unmöglich schien. Die Spanier sahen diese „ihres Königs, der katholischen Majestät Respekt und Würde wenig in acht genommen wäre, daß sie solch schlimme Conditionen zurückzubringen sich gescheuet und geschämt hätten“.

Da also kein Frieden ausgehandelt werden konnte, rüsteten nun auch die Niederlande für die protestantische Seite zum Feldzug. Ihr Plan war, die Stadt Rheinberg in ihre Gewalt zu bringen, um den Rheinstrom und damit den Zugang nach Deutschland wieder zu erhalten,

Friedrich Heinrich, Prinz von Uranien, Bild wiki-commons

Mit diesem Vorhaben, so wird geschildert, ist Friedrich Heinrich „Prinz von Uranien“ am 5. April mit 4000 Mann aufgebrochen und „stracks auf Rheinberg marschiert“. Dort angekommen wurden gleich die Quartiere eingeteilt und mit der Belagerung begonnen.

Merian schildert: „Der Prinz nahm sein Quartier auf St. Annenberg, was ein hoher und wohlgelegener Platz ist. Gegen Norden am Rhein nahm der Graf von Solms sein Quartier. Der Herr von Dieden das seine Ostwärts gegen der Efter-Schantz, südwärts Herr von Bredenrode, und vom Süden der Stadt Graf Moritz von Nassau. Diese Quartiere wurden alle aneinander gehängt und mit Schanzen, Reduiten und Hornwerken verwahrt. Die Befestigungen waren 8 Schuh dick und die Gräben 16 Schuh weit. (1 Schuh zwischen 25 und 30 cm)“ Eine Karte aus jener Zeit zeigt den lückenlosen Einschluß der Stadt sehr deutlich. Darauf zu sehen auch die Schiffbrücke über den Rhein nördlich Rheinberg.

Der Belagerungsring um Rheinberg, durch die Niederländischen Truppen eingeschlossen. Laufgräben. Bild Theatrum Europaeum
  • Der Belagerungsring um Rheinberg, durch die Niederländischen Truppen eingeschlossen. Laufgräben. Bild Theatrum Europaeum
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Belagerungsring um Rheinberg im Jahr 1633. A: Hauptquartier Prinz von Oranien, B: Graf Moritz von Nassau Quartier bei Strommoers, C: Herr von Bredenrode Quartier bei Budberg, D: Herrn von Dieden Quartier bei Efter Schantz, E: Graf von Solms Quartier bei Ossenberg, G: Fossa Eugeniana, H: Schanze darin 100 umgekommen, I: Schiffbrücke bei Mehrum

Während dieser Belagerungsring um die Stadt gezogen wurde, schossen die „Spanischen“ unterdessen unaufhörlich heraus.

Das vorzugsweise bei der Belagerung verwendete Geschütz, eine Carthaune
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Am 15. Mai war die erste Batterie im Lager der Angreifer fertig und mit 6 halben Carthaunen (Vorderlader-Geschütz) bestückt, deren Wirkung die Belagerten am folgenden Tag zu spüren bekamen. Aus einer Halbcarthaune konnten Kugeln von 7 bis 14 kg Gewicht verschossen werden, um ein solches Geschütz bewegen zu können mussten 8 Pferde eingespannt werden.

Zeitgleich wurden an drei Stellen Laufgräben, sogenannte Approchen, zur Stadt hin ausgehoben. Der erste Graben lief vom Quartier des Grafen von Solms längs des Rheins auf das Bollwerk von St. Peter Port. Die anderen fingen an Graf Moritz Quartier (Annaberg) an und liefen auf zwei Bollwerke an der Lütpfordt (Gelderschen Pforte). Der dritte Graben von Süden (aus Richtung Budberg) auf den halben Mond vor der Rhein- und den vor der Casslerpforte.

Aus diesen halben Monden fing man am 9 Mai an mit 6 Halbcarthaunen zu feuern. Darauf wurde am 12. Mai in der Nacht das „Fort Beckaff“, wohl ein befestigter Platz zur Sicherung der Fossa Eugeniana, angegriffen und mit „stürmender Hand“ erobert und 2 Stück Geschütz und 14 Tonnen Pulver erbeutet. Dabei wurden auch 170 Mann der Besatzung niedergemacht“. (Dort sollen vor etlichen Jahren die Rheinberger zum Baden ins Wasser gestiegen sein.)

Merian schildert: „Daraufhin haben die spanischen Verteidiger aus der Stadt heraus unaufhörlich „Feuer gegeben“ und Tag und Nacht vierhundert Schuß abgefeuert“.

Die Belagerer erwiderten die Kanonade am 14. und 16. Mai mit dem Feuer von 4 Batterien aus dem Lager.
Unter einem Kugelhagel von 38 Halbcarthaunen bei dem kaum ein Haus unbeschädigt blieb, wurden die Laufgräben weiter Richtung Stadt vorangetrieben, so daß die Belagerer der Stadt am 20. Mai so nahe kamen, daß sie mit den Belagerten reden konnten. Nach vielen Arbeiten und Widerstand, waren die Laufgräben so nahe an die Mauern getrieben, daß unter diesen eine Mine angebracht werden konnte.

Der Chronist schildert: „Obwohl während der ganzen Zeit der Belagerung sich die Besatzung in Rheinberg über die Maßen mutig gezeigt und sowohl die aus der Stadt als auch die gegenüber liegenden Schanzen mit Schießen tapfer auf die Belagerer angehalten hatten und obwohl sie mit Verpflegung und Munition wohl versehen waren, haben sie nun die Aussichtslosigkeit ihrer Lage begriffen und erklärten sich zu Verhandlungen mit den Belagerern bereit“.

Am 2. Juli 1633 wurde eine 17 Punkte umfassende Vereinbarung getroffen, die die Bedingungen für den Abzug der spanischen Truppen detailliert festgeschrieben hielt.

Als erster Punkt war festgelegt, daß das Recht zur Ausübung der katholischen Religion noch zwischen dem Kölner Kurfürsten und den Niederlanden ausgehandelt werden müsse. An diese Vereinbarung sollen sich sowohl geistliche als auch Weltliche Herren halten. Die Geistlichkeit soll ihre Güter behalten dürfen, die Nonnen in den Klöstern sollen unbehelligt bleiben, die Privilegien der Stadt und ihrer Bürger sollen unangetastet bleiben.

Weiter war unter Anderem ausgehandelt worden, daß der „Gubernator“, wie der Stadtverwalter damals genannt wurde, am 4. Juli mit seinen Offizieren, Soldaten, zu Ross oder zu Fuß ungehindert, mit Waffen und Bagage, die Reiterei mit Trompeten und fliegenden Standarten in voller Rüstung aus der Stadt ziehen dürfe, er darf 2 Feldstück (Kanonen) mit je 12 Schuß Munition mitnehmen. Zu jedem Geschütz sind 12 Pferde zu bestellen. Das gemeine Volk aber mit Trommelschlag fliegenden Fahnen, brennenden Lunten und Kugeln im Mund unbedrängt aus der Stadt ziehen dürfen.

Auch war geregelt, daß alle Beute, die in der Stadt sowohl vor als auch während der Belagerung gemacht wurde nicht zurückgefordert werden soll, daß weder Pferde, Waffen, Waren und andere Sachen, die für gute Beute gehalten werden könnten, zurückgefordert noch deswegen Jemand angefochten werden soll. Auch die in Rheinberg festgesetzten Bürger von Wesel und Xanten sollten als neutral, frank und frei und ohne Lösegeld, die Zehrung ausgenommen, freigelassen werden.

Nachdem nun diese Vereinbarung beiderseits gebilligt war, „sind Donnerstag Abend 7 Kompanien oranische Truppen in die Stadt eingezogen, mit dabei des Prinzen Leib- Kompanie und Leib-Garde. Diese haben die Pforten der Stadt eingenommen und besetzt, die anderen 6 Kompanien sind in die Außenwerke gezogen“.
Den Abzug der Spanier schildert der Chronist folgendermaßen: „Die Bagage, dabei 220 Wagen mit Weibern und Kindern zuerst, danach des Gubernators Fräulein in einer Kutsche (Gutschen), denen folgten 16 Fähnlein Fußvolk, ungefähr 1300 Mann, samt 2 Stücken (Geschütz) jeweils von 9 Pferden gezogen. Denen folgte ein Cornet Reiter von 80 Mann, die den Gubernator (mit 7 Pferden) begleiteten. Mitten in dem Cornet wurde ein Abbild der Heiligen Mutter Gottes mitgeführt.“ Die ganze abziehende spanische Besatzung zog von Rheinberg ins 200 Km entfernte belgische Namur.

Nach dem Abzug stellte sich heraus, daß die Stadt noch wohlversehen war. Es wurde darin vorgefunden: 30 Metallene Stück (Geschütze), darunter zwei ganze und 9 halbe Carthaunen, 70 Tonnen Pulver, 30 000 oder 40 000 Pfund Kugeln und noch sechs eiserne Stück (Kanonen).

Zum Schluß des Berichts wird noch vermerkt: „Nach der Eroberung der Stadt wurden allenthalben Dankfeste und Freudenzeichen angestellt.“

Damit war Rheinberg für 39 Jahre in holländischer Hand, bevor es 1672 wieder den Besitzer wechselte.

Autor:

Hansfried Münchberg aus Moers

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