Veröffentlicht im Rheinberger Wochenblatt
Schiffsanleger für Rheinberg gefordert

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Eine Reise von Rheinberg nach Wesel, oder rheinaufwärts nach Duisburg, Düsseldorf oder gar nach Köln, für gottesfürchtige, erzkatholische, Rheinberger fast ein Muss, war Mitte des 19. Jahrhunderts eine beschwerliche und zeitaufwändige Angelegenheit. Es galt, zunächst zu Fuß oder mit dem Pferdegespann nach Orsoy zu kommen, eine ganz schöne Strecke damals wie heute. Es sind etwa 8 Kilometer Fußweg, zurückzulegen, bei strammem Gehen braucht man etwa eineinhalb Stunden.
Dabei floss doch der Rhein nahe an Rheinberg vorbei, was läge also näher, als eine Anlegestelle bei dem beschaulichen Städtchen anzulegen. So dachte wohl auch der Redakteur des „Rheinberger Wochenblatt“ als er folgende, ihm als Leserbeitrag zugeschickte, vermutlich fiktive, Unterhaltung im Frühjahr 1861 in sein Blatt rückte.

Ein Kölner:Sagen Sie mein Freund, wie heißt der Ort dort, von dem wir den Kirchthurm hier sehen, er kann höchstens in einer Entfernung von 12 bis 15 Minuten vom Rheine liegen?

Ein Rheinberger: Das ist Rheinberg!

Kölner:Rheinberg, wo Sie her sind?

Rheinb.:Ja, die Vaterstadt des weltberühmten Boonekamp.

Kölner: Ist der Ort denn so unbedeutend, daß nicht mal die Dampfschiffe dort anlegen, ja er nicht 'mal eine Nachenstation hat?

Rheinberger:Unbedeutend ist Rheinberg eben nicht, aber die Ursachen, warum der dringende Wunsch seiner Bewohner, die Dampfschiffe hier landen zu sehen, nicht realisiert wird, zersplittert sich in vielen kleinen Nebenumständen.
— Vor einigen Jahren hatte man es versucht, über manche derselben durch ein finanzielles Opfer hinwegzukommen und eine Nachenstation zu errichten, aber mit der Opferwilligkeit fiel auch wieder das Unternehmen und wir fahren vor wie nach wieder an Rheinberg vorbei nach Orsoy, um dann den 1 Meile langen Weg nach Rheinberg zu Fuß zu machen.—

K.: War denn der Verkehr so unerheblich, daß man dieses Unternehmen so leichten Kaufes eingehen ließ?

Karte von 1836 – 1850, preussische Landaufnahme Rheinberger Fähranleger rot eingezeichnet, (tim-online)

Rheinberger:Das eben nicht, denn der Nachen stieß nie leer ab, war häufig sehr besetzt, ja zuweilen überfüllt und gelangte auch eben so beladen wieder an.

K.: Und doch ging die Station wieder ein; das ist sonderbar! Woran lag das denn eigentlich?

Rh.:Das will ich Ihnen kurz sagen. Wie Sie da sehen, liegen in der Nähe von Rheinberg nur 2 Häuser am Rheine, in dem einen wohnt ein Ackerer, Namens Herr Ettwig und in dem andern der Fährpächter Hassel. Letzterer hatte die Nachen-Führung zu den Dampfschiffen übernommen, erhielt 40 Thaler im ersten Jahre und von jedem der Passagiere einen Silbergroschen.
Dieses kleine Einkommen wäre bei Manchem willkommen gewesen, aber Herr Hassel in seinen Verhältnissen sah die Sache mehr als eine Gefälligkeit an, die er der Stadt Rheinberg erzeigte, als daß er den Verdienst in Betracht gezogen hätte.
Mit dem Nachtdienst wollte er per se nichts zu schaffen haben, und zwar auch aus dem Grunde, weil ihm die Kapitäne der Dampfschiffe, welche, aus welchen Gründen weiß ich nicht, unserer Station nicht zugetan waren, schon bei Tage das Anfahren durch zu kurzes Stoppen so sehr erschwerten, daß er sich, obschon ein geschickter Fährmann, den Gefahren bei Nacht nicht aussetzen mochte. Als nun im nächsten Jahre der Herr Hassel von der Stadt Rheinberg einen Zuschuß von 30 Thalern verlangte und diese ihm geweigert wurden, da war es aus mit der Dampfschiffstation.

K.: Hören Sie 'mal Freund, ich will Ihnen einen Rath geben, den Sie Ihren Mitbürgern mitteilen können: Wenn der Verkehr so groß ist, wie Sie sagen, dann verlohnt es sich auch, daß Sie eine Landungsbrücke anlegen und dann wird sich die eine oder die andere der Gesellschaften bewogen fühlen, bei Ihnen anzufahren.— Sie sind dann allen Schikanen überhoben und es wird sich leichter Jemand finden, der die Expedition übernimmt.

Schiffs-Fahrplan von Orsoy, 1861

Rh.:Vor einigen Abenden fanden sich mehrere Herren von Rheinberg bei der Frau de Fries zusammen.„

K.: Ach, wo das herrliche Bier ist, das der junge Mann selbst braut, es ist dort auch Gastwirthschaft?

Rh.Entschuldigen Sie, mein Herr, wo Sie meinen, das ist bei der Frau Ww. Neukerk oder wie man auch sagt:„beim Heinrich in der Sonne“, da war es dieses Mal nicht, sondern beim„Franz auf der Ecke“, so heißt nämlich der Sohn im Hause, der auch ein herrliches Gläschen Gerstensaft verzapft. Doch zur Sache. Jene Herren meinten auch, wenn eine Pontonbrücke angelegt würde, dann könnten auch sämtliche Güter, die jetzt fast alle per Eisenbahn kommen und spedirt werden diesen Weg nehmen, sowie die Rheinberger Touristen und Geschäftsleute, die jetzt fast ausschließlich Post und Eisenbahn benutzen, diese Verbindung mit Freuden begrüßen würden..

Der Ruf Station Orsoy unterbrach die beiden Reisenden. Der Rheinberger griff Reisetasche und Regenschirm, verabschiedete sich mit einem raschen Händedruck von seinem Reisegefährten und stieg in den inzwischen angelegten Nachen um bei Orsoy an's Land zu steigen. Vom Verdecke aus rief der Kölner noch, indem er dem dahineilenden Nachen eine grüßende Handbewegung nachsandte
:„Sorgen Sie, daß Sie bald in Rheinberg anfahren können, Adieu !"

Anlegestelle Orsoy 2011

Mangelnde Verkehrsanbindung an den Rest der Welt
In der folgenden Ausgabe des Rheinberger Wochenblattes, bedankt sich ein Leser für die Anregung, einen Schiffsanleger in Rheinberg zu installieren, bedauert aber gleichzeitig die doch sehr mangelhafte verkehrsmäßige Anbindung Rheinbergs an den Rest der Welt.
Er schreibt: Wie wünschenswerth nun auch eine Dampfschiffahrt- Verbindung für Rheinberg wäre, dringend nöthig wäre aber auch eine bessere Post-, resp. Eisenbahn-Verbindung.
Zwar gäbe es eine Schnellpost-Verbindung zwischen Cleve und Crefeld, diese sei aber ziemlich zwecklos für Rheinberg, da diese nur Gelegenheit bietet, des Nachmittags über Grünthal gegen 5½ Uhr in Wesel einzutreffen, um daselbst die Sonne untergehen zu sehen, oder den schönen militairischen Zapfenstreich zu hören, An ein Zurückkommen am gleichen Tag ist nicht mehr zu denken.

Auch gäbe es keine annehmbare Post-Verbindung nach Moers, bzw. Homberg, um die dort abgehenden Bahnverbindungen zu erreichen. Von Ruhrort nach Köln käme man mit der Eisenbahn immerhin in nur 6 Stunden. Bei den damals bestehenden Verbindungen, so klagt der Schreiber, gäbe es praktisch keine Gelegenheit, egal ob man nach Cöln, Aachen oder Crefeld wolle, am Abend wieder sicher in Berkas Mauern zu sein.

Er schließt seine Ausführungen mit dem Wunsch
„in dieser Beziehung Rheinberg endlich einmal Gelegenheit zu verschaffen besser durch die Welt zu kommen!“

Autor:

Hansfried Münchberg aus Moers

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