Abenddämmerung

Es ist Zeit für die letzte Runde mit dem Hund. Wir gehen unseren gewohnten Weg, alles ist wie immer.

Die Dämmerung malt abstrakte Bilder an den Himmel. Die Wolken scheinen zum Greifen nah, während der Horizont unendlich weit ist.

Ein Schwarm Dohlen fliegt kreischend ins Dorf, dann ist es ruhig zwischen den Feldern. Nur vereinzelte Schwalben schwirren noch durch die Luft. Die Natur schickt sich an, schlafen zu gehen.

Ich gehe mit dem Hund der untergehenden Sonne entgegen. Die Luft ist kühl und frisch, man kann durchatmen. Ich liebe diese Dämmerstunde, wo die Welt nur mir zu gehören scheint. Ich liebe die Ruhe und den Frieden, den sie ausstrahlt.

Meine Gedanken gehen auf die Reise, hin zu denen, die nur noch in meinem Herzen sind.
Und ich frage mich, ob ich sie irgendwann wiedersehen werde. Irgendwo. Dort, hinter dem Horizont.

Besonders du, mein Mädchen, fehlst mir! Das hat sich nicht geändert in den mehr als sieben Jahren. Es tut immer noch weh. Ein Teil von mir ist mit dir gegangen. Und an Abenden wie diesem spüre ich es ganz besonders. Das Vermissen, die Traurigkeit.

Doch wenn die letzten Sonnenstrahlen den Himmel glutrot färben, dann habe ich das Gefühl, du lächelst mir zu. Dann wird mir das Herz ganz warm und weit – und dann spüre ich es:

Ja, wir werden uns wiedersehen! Irgendwo! Irgendwann!

© Siglinde Goertz

Sei willkommen, Zwielichtstunde!
Dich vor allen lieb' ich längst,
Die du, lindernd jede Wunde,
Unsre Seele mild umfängst.

Hin durch deine Dämmerhelle
In den Lüften, abendfeucht,
Schweben Bilder, die der grelle
Schein des lauten Tags gescheucht.

Nach dem Trennungsschmerz, dem langen,
Dürfen wir noch einmal nun
Denen, die dahingegangen,
Am geliebten Herzen ruhn,

Und, indes zum Augenlide
Sanft der Schlummer niederrinnt,
Sinkt auf uns ein sel'ger Friede
Aus dem Land, wo jene sind.

Adolf Friedrich von Schack