Forscherteam entdeckt parasitische Wespen in versteinerten Fliegenpuppen

Paläontologe Dr. Achim Schwermann aus dem LWL-Museum für Naturkunde hält einige der winzigen Fliegenpuppen in der Hand, die das Forscherteam untersucht hat. | Foto: LWL/Steinweg
  • Paläontologe Dr. Achim Schwermann aus dem LWL-Museum für Naturkunde hält einige der winzigen Fliegenpuppen in der Hand, die das Forscherteam untersucht hat.
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Unter leitender Beteiligung des LWL-Museums für Naturkunde des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster sucht und findet ein internationales und interdisziplinäres Forscherteam Parasiten in versteinerten Fliegenpuppen.

Es gab lediglich einen Hinweis aus den 1940er Jahren, dass sich in den etwa 30 Millionen Jahre alten Fliegenpuppen nicht nur Fliegen entwickelt haben. Die fossilen Fliegenpuppen stammen aus der französischen Region Quercy. Sie wurden größtenteils bereits im 19. Jahrhundert gesammelt. Die Sammlung umfasst mehr als 1.500 Stücke. Ein Forscherteam ist jetzt auf die Suche nach möglichen Parasiten in den Fliegenpuppen gegangen. Um die rund 3 Millimeter großen Puppen nicht zu beschädigen, untersuchten sie die Originale per Röntgenverfahren. Die Röntgenaufnahmen zeigten Erstaunliches: es wurden parasitische Wespen identifiziert. Insgesamt vier neue, parasitische Wespenarten wurden gefunden und wissenschaftlich beschrieben. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind nun in der Fachzeitschrift "Nature Communications" erschienen.

Nach einer Untersuchung in den 1940er Jahren durch den Schweizer Zoologen Eduard Handschin lagen die Fliegenpuppen für viele Jahrzehnte unbeachtet in den Sammlungen der Naturkundemuseen in Basel und Stockholm. "Äußerlich kann man die Fossilien als Fliegenpuppen erkennen, eine genauere Bestimmung ist allerdings nur bedingt möglich", so der Paläontologe Dr. Achim Schwermann aus dem LWL-Museum für Naturkunde. "Handschin ist vermutlich auf der Suche nach gut erhaltenen Fliegen gewesen, als er Dünnschliffe aus mehreren Puppen herstellte und dabei zufällig auf etwas stieß, das ihn an den Längsschnitt einer parasitischen Wespe erinnerte ", erläutert der LWL-Wissenschaftler.

Ein interdisziplinäres Team, bestehend aus Wissenschaftlern des LWL-Museums für Naturkunde, des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der Universitäten Bonn und Heidelberg, sowie der Naturkundemuseen Stuttgart, Basel und Stockholm, wurde zusammengestellt. Gemeinsam gingen sie dem alten Hinweis nach und haben dabei einen neuen Blick auf die fast vergessene Fossiliensammlung geworfen. Schwermann weiß: "Die zerstörungsfreien, bildgebenden Verfahren erlauben heutzutage völlig neue Einblicke in äußerlich verborgene Strukturen." Mit den modernen Bildgebungsmethoden der Synchrotronstrahlungsquelle des KIT, genauer mit Röntgen-Mikrocomputertomographie, können die inneren Strukturen hochaufgelöst sichtbar gemacht werden. "Erst die jüngsten Entwicklungen haben es uns jedoch erlaubt, sehr große Probenmengen in relativ kurzer Zeit zu durchleuchten und teilautomatisiert auszuwerten", erläutert der Biologe Dr. Thomas van de Kamp des KIT und erklärt: "Nur so war es uns möglich, wirklich jede einzelne Puppe der umfangreichen Sammlung auf Parasitenbefall zu untersuchen."

Äußerlich ist den fossilen, nur etwa drei Millimeter langen Fliegenpuppen nicht anzusehen, ob und welches Tier sich in ihrem Inneren erhalten hat. Die neue Untersuchung lieferte jedoch spektakuläre Ergebnisse - in jeder 30. Puppe identifizierten die Wissenschaftler Parasiten.

"Sie sind oft erstaunlich gut erhalten", so van de Kamp. Bei den meisten Tieren handelt es sich um ausgewachsene Exemplare, die kurz vor dem Schlupf aus der Puppenhülle der Fliege gestanden haben. Die Detailgenauigkeit der Untersuchung ließ es zu, vier neue Arten parasitischer Wespen wissenschaftlich zu beschreiben und zu benennen. Die häufigste Art wurde Xenomorphia resurrecta getauft. Der Gattungsname ist dabei eine Anspielung auf die als "Xenomorph" bezeichneten Wesen aus der Alien-Filmreihe, die sich ebenfalls als Parasiten im Innern eines Wirts entwickeln. Das Wort "resurrecta" wiederum beschreibt die digitale "Wiederauferstehung" der ausgestorbenen Art.

Schätzungsweise 10 bis 20 Prozent aller heutigen Insektenarten sind parasitische Wespen. Eine Vielzahl von Arten ist auch aus dem Fossilbericht gut bekannt, jedoch beschränken sich die Funde fast ausschließlich auf isolierte, erwachsene Tiere. Die Studie zeigt nun erstmalig detailliert auf, dass die untersuchten Wespen sich Fliegenpuppen als Wirt gesucht haben. "Die weibliche Wespe hat mit ihrem Legestachel ein Ei in eine Fliegenpuppe gelegt. Im Inneren der Puppenhülle hat sich die Wespenlarve entwickelt und von der ungeschlüpften Fliege ernährt.", so der Biologe und Wespenspezialist Dr. Lars Krogmann vom Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart. "Die meisten der nun entdeckten Wespen standen kurz vor dem Schlupf. Einige haben sich in der Puppenhülle bereits bewegt, während sie nur noch darauf gewartet haben, dass ihre Artgenossen sich ebenfalls zum Schlupf bereitmachen. Das ist ein bemerkenswerter Hinweis auf einen synchronisierten Schlupf, den diese Wespen entwickelt haben. Sie wären dann zeitgleich aus den Fliegenpuppen geschlüpft", erläutert Krogmann.

Das Forscherteam ist begeistert über die Ergebnisse, die nur möglich geworden sind, weil scheinbar unscheinbare Fossilien mit modernsten Methoden untersucht wurden. "Diese Fossilien sind ein Schatz, der schon lange in Sammlungsschubladen schlummerte", so Schwermann. "Wir können ihn nun mit unseren Methoden heben."

Autor:

Helmut Eckert aus Schwerte

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