PCB-Skandal: Auch landesregierung schaltet sich ein
Droht BIW Schließung in Ennepetal?

Um sie dreht sich der PCB-Skandal in Ennepetal:  Verursacherfirma biw. | Foto: S. Jarych
  • Um sie dreht sich der PCB-Skandal in Ennepetal: Verursacherfirma biw.
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PCB und kein Ende: Die Firma BIW glaubte, mit einem neuen chlorfreien Vernetzer die Lösung quasi auf dem Tisch liegen zu haben – zumal in Iserlohn die Schwesterfirma auf der Grundlage des neuen Vernetzers die Betriebsgenehmigung erhielt. Doch das scheint Schnee von gestern zu sein. Obwohl alle mit der Bezirksregierung vereinbarten zusätzlichen Arbeitsschutzmaßnahmen – wie zum Beispiel betrieblich gestellte und gereinigte Arbeitswechselkleidung oder punktuelle Maschinenabsaugungen – in Ennepetal bei BIW erfolgreich umgesetzt wurden, bis auch hier die Produktion auf den chlorfreien Vernetzer umgestellt ist, droht die Schließung des Werkes.

Der Landrat des EN-Kreises, Olaf Schade, droht mit der Untersagung des alten Vernetzers. Das würde die sofortige Schließung des Werkes in Ennepetal mit 600 Arbeitsplätzen bedeuten. Die Geschäftsführung von BIW reagiert fassungslos: Aktuellste Messergebnisse belegen: Die innerbetrieblichen Belastungen liegen unterhalb des Interventionswertes von 3.000 Nanogramm pro m³ Luft am Arbeitsplatz und konnten um mehr als die Hälfte auf 1.070 ng im Bereich der belasteten Produktionsprozesse gesenkt werden. In Bereichen außerhalb der Produktion liegt man mit 193 ng sogar deutlich unter dem Unbedenklichkeitswert von 300 ng pro m³ Luft. Seitens des Arbeitsschutzes, angesiedelt bei der Bezirksregierung, und auch seitens der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie gibt es also weiterhin „grünes Licht“ für die BIW Produktionsstätten am Standort Ennepetal Oelkinghausen.

Zwei öffentlich zugelassene Prüfinstitute hatten im Innenbereich des Unternehmens gleichermaßen Entwarnung gegeben mit aktuellsten Messwerten. Ergebnis war, dass weder Grenzwerte erreicht noch überschritten werden. Auch das Biomonitoring von 44 BIW- Mitarbeitern durch die RWTH Aachen wurde inzwischen ausgewertet. Fakt ist, dass die Gesamtbelastung mit allen PCB Arten bei den BIW Mitarbeitern nicht nur deutlich unter denen der Vergleichsgruppen lag, sondern auch die maximale Belastung, die bei BIW festgestellt werden konnte, liegt nur etwa bei der Hälfte dessen, was in der betreffenden Altersgruppe üblich ist. In der Regel sind PCB Belastungen durch die Nahrungsmittelaufnahme verursacht, wie dies bei der Gesamtbevölkerung der Fall ist. Außerdem arbeitet die BIW-Geschäftsführung mit dem gesamten Team an der Modifikation der Prozesse durch Einsatz chlorfreier Vernetzungssysteme. Parallel hierzu laufen die Erprobungen zum Einsatz neuester Abluftreinigungs- und Filtertechniken weiter, mit denen jegliche Emissionen effektiv minimiert werden sollen.

16 Uhr legen Arbeiter die Arbeit nieder

Das Unternehmen macht aus seiner Sicht deutlich, was eine Untersagung des bisherigen Vernetzers bedeutet. Es käme nicht nur zu einem Aus für 600 Arbeitsplätze, eine Insolvenz des Unternehmens droht ebenso wie der europäische Zusammenbruch systemrelevanter Lieferketten.
Heute um 16 Uhr wollen die Mitarbeiter ihre Arbeit niederlegen und für den Erhalt ihrer Jobs streiken.

Auch die Landesregierung schaltet sich jetzt ein. Das Umweltministerium (MULNV) fordert in Abstimmung mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) den Bund auf, zeit-nah eine rechtliche Prüfung und Klarstellung zum Vorkommen von polychlorierten Biphenylen (PCB) aus Anlagen zur Silikonherstellung vorzunehmen. Die derzeit paradoxe Situation: Die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von PCB ist durch EU-Recht grundsätzlich verboten. Wenn PCB jedoch nicht zielgerichtet hergestellt werden, sondern unbeabsichtigt entstehen, ist die Rechtslage sehr komplex und die Hürde für ein behördliches Eingreifen höher.

„Hier gibt es eine Regelungslücke, die umgehend geschlossen werden muss“, forderten Umweltstaatssekretär Dr. Heinrich Bottermann und Gesundheitsstaatssekretär Dr. Edmund Heller. Ein entsprechendes Schreiben an das Bundesumweltministerium habe das nordrhein-westfälische Umweltministerium bereits auf den Weg gebracht. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die gleichen gefährlichen Stoffe – die PCB – unterschiedlich behandelt werden, je nachdem wie sie entstehen. Hier bei einer nicht beabsichtigten, aber sehr wohl bekannten Entstehung von PCB erst konkrete Gefährdungsnachweise zu fordern, mache eine effektive Gesundheitsvorsorge zugunsten der Bevölkerung und der Beschäftigten extrem schwierig. Staatssekretär Bottermann kündigte darüber hinaus eine Bundesratsinitiative an, damit die entsprechende Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz geändert wird.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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